#FreeAssange! Diese Forderung sollte in jeder Zeitung zu lesen, in jedem Rundfunksender zu hören und in jedem Fernsehsender zu sehen sein. Doch die meisten “Mainstream Medien” thematisieren Julian Assange nicht, und wenn doch, ist aus ihm in der Regel ein “Whistleblower” gemacht worden. Der Status eines Journalisten wird ihm abgesprochen.
Die vierte Gewalt
In Deutschland wüsste kaum jemand etwas über Julian Assange und seinen Weg in die Isolation, wenn da nicht die unabhängigen Medien wären. Doch es fehlt ihnen (noch) an Reichweite und Sichtbarkeit, um die Dominanz der etablierten Medien zu brechen.
Wir leben in einer Zeit des Widerspruchs und des Umbruchs. Immer deutlicher kristallisiert sich heraus, dass Politik und etablierte Medien in zunehmendem Maß nicht mehr den Aufgaben nachgehen, die ihnen zugeschrieben werde. Die Parteien vernachlässigen immer deutlicher Gesellschaft und Gemeinwohl und vertreten immer offener die Interessen von Wenigen – sie betreiben Klientelpolitik.
Die etablierten Medien, die Presse, also die oft zitierte „vierte Gewalt“ im Staat, hinterfragt und überwacht nicht mehr das Tun von Politik, sondern hat sich zu einem großen Teil selbst gewandelt zu einer Verteilungsmaschine von Nachrichten aus der Politik, dessen Inhalte kaum noch informieren. Zu beobachten ist ein Copy-and-paste-Journalismus, der nicht nur voneinander abschreibt, sondern sich aus identischen Nachrichtenpools speist, kaum kritisch hinterfragt und somit verhindert, dass die Mediennutzer sich eine Meinung bilden können, die auf umfassenden Informationen beruht. Die finden sich oft genug bei “alternativen Medien”.
Unterschiedliche Perspektiven
Das Wort “alternativ” kann irreführend sein. Ich verstehe unter „alternativen Medien“ unabhängige Medien, die nicht zu einer bestimmten Mediengruppe gehören und sich in den Händen von Verleger-Dynastien oder unter dem Einfluss von Stiftungen oder Parteien befinden. Sie finanzieren sich auch nicht über Werbung, sondern durch die freiwillige Unterstützung ihrer Leserinnen und Leser.
Deshalb unterliegen sie auch nicht den Zwängen des Business, in dem es um den schnellen Klick auf ein Werbebanner geht und wo Denkweisen beheimatet sind, das dieses Ziel eben Teil des Journalismus sei: Dies ist nicht der Fall.
“Alternativ” suggeriert außerdem, dass die unabhängigen Medien bereits einen ausreichenden Gegenpart zum Mainstream darstellen. Das ist meines Erachtens nicht der Fall, weil durch das Internet theoretisch zum Beispiel jedem die Möglichkeit geboten wird, sich journalistisch zu betätigen. Somit auch jene, die dem vorgegebenen Narrativ folgen. Die Karten werden also ständig neu gemischt.
Die Frage, warum ich die freien und unabhängigen Medien für so wichtig halte, möchte ich nur aus meiner persönlichen Sichtweise heraus begründen. Es resultiert aus dem Fakt, dass jeder Mensch eine eigene Wahrnehmung der Welt hat, die Unabhängigen diesem Gedanken folgen und nicht als „Hüter der Wahrheit“ auftreten. Wie sollten Medien dies auch können: Wir leben in einer Welt, die äußerst komplex und somit facettenreich ist.
Was die unabhängigen Medien insbesondere auszeichnet, ist, Dinge aus vielen Perspektiven zu beschreiben und andere Sichtweisen zuzulassen. Sie bemühen sich, unbeachtete Aspekte aufzugreifen und Hintergrundinformationen ans Licht zu bringen und verfolgen dabei den Anspruch, so objektiv und glaubwürdig wie irgend möglich zu sein. Der Mainstream lässt Details weg, die wichtig sein können zum Verständnis der Zusammenhänge und hinterlassen dabei den Eindruck, die “eine” Wahrheit zu vermitteln.
“Wir sind die Guten!”
Wie ich eingangs erwähnte, folgen die meisten etablierten Medien einem aus Politik aber auch Wirtschaft vorgegebenem Narrativ: Sie sind damit Teil eines Systems, von dem sie profitieren und das sie deshalb kaum bis gar nicht infrage stellen. Das hat meiner Ansicht nach den Effekt, dass es für den einzelnen Menschen in dieser “Bubble” nahezu unmöglich ist, sich einen größeren Überblick zu verschaffen. Der Medienkonsument wird quasi dazu verdonnert, in festgelegten Bahnen zu denken und zu urteilen. Mit Mündigkeit und Selbstständigkeit hat das in meinen Augen herzlich wenig zu tun.
„Wir sind die Guten!“ ist eine Redewendung, die im Politkabarett des deutschsprachigen Raumes schon fast inflationär benutzt wird. Sie ist aber ein Resultat der beschriebenen Berichterstattung, die seit Jahrzehnten und Tag für Tag, den Menschen einimpft, die vermittelte “Wahrheit” sei die einzig richtige.
Das Ergebnis ist die Verankerung einer uniformen Denkweise im Unterbewusstsein. Sie spiegelt in keiner Weise wider, wie die Welt in Wirklichkeit ist und die Verhältnisse, die in ihr herrschen. Das gilt für alle Lebensbereiche.
Was ist zu tun?
Das aus meiner Sicht größte Problem der unabhängige Medien ist, dass jeder für sich arbeitet und sein begrenztes Klientel bedient. Sie erreichen so nicht die breite Masse. Auf diese Weise fristen sie ein Nischendasein. Und auch wenn viele unabhängige Medien zweifellos sehr anspruchsvoll sind, verbleiben sie in letzter Konsequenz eben in einer Nische. Diese gilt es zu verlassen.
Dafür werden mehrere Dinge dringend benötigt: die Unterstützung ihrer Leser, Zuhörer und Zuschauer und besonders die Einsicht und den Willen zur Kooperation und das Hintanstellen persönlicher und politischer Befindlichkeiten.
Nicht etwa um eine Gleichschaltung zu erreichen. Nein, sondern um eine Nachricht, ein Geschehnis wirkungsvoller als bisher zu verbreiten, es breit zu thematisieren, es in aller Munde zu bringen und somit Druck zu erzeugen, damit ein bedeutsames Thema zum Thema wird, auch wenn es dem Mainstream nicht gefällt.
Ein Druck, den beispielsweise Julian Assange bitter nötig hat, soll er nicht in einer Menschen unwürdigen Isolationshaft der “Guten” weiter dahinsiechen und möglicherweise auch darin zu sterben. Was den Mainstream nicht interessiert, die unabhängigen Medien schon.
Daher: Volle Solidarität mit Julian Assange und den freien und unabhängigen Medien!
Illustration und Grafik: Neue Debatte
Seit 1967 lebt der im spanischen Granada geborene Bernardo Jairo Gomez Garcia in Deutschland. Sein Vater stammt aus Kolumbien, seine Mutter aus Spanien. Schon vor seinen Ausbildungen zum Trockenbaumonteur und Kfz-Lackierer entdeckte Gomez seine Leidenschaft für die Kunst. Er studierte an einer privaten Kunsthochschule Airbrushdesign und wechselte aus der Fabrikhalle ans Lehrerpult. Rund 14 Jahre war Gomez als Spanischlehrer in der Erwachsenenbildung tätig. Seine Interessen gelten der Politik, Geschichte, Literatur und Malerei. Für Neue Debatte schreibt Jairo Gomez über die politischen Entwicklungen in Spanien und Lateinamerika und wirft einen kritischen Blick auf die gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland und Europa.