Die einfachen Fragen sind oft die entscheidenden. In einer Welt, die von Hinz und Kunz1Hinz und Kunz ist eine deutsche Redewendung und Synonym für Jedermann. als die komplexeste aller Zeiten erklärt wird, sollte diese Erkenntnis nicht dahindämmern.
Biografien und ihre Botschaft
Bediente man sich des zeitgenössischen Vokabulars, dann müssten Indikatoren dafür gefunden werden, wie das Einfache, aber Fundamentale beobachtet werden kann.
Woran ist zu sehen, welches Verständnis ein Mensch mit Verantwortung und vielleicht sogar Mandat davon hat, wie mit denen umzugehen ist, die sich in seiner Abhängigkeit befinden? Und woran ist abzulesen, mit welchen sozialen Vorstellungen man es bei ihm oder ihr zu tun hat? Das wäre schon eine ganze Menge, wenn es gelänge, das zu erfahren. Es handelt sich hier um das Weltbild und den Umgang mit Macht. Wenn das nicht entscheidend ist, dann was?
Auch wenn wir uns in einer historischen Phase befinden, in der die Zivilisation gefährdet ist und unter anderem von dem Phänomen bewusster Geschichtslosigkeit geschändet wird, sollte nicht darauf verzichtet werden, das zu tun, was die nützliche Botschaft der Tradition genannt werden kann. Es geht darum, diejenigen zu befragen, die aufgrund ihrer eigenen Biografien etwas erzählen können.
Die sozialen Erfahrungen, die in Biografien stecken, sind Gold wert, wenn es darum geht, die erwähnten Indikatoren zu finden. Schauen Sie sich nach Menschen um, die mit den großen Orden sozialer Kämpfe in ihren Gesichtszügen dekoriert sind! Kommen Sie mit ihnen ins Gespräch und nutzen Sie deren scharfes Auge!
Wenn die Maske fällt
Ach ja, die Indikatoren. Sie sind in den erwähnten Fällen nicht so schwer zu finden. In der Generation, die Aufstände und Kriege erlebt hatte, pflegte man zu sagen: „Sieh dir an, wie jemand mit den sogenannten kleinen Leuten umgeht, und du weißt, mit wem du es zu tun hast.“ Das Urteil, das sich aus einer solchen Feststellung nach einer Phase der genauen Beobachtung ableiten lässt, ist immer zutreffend.
Jemand der Macht besitzt und die Grundvoraussetzungen eines zivilen Umgangs mit Kellnern, Fahrern Pförtnern, Boten und Hilfskräften aufgibt, taugt nicht für höhere Aufgaben. Die Maske ist gefallen, wenn der Respekt vor der menschlichen Existenz aufgrund eines Abhängigkeitsverhältnisses abgeschrieben wird.
Analog verhält es sich mit der Feststellung „Sieh dir an, mit wem jemand verkehrt, und du weißt, mit wem du es zu tun hast“. Auch hier verrät das soziale Ensemble das Milieu, in dem sich ein Mensch wohlfühlt oder das Arrangement, in dem er gerne leben möchte und wonach er oder sie strebt. Auch da führt die Beobachtung zu wunderbaren Erkenntnissen.
Wem es gelingt, einen sozialen Mix in seinen aktiven Kontakten aufrecht zu erhalten, obwohl er oder sie durch ein Mandat oder eine Funktion in starkem Maße absorbiert wird, kann die Befindlichkeit und die Interessen der Gesellschaft besser identifizieren als jemand aus einem sozialen Ghetto. Letzteres führt zu Isolation und Partikularismus2Als Partikularismus wird in der Politikwissenschaft ein Zustand oder ein Konzept politischer Systeme bezeichnet, bei dem kleinere Einheiten dem Ganzen gegenüber ihre Interessen und Rechte vorrangig durchsetzen können oder dieses zumindest beanspruchen..
Ernüchternde Erkenntnisse
Das tradierte3Tradiert bedeutet überliefert oder auch traditionell. Wissen um Indikatoren beim Umgang mit Macht und der sozialen Identifikation liegt also vor. Bei der Betrachtung derer, mit denen wir es zu tun haben, werden Ergebnisse zutage gefördert werden, die ernüchternd sind. Der Aufgabe sollten wir uns alle stellen. Beobachten wir diejenigen, die mit Mandaten und Funktionen ausgestattet sind. Wie gehen sie mit den „Kleinen“ um und mit wem fühlen sie sich wohl? Ich prophezeie ernüchternde Erkenntnisse.
Symbolfoto: The New York Public Library / Dorothea Lange (Unsplash.com)
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.