Gestern war wieder High Time in den deutschen Fox News: Der 70. Jahrestag der Volksrepublik China bot genügend Material, im Labor der Geschichtsvergessenheit, der Fake News und der Diffamierung so richtig einen loszumachen – im heute journal.
Die Botschaft im ZDF
Erst die Bilder von der mächtigen Militärparade aus Peking, dann Krawalle aus Hongkong. Während in Peking sich die Diktatur selbst bejubelte, werden in Hongkong die wahren Kämpfer für Demokratie niedergeknüppelt. So die Botschaft.
Neben Atlantik-Brücken-Kleber [1] und der Liebesentzug drohenden Trauerweide Slomka [2] ist jetzt der eunuchenhaft anmutende Ulf Röller [3] als High Commissioner von seiner letzten Sauftour aus den USA, wo er das komplexe Land auf sein schlichtes Anti-Trump-Ressentiment einzudampfen versuchte, nach China gesandt worden. Dort spielen, so das Kalkül der die Atlantikbrücke betreibenden Falken am Potomac, die nächsten Dramen der Weltgeschichte.
Denn wollen die USA ihre Weltherrschaft behalten, dann ist der Entscheidungskampf mit China erforderlich. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch.
Da ist es wunderbar, dass mit dem Sonderstatus Hongkongs noch ein letztes Relikt der jahrhundertelangen Schmähung, Demütigung, Ausbeutung und Unterdrückung Chinas verblieben ist, wo man seine kolonialen Blue Movies glaubt drehen zu können. Die dortige Demokratiebewegung wünscht sich das alte, demokratische Hongkong zurück, so das wiederholte Lied.
Opiumkrieg, Boxeraufstand und ungleiche Verträge haben das Britische Empire dazu befähigt, China jene Kolonie zu entreißen, in der nie demokratisch gewählt wurde. Und nun kommen die Investigativen vom Mainzer Lerchenberg und erzählen, bei Hongkong handele es sich um ein Diadem aus den glorreichen Zeiten der britischen Demokratie in China. Da stellt sich die ernsthafte Frage, in welcher Opiumhöhle messerscharfe Analysten wie besagter Ulf Röller nächtigen?
Die Schändung im ZDF
Das Problem, das von den deutschen Fox News permanent kreiert wird, ist die Destabilisierung des gesellschaftlichen Narratives von der Demokratie. Der offensichtliche, dauerhafte und systematisch betriebene Akt der Schändung historischer Fakten und gesellschaftlicher Wahrheiten führt nicht zu einer Desorientierung im Einzelnen, aber zu der Zerstörung des Vertrauens insgesamt.
Was soll man von wenig argumentierenden, dafür aber ständig emotionalisierenden und für die schlechte Sache Werbenden anderes halten, als dass es sich um Propagandisten im wissenschaftlichen Sinne handelt?
In diesen Tagen heißt es immer, vertrauen Sie auf die Wissenschaft! Das ist ein kluger Rat. Zu den Wissenschaften gehört auch die Geschichte, zumindest was die historischen Fakten anbetrifft.
Und das, was die Volksrepublik China heute darstellt, unterscheidet sich gravierend von den Zeiten des Kolonialismus und Imperialismus. Kaum eine alte Großmacht, die sich nicht an China goutiert hätte. Glaubt irgendwer, die Chinesen selbst hätten kein Bild von ihrer Geschichte?
Und glauben die Produzenten der Märchenstunde namens heute journal wirklich, eine Militärparade auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Pekings sei mit der Gefahr vergleichbar, die amerikanische und europäische Waffen derzeit im Jemen verbreiten? Oder in Syrien? Oder in Libyen? Oder in Venezuela? Oder im Irak? Oder in Saudi Arabien?
Der Ratschlag ans ZDF
Ein guter Rat: Von Mainz ist es nicht weit nach Frankreich. Dort lassen sich seit geraumer Zeit auch Geschichten finden, die das Etikett der Sensation verdienen. Da herrscht Ausnahmezustand, da wird geprügelt und geschossen, was das Zeug hält. Da gibt es jedes Wochenende Bilder von aus den Rollstühlen geschossenen Menschen, die dann über die Straßen geschleift werden. Das wären True News at their best! Und dazu noch im deutschen Fernsehen! Doch bitte berichtet und kommentiert von neuen Gesichtern! Blieben die alten, dann glaubte das wieder keiner!
Quellen und Anmerkungen
[1] Claus Kleber (Jahrgang 1955) ist Jurist, Journalist, Autor und Fernsehmoderator. Seit 2003 ist er Moderator des ZDF-heute-journals, dessen Leiter er bis etwa Anfang 2009 war. Kleber ist Mitglied der Berliner Dependance des amerikanischen Vereins Aspen-Institut und der dem deutsch-amerikanischen Verein Atlantik-Brücke angeschlossenen gleichnamigen Stiftung. Mehr Informationen auf https://de.wikipedia.org/wiki/Claus_Kleber (Link abgerufen am 02.10.2019). ↩
[2] Marietta Slomka (Jahrgang 1969) ist Journalistin und Fernsehmoderatorin. Sie war ab 1998 für das ZDF als Parlamentskorrespondentin in Bonn. Die Moderation des Nachrichtenmagazins heute nacht übernahm sie 2000. Anfang 2001 wurde sie Moderatorin beim heute-journal. ↩
[3] Ulf Röller (Jahrgang 1964) ist Fernsehjournalist. Beim ZDF arbeitete er erst im Bonner ZDF-Studio und ab 1999 im Hauptstadtstudio in Berlin. 2008 übernahm er die Leitung des ZDF-Morgenmagazins. Von Anfang 2011 bis 2019 war er Leiter des ZDF-Studios in Washington. Seit etwa Sommer leitet er das ZDF-Studio Ostasien in Peking. Mehr Informationen auf https://presseportal.zdf.de/pressemitteilung/mitteilung/paris-berlin-peking-korrespondentenwechsel-im-zdf/ und auf https://presseportal.zdf.de/biografie/Person/ulf-roeller (Links abgerufen am 02.10.2019). ↩
Illustration: Mohamed Hassan (Pixabay.com; Lizenz)
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
3 Antworten auf „ZDF: Fox News aus deutschen Landen“
Geschichte sind doch nur die Lügenmärchen und Geschichtsfälschung der Sieger, außer den Berichten von Zeitzeugen und Opfern der Kriege, die von 1933- heute stattgefunden haben und den mündlichen Überlieferungen der Ureinwohner aller anderen Kontinente!!! Archiologie ist nachweisbare Geschichte, aber Geschichte selber sind doch meistens eh nur Lügen und Verdrehungen der Wahrheit!!!! Die Wahrheit kommt schlechtestenfalls erst Jahrhunderte später raus, ( siehe die mündlichen Überlieferungen der Ureinwohner Nord- und Südamerikas, Australiens, Afrikas, Asiens und die Ausgrabungen der Archiologen, die diese mündlichen Überlieferungen bestätigen). Schlimm finde ich nur, daß diese Lügenmärchen der Sieger jeder neuen Generation wieder eingebläut werden und noch zusätzlich als ” Zivilisation” angepriesen werden, obwohl es sich doch immer um Völkermord, Mord, Diebstahl und Vergewaltigung der Wehrlosen, handelt!!! ( siehe die Macht und den Reichtum der christlichen Kirchen, egal ob Katholisch oder englische Kirche, an ihrer Grausamkeit sollt ihr sie erkennen,oder wer heutzutage die Schicksale der Menschen in Nord- und Südamerika, Australien, Neuseeland, Hawaii usw. bestimmt, Brasilien ist doch in diesem Zusammenhang ein wunderbares Beispiel, oder auch Mexiko, für die Ureinwohner dieser Kontinente hat doch die Kolonialzeit bis zum heutigen Tag nie aufgehört) Da fragt man sich doch, was die ” Geschichte” als ” Zivilisation ” lehrt??? Mord und Totschlag sind in den Augen der Geschichtslehrer immernoch ein bestes Instrument um bis zum heutigen Tag die Verbrechen der Sieger zu verharmlosen, weiter nichts!!!!
Vielen Dank, das ist ein sehr guter und klarer Artikel!
Apropos Frankreich. Da möchte ich nochmal an den 14.Juli erinnern, als Macron mit militärischem Tamtam und einigen Staatschefs der EU den Nationalfeiertag glorifizierte. Nicht nur Merkels Augen glänzten im vom Blut gereinigten Lamettaschein.
Die Gelbwesten waren natürlich nicht eingeladen, um es mal höflich zu formulieren.
Es ist auch nicht bekannt, ob Chinesen salutiert, oder sich echauffiert haben.
Wenn das Narrativ der Demokratie ständig wiederholt werden muss, dann ist doch offensichtlich, dass es sich nur um ein Narrativ handeln kann.