Nach den ersten zaghaften Schritten, abtastend, was sich so auf dem Boden befindet, komme ich schnell von dem Schotterweg auf eine glatte Fläche. Nicht zu glatt, dass es mich rutschend aus der Bahn würfe, aber auch mit keinerlei Unebenheiten, die mich zu Fall brächten.
Mein Schritt wird immer sicherer. Ich habe meine Arme runtergenommen, gehe zügig voran, biege mal hier hin ab mal dahin ab, aber von meiner Umgebung her ändert sich nichts.
Da meine Beine selbstständig arbeiten, ich das Vertrauen gefasst habe, dass sich mir nichts in den Weg schmeißt, ohne dass ich keine Notiz davon nehmen würde, lasse ich mich von meinen Gedanken einnehmen. Sie kehren zu dem Momentum zurück, indem ich von der weißen Nebelwelt in eine grau-moderne Welt gekippt wurde.
In der weißen Welt lebte ich, wanderte ich und fühlte mich in Teilen zu Haus. Ähnlich verweile ich nun hier in dieser Schwärze, aber meine Zeit in der Realität war kurz. Ich fiel durch sie hindurch, ohne wirklichen Halt. Sie zog an mir vorbei in Sekunden und hinterließ keine Spuren auf mir. Die weißen Nebel zeigten Leben, zeigten Witz und Leitung. Das Schwarze ist zwar stumm und macht mich blind, aber ich begreife sie langsam als Erweiterung meiner Sinne.
Sind die Augen erst blind, fangen wir erst an wirklich zu sehen. Begegnet uns die Schwärz, dann wissen wir nicht, was sich in ihr finden lässt. In der Realität sehen wir nur mit einem Sinn, in der Blindheit leben wir mit allem Ganzen und Sein.
So vertieft war ich, dass ich die Veränderung erst spät spüre. Mit einem Mal merke ich ein Ziehen in den Schultern, mein ganzer Nacken ist steif und mir stellen sich alle Haare auf. Ich bleibe automatisch stehen und drehe leicht meinen Kopf nach hinten. Kommt da etwas auf mich zu gerannt? Wie ein Tier auf allen vieren? Höre ich da das Poltern der Pfoten auf dem ebenen Boden und spüre es immer näher auf mich zukommen? Mit einem innerlichen Blitz des Schreckens dreht es mich komplett um und ich reiße wieder meine Augen auf, als ob ich die Schwärze nicht schon verstanden hätte und etwas durch sie erblicken könnte. Was ich aber nicht kann! Dafür arbeitet der Rest selbstständig und lässt mich alle Muskeln anspannen, die Angst steigt höher, weiter hinauf aus meinen Eingeweiden zu meiner Kehle und schnürt sie zu, wie eine Hand, die meinen Hals mörderisch fasst. Irgendwo in meinem leer gefegten Gehirn kenne ich diese Hand und die Wut in ihr. Die Verzweiflung und den Hass! Eine zweite Hand glaube ich auf meinem Bauch zu spüren, über ihn streichen und in alle Richtungen vorstoßen.
Da spüre ich es nun ganz dicht vor mir zu sein. Ich stolpere zurück, was das Gefühl dieser Hände von meinem Körper löst und ich laufe los. Stürze davon und alles in mir fühlt sich nur noch nach Panik an.
Foto: Cherry Laithang (Unsplash.org)
Alex Ross emigrierte aus den schwäbisch-bayrischen Bergen in die Lüneburger Heide. Nach dem Abitur zog sie nach Hamburg, um ein Handwerk zu erlernen. Alex gibt sich als Autorin dem Schreiben hin und als Künstlerin der kreativen Malerei. Ihre Essays unterzieht sie dem Urteil der eifrigen Leserkultur. Sie schreibt über die kleinen Schönheiten und die großen Gemeinheiten des Alltags. Alex lebt im Norden Deutschlands.