Wenn von Echokammern geredet wird, sind vor allem Foren im Internet gemeint, in denen sich Gleichgesinnte treffen und sich mit ihren Beiträgen gegenseitig bestätigen und bestärken.
Subkulturen und Uniformität
Das Phänomen ist nicht neu und in der Soziologie seit langem ein Thema. Verstärkt in den Fokus geraten ist es durch die Digitalisierung der Kommunikation und die einfache und billige Möglichkeit, über geografisch große Entfernungen an Diskussionen mit Menschen teilzunehmen, die man größtenteils nicht kennt.
Doch die technische Seite sorgt nur für die Praktikabilität einer Echokammer. Das Problem ist spirituell. Denn es findet häufig eine Separierung von anderen Lebenswelten statt und es bildet sich das, was als Begriff der Subkultur seit langem bekannt ist.
Meinungen, Einstellungen, aber auch Verhaltensmuster und kulturelle Orientierungen sind in Subkulturen uniform und führen zu einer Eigendynamik, die eine offene Kommunikation mit anderen Realitäten erschwert.
Meinungsfreiheit, Staat und Zensur
Wenn vor allem Politiker heute über Echokammern klagen, dann meinen sie diese Subkulturen, in denen kein kontroverser Austausch mehr stattfindet und in dem das Prinzip der gegenseitigen Selbstbestätigung vorherrscht. Der Klage könnte man sich anschließen, wenn da nicht ständig eine Vermischung stattfände und diese vermuten lässt, dass sich die Klage nur gegen Andersdenkende richtet.
Diejenigen, die in den Foren des Internets das politische Agieren scharf kritisieren, sind schnell als Mitglieder von Echokammern diskreditiert und zu einer Gruppe gehörig definiert, die auf das Schärfste bekämpft werden muss.
Das hat, unter dem Vorwand, radikale und kriminelle Subkulturen bekämpfen zu wollen, zu Zensurauswüchsen geführt, die vor einem Jahrzehnt undenkbar gewesen wären.
Geschickterweise wurden die Marktanbieter der sogenannten Social Media von der Politik dazu angestiftet, nach Algorithmen zensorisch aktiv zu werden. Da werden dann Beiträge nicht publiziert, die, aus dem Kontext gerissen, den eingespeisten Indikatoren entsprechen, im Kontext jedoch sittengemäß und demokratisch sind.
Das, so die Politik, ist dann das Problem der privaten Anbieter und nicht das des Staates. Der hat es aber initiiert und damit ein verfassungsmäßiges Recht außer Kraft gesetzt. Er hat nämlich dafür zu sorgen, dass jeder Bürger und jede Bürgerin frei ihre Meinung äußern können. Das Innenministerium hat sich schlimmer gebärdet als Billionenkonzerne wie Facebook.
Echokammern der politischen Subkultur
Erkenntnis wie Demokratie speisen sich aus kontroversem Austausch. Wer sich dem nicht stellen will, lernt nur wenig dazu und hält den gesellschaftlichen Diskurs nicht aus. Insofern ist das Phänomen der Echokammern sehr ernst zu nehmen und unter verschiedenen Aspekten zu reflektieren.
Was allerdings bei genauer Betrachtung gleich ins Auge sticht, ist, dass die Gefahr nicht nur von heimlich Waffen handelnden und in germanischen Runen kommunizierenden Rassenideologen ausgeht, sondern auch von denen, die durch Mandate mit der größten Macht ausgestattet sind: nämlich der Politik selbst!
Wir erinnern uns an die Situation, als die damalige SPD-Vorsitzende Andrea Nahles vor die Kameras trat und die Beförderung des zwielichtigen ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen zurücknahm mit der Begründung, man habe nicht gewusst, wie sehr eine solche Maßnahme in der Bevölkerung auf Unverständnis stoße.
Entfremdung von Politik und Gesellschaft
Oder nehmen wir die aktuelle Situation in der EU. Nach einer nie dagewesenen Kampagne für die EU und die mit ihr verbundene direkte Demokratie wurde diese bei der Nominierung der Kandidatin für die Kommissionspräsidentin kurzerhand im Hinterzimmer ausgehebelt. Das zeugt von einer Echokammermentalität erster Güte.
Das große Problem der Entfremdung von Politik und Gesellschaft besteht in der Echokammer des Subsystems Politik. Es hat sich eine Subkultur entwickelt, die im Labor von Wirtschaftsinteressen vor allen Einflüssen des tatsächlichen gesellschaftlichen Seins ferngehalten wird.
Foto: Jeremy Bishop (Unsplash.com)
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
Eine Antwort auf „Echokammern und das Subsystem Politik“
Nur die Trinität von direkter Demokratie,dem Vollgeldsystem unter Kontrolle des Volkes und eines bedingungslosem Grundeinkommens kann das Miteinander wieder in menschliche Bahnen lenken. Unter der direkten Demokratie ist jeder Abgeordnete frei von Parteien und entscheidet nur nach seinem eigenen Gewissen. Dann ist auch ein ganz anderes Denken in Geldangelegenheiten möglich, Geld muss wieder Hilfsmittel und nicht Druckmittel und könnte bei vernünftiger Anwendung so hilfreich sein. Wir haben uns heute durch das Geldsystem in ein unmögliches, beschränktes Verhalten pressen lassen. Nur mit der direkten Demokratie sind solche Änderungen möglich und durchführbar.