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Krise in Katalonien – Dialog ist der Ausweg

Den Ausweg aus einer Konfrontation zu suchen, ist nicht die Unterwerfung des Schwächeren, sondern bedeutet, die Hand auszustrecken zur Versöhnung.

Nicht nachvollziehbare Haftstrafen für Politiker der Unabhängigkeitsbewegung, Massenproteste, Generalstreik, Polizeigewalt, Barrikaden:

In Katalonien vollzieht sich der Genickbruch für Diplomatie, politische Lösung und Gewaltlosigkeit in drei Akten.

Der spanische Premierminister Pedro Sánchez ignoriert Quim Torra, den Präsidenten von Katalonien, der den Dialog sucht, in dem er nicht auf dessen Telefonanrufe reagiert. Im Gegenzug reicht er Torra eine vergifte Feige an. Torra soll die Gewalt verurteilen, die ausgeht von einer verschwindend kleinen Minderheit im Meer der vielen Menschen, die sich friedlich an den Demonstrationen für die Unabhängigkeit und die Freiheit der inhaftierten katalanischen Politiker beteiligen.

Wohl geleitet von den Gedanken an Rechtsstaatlichkeit und Friedfertigkeit nimmt Torra die Frucht an, verurteilt die Gewalt der Straße, versäumt es aber, die enthemmte Gewalt der Polizei, die sich auch gegen völlig friedliche Protestler richtet und sich vor den Augen der vernetzten Welt abspielt, anzuprangern. Damit öffnet er eine empfindliche Flanke der Unabhängigkeitsbewegung: Die Einigkeit in der Sache, dem legitimen Ringen um Souveränität.

Dass der Premierminister verletzten Polizisten kondoliert, ist eine Halbnote im Spiel um die Macht. Der volle Ton ergießt sich als Schweigen über die rund 500 durch Polizeigewalt verletzen Demonstranten und Journalisten. Sie sind Sánchez kein Wort des Trostes, der Hoffnung oder der Aussöhnung wert.

In der Kategorisierung der Opfer in beachtenswert und gleichgültig spiegelt sich die Entblößung des moralischen Selbst. Die Bankrotterklärung eines berechnenden Charakters, der inmitten des gesellschaftspolitischen Tsunami zwischen Richtig und Falsch nicht mehr unterscheidet, weil dieser Maßstab kein Maßstab für die Macht ist.

Das Kalkül eines eisigen Herold wird offenbart, der den Unabhängigkeitsbefürwortern unter den Katalanen, immerhin fast jeder Zweite, eine Botschaft aus der entemotionalisierten Bleimine der Machtpolitik vorträgt: Es ist der zigfach kopierte Versuch, Hunderttausende friedlicher Demonstranten zu kriminalisieren, um ihnen die scharfe Klinge der freien Entscheidung über ihre eigene Zukunft aus der Hand zu schlagen. Dies wird vollzogen durch die Zuweisung der Verantwortlichkeit für das Verhalten einiger weniger gewalttätiger Protestler, unter die sich der fade Beigeschmack eingeschleuster Provokateure mischt.

Das Muster der Diffamierung ist bekannt und leicht durchschaut:

Wirft ein Demonstrant einen Stein, so werden alle Demonstranten als Chaoten, Aufrührer oder Terroristen pauschal verurteilt. Prügeln Polizisten wahllos auf Demonstranten ein, treten in Gesichter oder zerschlagen Knochen, so sind dies bedauerliche Einzelfälle. Unschön, aber notwendig.

Massenmedien verbreiten die Mär von der guten Gewalt und der bösen Gewalt. Dabei ist die enthemmte Gewalt des Staates ebenso wie die nackte Gewalt der Straße zu verurteilen. Wer dies versäumt, der pflanzt den Keimling des gewaltsamen Widerstands, die finale Bruchlinie zwischen Herrschern und Beherrschten.

Den Ausweg aus einer Konfrontation zu suchen, ist nicht die Unterwerfung des Schwächeren, sondern bedeutet, die Hand auszustrecken zur Versöhnung. Denn der Tanz auf der Schneide des Messers, auch wenn dieser in der Haltung des Stärkeren geschieht, bleibt das Spiel der Hasardeure. Der Ausweg ist zu finden in Dialog und Deeskalation.

PS: Präsident Torra, greifen Sie bitte zum Telefon und rufen Sie wieder an. Premierminister Sánchez, heben Sie bitte ab.


Symbolfoto: Mike Meyers (Unsplash.com)

Gunther Sosna studierte Psychologie, Soziologie und Sportwissenschaften in Kiel und Hamburg. Er war als Handballtrainer tätig, arbeitete dann als Journalist für Tageszeitungen und Magazine und später im Bereich Kommunikation und Werbung. Er lebte hauptsächlich im europäischen Ausland und war international in der Pressearbeit und im Marketing tätig. Sosna ist Initiator von Neue Debatte und weiterer Projekte aus den Bereichen Medien, Bildung, Diplomatie und Zukunftsfragen. Regelmäßig schreibt er über soziologische Themen, Militarisierung und gesellschaftlichen Wandel. Außerdem führt er Interviews mit Aktivisten, Politikern, Querdenkern und kreativen Köpfen aus allen Milieus und sozialen Schichten zu aktuellen Fragestellungen. Gunther Sosna ist Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens und tritt für die freie Potenzialentfaltung ein, die die Talente, Fähigkeiten und die Persönlichkeit des Menschen in den Mittelpunkt stellt, ohne sie den Zwängen der Verwertungsgesellschaft unterzuordnen. Im Umbau der Unternehmen zu gemeinnützigen und ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichteten sowie genossenschaftlich und basisdemokratisch organisierten Betrieben sieht er einen Ausweg aus dem gesellschaftlichen Niedergang, der vorangetrieben wird durch eine auf privaten Profit ausgerichtete Wirtschaft, Überproduktion, Kapitalanhäufung und Bullshit Jobs, die keinerlei Sinn mehr haben.

Von Gunther Sosna

Gunther Sosna studierte Psychologie, Soziologie und Sportwissenschaften in Kiel und Hamburg. Er war als Handballtrainer tätig, arbeitete dann als Journalist für Tageszeitungen und Magazine und später im Bereich Kommunikation und Werbung. Er lebte hauptsächlich im europäischen Ausland und war international in der Pressearbeit und im Marketing tätig. Sosna ist Initiator von Neue Debatte und weiterer Projekte aus den Bereichen Medien, Bildung, Diplomatie und Zukunftsfragen. Regelmäßig schreibt er über soziologische Themen, Militarisierung und gesellschaftlichen Wandel. Außerdem führt er Interviews mit Aktivisten, Politikern, Querdenkern und kreativen Köpfen aus allen Milieus und sozialen Schichten zu aktuellen Fragestellungen. Gunther Sosna ist Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens und tritt für die freie Potenzialentfaltung ein, die die Talente, Fähigkeiten und die Persönlichkeit des Menschen in den Mittelpunkt stellt, ohne sie den Zwängen der Verwertungsgesellschaft unterzuordnen. Im Umbau der Unternehmen zu gemeinnützigen und ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichteten sowie genossenschaftlich und basisdemokratisch organisierten Betrieben sieht er einen Ausweg aus dem gesellschaftlichen Niedergang, der vorangetrieben wird durch eine auf privaten Profit ausgerichtete Wirtschaft, Überproduktion, Kapitalanhäufung und Bullshit Jobs, die keinerlei Sinn mehr haben.

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