Vielleicht können sie es nicht, vielleicht wollen sie es auch nicht begreifen: Die Maschine ist nicht die Blaupause für menschliches Handeln. Dass trotzdem der allgemeine Trugschluss herrscht, Menschen könnten so “bedient” werden wie Maschinen, ist ein Dokument zivilisatorischen Niedergangs.
Die Sterilisation des Seins
Ja, hinter der im Digitalismus entzündeten Glitzerwelt lauert ein barbarisches Gemüt, das tatsächlich dem Wunsch nachgeht, die Welt wäre dann lebenswert, wenn menschliches Handeln mit der Präzision programmierter Maschinen vor sich ginge.
Zu anderen Zeiten hätte man die Frage nach zu viel Science-Fiction gestellt. Heute ist der Grund dafür gravierender als ein durch die Jugend bestimmter Abusus. Es geht um die Sterilisation der Vorstellung von sozialem Sein.
Wer hätte gedacht, dass die Technokratie das Denken einmal so verhunzen könnte wie Kriege die Moral und die daraus resultierende Alltagsethik in der Lage war, die agierenden Menschen zu verrohen. Und doch ist es wahr. Ohne ein Zucken auf den Lippen wird von menschlichem Versagen gesprochen, wenn Flugobjekte in Städte schlagen oder Eisenbahnen von den Brücken fallen.
Der Zauberlehrling
Der Trip, der für diese benommene Sichtweise verantwortlich zeichnet, ist entstanden im Labor der instrumentellen Vernunft und die Lehrmeister und Formelfinder von diesem Wahnsinn sind die Vertreter der formalen Logik.
Kein Leid ist zu groß kein Preis zu hoch und kein Superlativ zu bombastisch, um die Verehrung auszudrücken, die in der Wallfahrt zur technologischen Entwicklung steckt. Was das im Gegenteil heißt, wagen wir nur in seltenen Fällen auszusprechen: eine Geringschätzung menschlicher Leistung, eine Bagatellisierung sozialer Brisanz und eine Ausgrenzung zum Kollateralschaden.
Goethes Zauberlehrling ist eine lustige Weise im Vergleich zu der monströsen Erscheinung, mit der die menschliche Zivilisation es heute zu tun hat.
Und das, was an menschlicher, sozialer Leistung nicht mehr stattfindet, die Kommunikation, die Erziehung, das Zeigen von Haltung und das Entwickeln von Kooperation, werden gesucht in technischen Programmen, die die Maschine zur Steuerungseinheit machen.
Die Welt der Technokraten hat versagt und mit ihrer Betrachtungsweise sind sie dabei, die ganze Gattung zu gefährden.
Diabolische Maschinenreligion
Das menschliche Versagen, um das es hier gehen muss, ist nicht die technische Insuffizienz. Das menschliche Versagen, das uns alle angeht, speist sich aus dem tiefen Glauben an die Allmacht der Maschine. Es handelt sich um eine diabolische Variante der Religion.
Genau das, was in dem von Rationalismus und Wissenschaft dominierten Zeitalter längst überwunden sein sollte, hat mit absolutistischer Dominanz die Herrschaft übernommen und ist dabei, die menschliche Zivilisation nachhaltig zu stören.
Der Mensch, so die Erkenntnis, ist keine triviale Maschine. Und sein Tun, so die Folgerung, ist nicht Ausfluss einer algorithmischen Präposition, sondern das Ergebnis seiner eignen Potenziale und seiner Sozialisation.
Den Irrsinn begreifen
Nur von einer höheren Ordnung der gegenwärtig schwachsinnigen Verhältnisse ist es möglich, den herrschenden Irrsinn noch zu begreifen.
Der Abgleich zu den hier formulierten Thesen lässt sich finden in der Überprüfung der tatsächlich vorhandenen Verhaltensmuster der Technokraten selbst. Sie sind es, die unter sozialer Insuffizienz leiden, sie sind es, die sich mit dem Entscheiden schwertun und sie sind es, die sich aus ihren eigenen Defiziten heraus das Dasein einer programmierten Maschine wünschen.
Doch welcher Mensch, der noch in der Lage ist, sein Leben selbst zu gestalten, sollte sich auf einen solchen Irrsinn einlassen?
Symbolfoto: Julia Joppien (Unsplash.com)
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
Eine Antwort auf „Diabolisch: Maschinenreligion und soziale Insuffizienz“
Ist das nicht wunderbar für die Menschheit. Alle erforderlichen Aufgaben wird man Maschinen überlassen. Und wenn dann die Künstliche Intelligenz fortgeschritten ist,dann kann der Mensch auch noch das Denken einstellen. Was füe eine schöne Zukunft wird den Nachkommen hier geboten. Sie müssen nur noch Wege finden, mit den klimatischen gegenbenheiten zurecht zu kommen.