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Psychogramme

Jenseits der bitter-komischen Bilanz sei eine Prognose erlaubt: Es wird bald Neuwahlen geben und Frau Merkel bleibt Kanzlerin.

Als Friedrich Merz vor einigen Tagen in einer jener stereotypen Hotellobbies, die für sich mehrere Sterne reklamieren, zum Angriff blies, war klar, dass es nicht lange dauern würde, bis die anderen Kumpane aus der Deckung kommen würden.

Das reaktionäre Programm

Und so dauerte es gerade einmal vierundzwanzig Stunden, bis Roland Koch den Gullydeckel hochwarf und ins gleiche Horn wie Kollege Friedrich stieß. Und es wird nicht lange dauern und dann fallen noch Namen wie Oettinger und vielleicht sogar Wulff. Und zum Schluss meldet sich dann noch das Hirn von dem ganzen revoltierenden Team, die Ikone der schwarzen Null aus dem Alemannischen, um mit runzelnder Stirn und leichtem Winzerakzent die staatsmännische Notwendigkeit des Putsches zu begründen.

Es wird nicht viel fehlen und der eine oder andere dieser ehemals jungen und lange verschmähten wird den Namen Stauffenberg fallen lassen. Dann werden sie schaudern angesichts ihrer eigenen historischen Mission, und mit bebenden Gesichtern der Dinge harren, die da kommen werden.

Nicht, dass es nicht legitim wäre, bestehende Machtverhältnisse zu verändern, wenn geglaubt wird, dass die Politik, die aus ihnen resultiert, die falsche ist. Im Hinblick auf das Portfolio eines Friedrich Merz, eines Roland Koch oder eines Wolfgang Schäuble konturiert sich ein politisches Programm, das mit Fug und Recht den Titel reaktionär verdient. Der Hahn im Korb steht für Privatisierung total (BlackRock), der andere für das populistische Ressentiment (Unterschriftenkampagne „gegen Ausländer“) und der dritte für die Diktatur des Wirtschaftsliberalismus (Schwarze Null, Abschaffung des Bargeldes, Zerschlagung des Gemeinwesens). Da hat sich ein Konsortium gefunden, das genau das radikal zum Ziel hat, was die gesellschaftlichen Verwerfungen bereits verursacht.

Psychogramme

In der Politik wie in allen anderen Organisationen ist eine psychogrammatische Typologie anzutreffen, die sich aufteilen lässt in jene, deren Fokus immer die eigene Person ist und jene, die interessiert sind an der Wirkung, die sie erzielen können. Es wird typologisch unterschieden in Person und Funktion.

Diejenigen, die der Funktion zuzuordnen sind, orientieren sich radikal an den Zielen der Organisation und alle Aktivitäten, die von ihnen ausgehen und alle Allianzen, die sie eingehen, sind um der Wirkung willen initiiert. Diejenigen, die sich an der Person orientieren, legen wert auf die Symbole der Macht, auf Status und Privileg. Ihnen sind die Wirkungen relativ egal, Hauptsache, sie sind bestimmend im Geschehen.

Da die Genannten für ein bestimmtes Programm stehen, könnte die Missdeutung nahe liegen, man habe es mit Menschen der Kategorie Funktion zu tun. Es ist jedoch zu bedenken, dass das Programm, das sie vertreten, keinen Charme für Menschen mit einer zivilisatorisch und ethisch geprägten Vorstellung von gesellschaftlichem Zusammenleben besitzt.

Und so liegt es nahe, das Konsortium danach zu bewerten, dass sie zu den wenigen gehören, die sich für so etwas hergeben.

Mit einem Psychogramm der Kategorie „Person“ behaftet, lässt sich auch entschlüsseln, warum vor allem Exemplare wie Merz, Koch und Schäuble derartig traumatisiert aus politischen Machtkämpfen, in denen sie einmal unterlegen waren, herausgegangen sind und warum sie bis ans Ende ihrer Tage von einem Ressentiment geplagt werden, dass sie immer wieder dazu veranlasst, sich zu rächen für die Schmach, die sie selbst einmal erlitten haben. Eine gesellschaftlich relevante Alternative ist das nicht, Ranküne1Groll oder auch Hass. als Motiv.

Im Dutzend billiger

Über die Psychogramme lässt sich auch in anderen Lagern viel sagen. Zum Beispiel über das eines Sigmar Gabriels. Erst Atlantikbrücke, dann Autoindustrie. Aber auch er ist nur ein Indiz dafür, dass im System Politik einiges falsch gelaufen ist, weil die Psychogramme, die auf Status und Macht ausgerichtet sind, im Dutzend zu haben sind und diejenigen, die sich an der erfolgreichen Wirkung durch die Funktion orientieren, mit der Lupe gesucht werden müssen.

Jenseits der bitter-komischen Bilanz sei eine Prognose erlaubt: Es wird bald Neuwahlen geben und Frau Merkel bleibt Kanzlerin, mit einem grünen Koalitionspartner. Und die Jungs von der Putschpartei bleiben in der Hotellobby.


Foto: Pexels (Pixabay.com; Lizenz)

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Eine Antwort auf „Psychogramme“

Nein, Herr Mersmann, das sehe ich nicht so – Merkel bleibt nicht Kanzlerin, schon aus gesundheitlichen Gründen nicht. Sie war als Kanzlerin immer überfordert und bezahlt nun mit ihrer Gesundheit. Meiner Ansicht nach scheidet sie als nächste Kanzlerin aus.

Vielmehr sehe ich Merz, nach vorn geschoben von Schäuble mit seinem Hang zu Karl dem Großen, Merz als Verbindungsmann zu Blackrock, als nächsten Kanzler. Jedenfalls scheinen mir das die Vorstellungen der oberen Etagen für den Kanzlerposten nach Merkel zu sein, um “Deutschland wieder groß zu machen”.

Ich ahne, Schäuble und Merz werden den Putsch organisieren, sie bleiben nicht in der Hotellobby, es geht um sehr viel Geld. Ich würde das aber nicht auf ihre Psyche zurückführen, sondern darauf, dass sie anderen Finanzgruppen zur Macht verhelfen wollen. Es ist eine Machtfrage. Vergessen Sie nicht, dass es innerhalb der sogenannten Eliten immer Machtkämpfe gegeben hat, und jetzt ist das Duo Schäuble – Merz als Ausführende am Zuge. Da wird es sicher auch Auseinandersetzungen zwischen Schäuble und Merz geben – Schäuble mit seinen Großmachtphantasien à la Karl dem Großen und Merz, der “Moderne”, der ausersehen ist, ein “Weltfinanzreich” zu installieren. Sie werden sich schon zusammenraufen.

Wenn man die Hintergründe dessen kennt, wie Hitler an die Macht geschoben wurde, wird das kommende Scheißspiel nicht verwundern.
Und es ist immer dieselbe Klasse, die ihre dreckigen Pfoten im stinkenden Haufen hat.

Klar ist natürlich, dass es diesen “Eliten” nicht um das Wohl des deutschen Volkes geht, aber sie werden es ihm schon beibringen, wie es dann zu parieren hat und dass Schäuble-Merz jetzt die Finger am Abzug haben. Und das Volk wird parieren, ich kenne meine lieben Deutschen. Denn es wird alles “rechtsstaatlich” zugehen mit einer Prise Faschismus. Und das lieben “wir Deutschen” doch zutiefst.

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