Wie schrieb Friedrich Engels noch in seinem Buch über den Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates? Der Ursprung allen Daseins ist die Bewegung!
Widerstände
Ja, aus heutiger Sicht ist einiges von dem, was er da annahm, zu revidieren. Seine der Arbeit zugrunde liegende Logik jedoch nicht. Und die Frage, ob etwas existiert, das sich nicht bewegt, die ist jenseits elitärer Scholastik immer aktuell. Die Annahme, dass sich alles, was sich nicht bewegt, als nicht existent erweist, ist allzu berechtigt. In Beug auf das politische Spektrum erweist sich das als nicht gerade beruhigend oder angenehm.
Denn, blickt man hinaus in die Welt, dann hat es in vielen Ländern bereits sehr manifeste Bewegungen gegeben, die zeigen, dass die letzten Zuckungen des Wirtschaftsliberalismus auf sehr existente, knallharte Widerstandsbewegungen stoßen.
Diese Widerstände haben sehr unterschiedlichen Charakter. Mal sind sie wirtschaftlicher Natur und sind gewerkschaftlich organisiert, mal sind sie direkt politisch und umfassen breit gefächerte Aktionsbündnisse. Und andere sind ökologisch und sie bestehen aus den Opfern direkter Umweltzerstörung und weitsichtigen Teilen der Mittelschicht. Alle stehen auf, alle setzen sich der Repression aus und alle sind bereit, weiter zu gehen.
Die Diktion des Scheins
Das ist das Ermutigende und deutet auf Zeiten hin, die auch politisch gewaltige Veränderungen werden mit sich bringen können. Und es werden Zeiten der Erneuerung sein, denn das Konzept der exklusiven Bereicherung von Kapitalschimären hat sich erschöpft.
Das von ihnen und für sie inszenierte Stück einer noch suggerierten Demokratie wird auch nicht mehr von den angeheuerten Bürokraten durchgespielt werden können. Übrigens macht es wenig Sinn, diese eines Besseren belehren zu wollen. Sie verdanken ihre Existenz der Diktion des schönen Scheins – etwas anderes kennen sie nicht und etwas anderes können sie nicht.
Was hier als eine Tendenz beschrieben ist, greift bis dato überall, nur nicht in Deutschland. Dort herrscht noch eine gewisse Diffusion, was die Möglichkeit einer politischen Bewegung anbetrifft, die tatsächlich existent ist. Gründe für eine mächtige, breit gefächerte Bewegung gibt es genug: die Plünderung des Sozialsysteme, eine grausam zynische Steuerpolitik, die geduldete Massenflucht aus Tarifstandards, unterlassene Investitionen in Bildung und Infrastruktur, eine zynische Politik des Ökomüll-Exports, eine Unterstützung der aggressiven und unberechenbaren NATO-Politik, Waffenexporte in neuen Superlativen, das Tanzen nach dem Takt der Großkonzerne.
Befreiung oder Faschismus
Sind es in anderen Ländern, in denen sich bereits mächtiger Widerstand artikuliert hat, einzelne Anlässe und Ereignisse, auf die sich eine entstehende Bewegung über einen längeren Zeitraum fokussieren kann, so ist es hier erforderlich, die gesamte Komplexität einer ausgereiften und ebenfalls hier designten Politik zu charakterisieren und auf breiter Front anzugreifen.
Analog ist es in Frankreich, daher ist es auch erforderlich, dorthin genau zu schauen.
Was mit Spritpreisen begann, erstreckt sich mittlerweile auf ein breit angelegtes Portfolio, das als Gegenwehr gegen das Programm des Wirtschaftsliberalismus angesehen werden kann. Macron, der in den hiesigen Medien als Hoffnungsträger gepriesen wurde, ist die letzte Station entweder vor der Befreiung oder dem zeitgenössischen Faschismus. Was deutlich macht, dass wir uns nicht über Petitessen unterhalten.
We won’t get fooled again!
Das, was derzeit hierzulande als Zukunftsprojekt angepriesen wird, die Fridays-for-Future-Bewegung, erweist sich bis jetzt als eine auf ein einziges Thema und nur in bestimmten Sequenzen tatsächlich existente Bewegung. Die Verknüpfung der Themen hat dort noch nicht stattgefunden.
Die mediale Vermarktung, die sofort mit voller Wucht begonnen hat, verdankt die Bewegung ihrer strategisch angelegten Wirkungslosigkeit, wenn sie sich weiterhin auf einen Punkt beschränkt und zudem behandelt, als sei Ökologie etwas, das exklusiv als individuelle Entscheidung verhandelt wird.
Der sich hinter schlechten Anglizismen verbergende Nebel führt nicht dorthin, wohin der Weg führen muss. We won’t get fooled again!
Illustration: Neue Debatte
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
Eine Antwort auf „We won’t get fooled again!“
Ich glaube, ich muss eine Aussage korrigieren. Engels (und Marx) haben nicht geschrieben, dass der Ursprung allen Daseins die Bewegung ist, sondern sie haben geschrieben, dass das Dasein der Materie die Bewegung ist, alles befindet sich in der Entwicklung, in der Veränderung. Ich halte das für einen wichtigen Unterschied.
Aber der Beitrag hat natürlich recht, es gärt überall. Es kommt zu unorganisierten sozialen Revolten, von denen abzusehen ist, dass sie zu wenig positivem Erfolg führen werden. Ohne Vorhandensein eines organisierenden Zentrums ist jeder Aufstand zur Niederlage verurteilt. Die Herrschenden führen einen Klassenkampf gegen die Beherrschten, und sie sind im Moment auf der Siegerspur, hervorgerufen durch die Niederlage des Sozialismus. Ich bin kein Freund von “neuen Ideen”, denn es gibt nur die Alternative von Kapitalismus oder Sozialismus, darüber muss sich jede Bewegung klar sein.
Wobei, wie zu Recht festgestellt wird, dass es bei den Fridays for Future-Demos nur das Thema Klimawandel gibt, alle sozialen Themen spielen keine Rolle, und deshalb wurde die bürgerliche FFF-Bewegung bereits jetzt durch die Herrschenden unschädlich gemacht, indem sie das Klimathema zu ihrem eigenen gemacht haben. Also von dieser Bewegung ist weder in Hinsicht auf Klima noch auf Soziales etwas zu erwarten, schon gar nicht ein Zusammengehen mit der (nichtvorhandenen) Friedensbewegung angesichts der Kriegsvorbereitungen der NATO gegen Russland. Sie hat natürlich den Anstoß für das wichtige Klimathema gegeben, aber damit hat sie sich auch erschöpft. Insofern, um noch einmal auf Engels zurückzukommen,
ist die Materie (die FFF-Bewegung) zum Stillstand gekommen, also nicht mehr in Bewegung, und das ist ihr absehbares Ende. Und die Herrschenden kennen sich auch in der materialistischen Dialektik aus und warten einfach nur ab. .