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ARD: Zwei Arten von Vermummungsverbot

Die Ereignisse in Hongkong sind bestens dazu geeignet, den journalistischen Standard, der sich in den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten etabliert hat, in seiner ganzen Tragweite zu beschreiben.

… nun die Tagesschau der ARD. Die Ereignisse in Hongkong sind bestens dazu geeignet, den journalistischen Standard, der sich in den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten etabliert hat, in seiner ganzen Tragweite zu beschreiben.

Der doppelte Standard

Es handelt sich um den doppelten Standard als eigenes Standardmaß. Ausnahmen bestätigen die Regel. Dass es sich bei dem doppelten Standard um etwas handelt, das per se Widerstand hervorrufen muss, sollte dazu führen, den Kampf gegen diese Unerträglichkeit mit dem Mittel zu begegnen, das immer als Beginn der Wende zu bezeichnen ist: mit Hohn und Spott!

Jüngstes Beispiel ist die Verhängung des Vermummungsverbots in Hongkong. Die Regierungschefin Carrie Lam hat angekündigt, angesichts der eskalierenden Gewalt aus Reihen der Demonstranten dieses Gesetz zu aktivieren. Was von dem Vermummungsverbot angesichts staatlicher Gewalt zu halten ist, ist hierzulande seit Langem bekannt und insofern bedarf es keiner Diskreditierung der Demonstranten, es sei denn, man schüttelt sich vor deren unbegrenzter Naivität.

Das Gesetz, das nun aktiviert wird, stammt aus der britischen Kolonialzeit. Letzteres wurde auch von der berichtenden Tagesschau mehrfach unterstrichen. Ja, da springt der Bock doch ganz von selbst an den Fleischerhaken!

Fremdherrschaft und Vermummungsverbot

Das, wofür in Hongkong nun seit Wochen unter anderem demonstriert wird, ist die Beibehaltung des Sonderstatus Hongkongs als ehemaliger britischer Kronkolonie über das Jahr 2045 hinaus. Die gesetzlichen Grundlagen, die diesen Sonderstatus beschreiben, sind aus der Kolonialzeit. Sie haben mit der allgemein unterstellten Vorstellung von Demokratie wenig zu tun und sind glasklarer Ausdruck fremder Herrschaft.

Insofern ist das, wofür die Demonstranten, die wiederholt mit der Flagge der alten Kronkolonie für die „Demokratie“ auf die Straße gehen, mit dem Vermummungsverbot zu einem Teil erreicht. In Hongkong wird geherrscht wie in den guten alten Zeiten. Und alle sind empört.

Bemerkenswert die Bemerkung von Carrie Lam, dass das Vermummungsverbot ja auch in Deutschland gelte. Und die Nachrichtenengel von der ARD berichten auch das, allerdings nicht in den Tele-Nachrichten, sondern in den Online-Texten [1]. Allerdings so, als hätten sie nichts damit zu tun. Da wird dann die Replik der Demonstranten zitiert, in Deutschland herrsche im Gegensatz zu Hongkong die Demokratie. Da kann dann schon ein wenig Bestürzung aufkommen. Dann existieren anscheinend zweierlei Vermummungsverbote? Ein diktatorisches und ein demokratisches?

Die ARD und das Schema

Medial ist mit dem ARD-Bericht ein neues Schema zu identifizieren, das sich herauszubilden scheint. Es wird mit Schlagzeilen operiert, die bestimmte Schlussfolgerungen suggerieren, um dann fernab im Kleingedruckten doch Informationen preiszugeben, die durchaus andere Schlussfolgerungen zulassen, als die im Vordergrund stehende Suggestion. Es handelt sich dabei um ein altes System der Meinungsmache, unterscheidet sich aber von dem moralinsauren Absolutismus, der bis vor Kurzem sowohl in ZDF als auch in der ARD geherrscht hat.

In diesem Fall, dem des Vermummungsverbots, in der im entlegenen Text auf die Problematik eines deutschen Vermummungsverbots hingewiesen wird, ist diese neue Linie zu identifizieren wie im Falle der sogenannten Ukraine-Affäre von US-Präsident Donald Trump. Auch dort wurde sein Versuch, dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bestimmte Untersuchungen gegen die Familie Biden nahezulegen, so lange solitär in den Äther posaunt, bis die Botschaft saß. Nun, kleinlaut und entlegen, wird darauf verwiesen, welche dreckigen, korrupten und interventionistischen Gebärden dem lupenreinen Demokraten Joe Biden und seinem Sohn (They call me the Hunter!) zugeschrieben werden können.

Die sich abzeichnende neue Linie ist eine Reaktion auf den neuen, kritischen Journalismus jenseits der etablierten Plattformen. Bitte darauf achten: es handelt sich um kleine Konzessionen an die Redlichkeit, um den doppelten Standard zu retten.


Quellen und Anmerkungen

[1] Tagesschau.de (04.10.2019): Notstandsgesetz aktiviert – Vermummungsverbot empört Hongkonger. Auf https://www.tagesschau.de/ausland/hongkong-debatte-ueber-vermummungsverbot-105.html (abgerufen am 05.10.2019).


Symbolfoto: Simon Zhu (Unsplash.com)

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

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