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Philosophie

Wo Freiheit beginnt: Echte Werte und ein Ende der Konkurrenz

“Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört …”

Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört (…)aus: Das Kapital (Karl Marx)

Je nach Charakter der Gesellschaftsverhältnisse unter denen Politik stattfindet, geschieht dies überwiegend kontrovers oder konstruktiv, herrscht mehr oder weniger Toleranz, wird Macht und Gewalt tendenziell im mehrheitlichen Konsens oder in diktatorischer Einseitigkeit ausgeübt.

Der Staat

Gleichgültig, ob durch eine Person oder eine Gruppe, durch Organisationen, Parteien, Klassen, Parlamente oder Regierungen gestaltet, immer ist Politik Interessenvertretung und somit kämpferische Auseinandersetzung.

Es werden Fragen und Probleme der Wirtschaft, nationaler und internationaler Normen des Zusammenwirkens, des Gesundheitswesens, der Bildung, der Verteidigung, der Rechte und Pflichten und vieles mehr, kurz um aller Vorgänge des Alltagsgeschehens diskutiert. Und es werden Maßnahmen beschlossen, die diese Probleme lösen sollen.

Friedrich Engels schreibt:

„Der Staat ist keineswegs eine der Gesellschaft von außen aufgezwungene Macht; ebenso wenig ist er die Wirklichkeit der sittlichen Idee, das Bild und die Wirklichkeit der Vernunft, wie Hegel behauptet. Er ist vielmehr ein Produkt der Gesellschaft auf bestimmter Entwicklungsstufe; er ist das Eingeständnis, dass diese Gesellschaft sich in einen unlösbaren Widerspruch mit sich selbst verwickelt, sich in unversöhnliche Gegensätze gespalten hat, die zu bannen sie ohnmächtig ist.

Damit aber diese Gegensätze, Klassen mit widerstreitenden ökonomischen Interessen, nicht sich und die Gesellschaft in fruchtlosem Kampf verzehren, ist eine scheinbar über der Gesellschaft stehende Macht nötig geworden, die den Konflikt dämpfen, innerhalb der Schranken der Ordnung halten soll; und diese, aus der Gesellschaft hervorgegangene, aber sich über sie stellende, sich ihr mehr und mehr entfremdende Macht ist der Staat. (…)

Da der Staat entstanden ist aus dem Bedürfnis, Klassengegensätze im Zaum zu halten, da er aber gleichzeitig mitten im Konflikt dieser Klassen entstanden ist, so ist er in der Regel Staat der mächtigsten, ökonomisch herrschenden Klasse, die vermittelst seiner auch politisch herrschende Klasse wird und so neue Mittel erwirbt zur Niederhaltung und Ausbeutung der unterdrückten Klasse.

So war der antike Staat vor allem Staat der Sklavenbesitzer zur Niederhaltung der Sklaven, wie der Feudalstaat Organ des Adels zur Niederhaltung der leibeignen und hörigen Bauern und der moderne Repräsentativstaat Werkzeug der Ausbeutung der Lohnarbeit durch das Kapital.”

(aus: Friedrich Engels; Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, in: Marx/Engels Ausgewählte Werke in sechs Bänden, Dietz Verlag Berlin, 1988, Bd. VI, S. 188/190 bzw. MEW, Bd. 21, S. 165-167)

Widerspruch von Gemeinschaft und Konkurrenz

Politik ist die Art und Weise, wie ein Gemeinwesen geführt und gestaltet wird – Vernunft zwischen Zufall und Notwendigkeit

Das Problem der Menschen beim Suchen nach zu verantwortenden und gerechtfertigten Wegen in eine bessere Zukunft liegt darin, dass sie zu ständigem Tun und zu ständig veränderndem Wirken existenziell gezwungen sind, aber oft lediglich spontan agierend und dabei vermutend, in wachsendem Maße allerdings auch zielorientiert gestaltend und dennoch nur näherungsweise wissend sind, ob ihr Handeln der gewollten Richtung entspricht.

„Das Gewebe dieser Welt ist aus Zufall und Notwendigkeit gebildet“, stellt Johann Wolfgang von Goethe fest. Und es sei eine von uns Menschen „zu erlernende Kunst“, uns mit Vernunft zwischen beide zu stellen, um sowohl den Zufall, als auch die Notwendigkeit beherrschen zu können. Denn unsere Vernunft wisse, dass das Notwendige der Grund unseres Daseins ist, und dass man mit Vernunft das Zufällige lenken und leiten kann.”

(aus: Weisheiten deutscher Klassiker; Bertelsmann Verlag: Orbis Edition 1999)

Unsere biotischen, also ererbten Anlagen befähigen uns in sozialer Gemeinschaft unser Leben zufriedenstellend gestalten zu können. Doch die Lebensumstände in der modernen Klassengesellschaft, konkret der Zwang zur Erwerbsarbeit, stimulieren den Selbsterhaltungstrieb und dadurch das Konkurrenzverhalten zwischen den Individuen.

Besonders in den gegenwärtig hoch entwickelten Staaten, in denen durch Automatisierung und Digitalisierung die auskömmliche Erwerbsarbeit schmilzt, die Erwerbslosigkeit konstant hoch ist und die Unterbeschäftigung ansteigt, zeigt sich ein erbarmungsloser Wettlauf der Menschen mit anderen und sich selbst.

Einerseits erweitern die Subjekte im Konkurrenzkampf ihr Wissen und Können vorwiegend im Erschließen technologischer Möglichkeiten, wodurch sie aber andererseits lebensnotwendige soziale Beziehungen zerstören, moralische Bewertungen ihres Wirkens unterlassen und psychische Befindlichkeiten nicht berücksichtigen.

Konkurrenz als Kampf ist somit der objektive Widerspruch zum Gedanken konstruktiven gemeinschaftlichen Handelns, also weder dem Subjekt noch dem sozialen Gebilde dienlich.

Es kommt somit zwingend zu latenten Spannungen und manifesten Konflikten zwischen den Subjekten, die es zu lösen gilt. Bleiben sie ungelöst, zerfällt die Gesellschaft. Sie spaltet sich in Gruppen auf, die sich mehr und mehr isolieren und voneinander sozial wie gedanklich entfernen, selbst durch interne Widersprüche weiter segmentiert werden und in ihre kleinsten Bestandteile zerfallen, was erst mit zeitlichem Abstand für den Beobachter erkennbar wird.

Dieser unmerkliche Verschleiß äußert sich im Sozialen und im Politischen durch eine Verhärtung aller Positionen und dem spürbaren Vertrauensverlust in die bestehenden demokratischen Strukturen und Institutionen.

Die Gestaltung des Zusammenlebens

In welche Richtung müssten sich die demokratischen Verhältnisse entwickeln auf dem Weg der Menschheit in eine sozial gerechte Weltgesellschaft?

Unser menschliches Miteinander fordert den Ausbau der repräsentativen Demokratie hin zu reiner Demokratie, der Herrschaft aller Menschen über die von ihnen abgebildete Gesellschaft, ausgedrückt als gemeinsames Agieren, um die schöpferischen Potenzen aller Subjekte nutzen, Engagement fördern, Gefahren erkennen und Risiken minimieren zu können: An die Stelle von Repräsentanz rückt Verantwortung.

Es gilt, die für demokratische Entscheidungsfindungen notwendigen Kompetenzen und Interessen zusammenzuführen,um möglichst viele – oder besser alle – zu motivieren, sich an der Gestaltung des Zusammenlebens zu beteiligen.

Echte Demokratie

Hierfür ist es notwendig auf vier Ebenen und in entsprechenden demokratischen Gremien, versehen mit jeweils geeigneten Methoden der Meinungs- und Entscheidungsfindung, den Diskurs zu gesellschaftspolitischen Aufgaben zu führen:

  • Die Ebene der Grundwerte

Hier sind alle Inhalte von Weltanschauung und Ethik zu behandeln. Die Formen der Entscheidungsfindung sind festzulegen und reichen von lokalen und regionalen Volksentscheiden bis hin zu einer umfassenden Volksabstimmung wie sie zum Beispiel zur Verabschiedung einer Verfassung nötig ist und im Grundgesetz in Artikel 146 beschrieben wurde. Außerdem ist über alle Grundrechte abzustimmen. Beispielhaft stehen das Recht auf Arbeit oder das Recht auf ein sozial gerechtes Grundeinkommen oder der Einsatz der Streitkräfte oder die Demilitarisierung.

  • Die Ebene der kulturvollen Lebensweise

Die Lösung der gesellschaftlich gestellten Aufgaben der Pädagogik, Wissenschaft, Publizistik und Kunst sind im Rahmen von öffentlichen Debatten und vielem mehr zu stimulieren, durch die Bereitstellung von Studien und Fachinformationen inhaltlich zu beleben und durch aktive und verbindliche Teilnahme bei den Entscheidungsfindungen zu finalisieren.

  • Die Ebene der politischen Lenkung und Leitung

Verwaltung, Exekutive, Legislative und Judikative sind zu organisieren, zu gestalten und zu kontrollieren durch die Öffentlichkeit, zum Beispiel durch Transparenz auf den Wegen zur jeweiligen Entscheidungsfindung und bei der Festlegen von Ausführungsbestimmungen. Beauftragte Entscheidungsfinder haben ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit vorzustellen, damit diese vor der letzten Entscheidung Änderungen vornehmen oder die Ergebnisse als ungeeignet verwerfen kann.

  • Die Ebene der Erwirtschaftung der materiellen Grundlagen

Konsum, Produktion, Handel und Geldsystem sind zu überwachen, dies durch beispielsweise gemeinsame Entscheidungen über die Wirtschaftskreisläufe durch Gewerkschaften, Umweltschützer, Wirtschaftsverbände, Bürgerinitiativen und vielen anderen mehr.

Grundlegendes

Um ein friedliches und für alle ertragreiches Miteinander gestalten zu können, sollten grundlegend vier Abkommen beschlossen werden, die im Sinne übergeordneter Werte für alle Menschen auf unserem Planeten Gültigkeit besitzen:

  • Einen Grundbedürfnis-Vertrag für die Versorgung aller Menschen mit Nahrung, Wasser, Bekleidung und Wohnung,
  • einen Kultur-Vertrag der Toleranz mit Regeln des Dialogs zwischen den verschiedenen Kulturen und Religionen,
  • einen Demokratie-Vertrag mit Elementen globaler Steuerung gegen den Druck des Wettbewerbs und des bloßen technologischen und Kostendenkens sowie
  • einen Erd-Vertrag mit den Prinzipien für verantwortungsvollen Umgang mit der Natur.

Freiheit und Gesellschaft

Seine biotischen, psychischen und sozialen Wesenseigenschaften befähigen den Menschen zur Kreativität.

Die Möglichkeit, kreativ sein zu können, unterscheidet den Menschen von allen anderen Erscheinungsformen der Wirklichkeit. Menschen müssen, um existieren zu können, spielen, lernen, arbeiten, denken, sprechen und bewusst wirken. Unsere Bestimmung, auf die uns unser Lebenswille orientiert, ist es also, bewusst Vervollkommnung und Schönheit zu erstreben und die sich zufallsnotwendig ereignende, natürliche Wirklichkeit in unserer vernünftig gestalteten, kulturellen Wirklichkeit aufzuheben – und das Sein in seiner Ganzheit zu bewahren.

Daraus ergibt sich, dass Menschen sich und allen anderen all die Menschenrechte zugestehen müssen, durch deren Inanspruchnahme sie immer besser zu kreativem Wirken befähigt werden, um so ihre wesenseigenen Bedürfnisse befriedigen, also die Menschenpflicht, die sich alleine aus ihrem Dasein als Teil des Ganzen ergibt, erfüllen zu können.

Kultur, Kunst, Wissenschaft, Technik, Wirtschaft, Landwirtschaft, Politik – die Gesamtheit unserer Bewegungs- und Betätigungsfelder sind unendliche Spielräume menschlicher Kreativität.

Um die Existenzformen und die Bewegungsgesetze der Wirklichkeit begreifen, die existenznotwendigen Bedürfnisse sowohl der eigenen als auch der uns umgebenden und durchdringenden Wirklichkeit befriedigen, aus dem unendlichen Potenzial allumfassender Wahrheit schöpfen und das in unserem Bewusstsein reflektierte, sich raumzeitlich bewegende Sein bewahren zu können, haben Menschen sowohl das Recht als auch die Pflicht, kreativ zu sein.

Da es in der Politik immer um die Durchsetzung von Interessen oder deren Ausgleich geht, muss es, um wahrhaftiger Gerechtigkeit möglichst nahe zu kommen, in jedem Fall darum gehen, dass durch endgültige Entscheidungen jeweils ein von allen Beteiligten anerkannter und allgemein gültiger Nutzen stimuliert werden kann.

Freiheit wird von Karl Marx als eine Beziehung des Einzelnen zur Gesellschaft gedacht:

“Erst in der Gemeinschaft mit Andern hat jedes Individuum die Mittel, seine Anlagen nach allen Seiten hin auszubilden. Erst der Bezug auf den Anderen ermöglicht die eigene Selbstentfaltung. Diese Selbstentfaltung zum ‘totalen’, dass heißt vollgesellschaftlichen Individuum ist das wesentliche Moment der Freiheit.”

(Marx/Engels: Die deutsche Ideologie. 1846; in: MEW Bd. 3, S. 74)

Die Bedürfnisse und die Individualität des Subjekts sind somit untrennbar verbunden mit den Bedürfnissen und der Individualität anderer Subjekte; alle auf der Suche nach Freiheit.


Quellen und Anmerkungen

Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Auf http://www.mlwerke.de/me/default.htm (abgerufen am 3.1.2020).


Unabhängige Medien zur Verbreitung von Fakten. (Illustration: Neue Debatte)


Illustration: Neue Debatte

Lehrer, Philosoph und Autor

Frank Nöthlich (Jahrgang 1951) wurde in Neustadt/Orla (Thüringen) geboren. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und sechs Enkelkinder. Er studierte Biologie, Chemie, Pädagogik, Psychologie und Philosophie von 1970 bis 1974 in Mühlhausen. Nach dem Studium war er an verschiedenen Bildungseinrichtungen als Lehrer tätig. Von 1985 bis 1990 war er Sekretär der URANIA-Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse. Später arbeitete er als Pharmaberater und ist heute Rentner und Buchautor (www.briefe-zum-mensch-sein.de). Er sagt von sich selbst, dass er als Suchender 1991 in der Weltbruderkette der Freimaurer einen Hort gemeinsamen Suchens nach Menschenliebe und brüderlicher Harmonie gefunden hat.

Von Frank Nöthlich

Frank Nöthlich (Jahrgang 1951) wurde in Neustadt/Orla (Thüringen) geboren. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und sechs Enkelkinder. Er studierte Biologie, Chemie, Pädagogik, Psychologie und Philosophie von 1970 bis 1974 in Mühlhausen. Nach dem Studium war er an verschiedenen Bildungseinrichtungen als Lehrer tätig. Von 1985 bis 1990 war er Sekretär der URANIA-Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse. Später arbeitete er als Pharmaberater und ist heute Rentner und Buchautor (www.briefe-zum-mensch-sein.de). Er sagt von sich selbst, dass er als Suchender 1991 in der Weltbruderkette der Freimaurer einen Hort gemeinsamen Suchens nach Menschenliebe und brüderlicher Harmonie gefunden hat.

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