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Think Tanks – Wie die Seuchen im Dreißigjährigen Krieg

Der Diskurs, der zur öffentlichen Meinungsbildung führt, ist von den Ideologieschmieden jenseits des Atlantiks durchdrungen wie von einem Bazillus.

Sie haben sich verbreitet wie die Seuchen im Dreißigjährigen Krieg. Diese waren es, die die verheerende Wirkung hervorbrachten, die mit diesem jahrzehntelangen Ereignis in die Geschichte eingegangen sind. Im Verhältnis zu den Seuchen waren die menschlichen Verluste aus militärischen Konflikten sehr gering. Das ist den meisten nicht bewusst, sollte bei Kenntnisnahme jedoch zum Nachdenken anregen.

Die Pest der Gegenwart

Die Seuche, die sich bereits in die existierenden und zeitgenössisch drohenden militärischen Auseinandersetzungen eingeschlichen hat, ist als solche kaum identifiziert. Was sie nicht davon abbringen wird, ähnliche Verheerungen anzurichten, wenn ihrer nicht Einhalt geboten wird. Es handelt sich um den Befall des unabhängigen Denkapparates.

Der Befall, um den es hier in einigen Kulturen im bereits besorgniserregenden Ausmaß geht, wurde andernorts geplant und dient einem strategischen Ziel. Ist erst einmal das kritische Denkvermögen und der Impuls zur eigenen Recherche aus den Denkstuben verbannt, kann aller mögliche Unsinn verbreitet werden, um die eigenen Handlungen, die von den Interessen derer, die da infiltriert werden, erheblich abweichen, als deren eigene zu verkaufen.

Und alles, was unter dem blasphemischen wie irreführenden Namen der Fake News als Bazillus in die Kulturen der sich erodierenden Staaten eingepflanzt wurde, breitet sich in raschem Tempo aus. Das beobachtete Phänomen gleicht einer Seuche. Es ist die Pest der Gegenwart.

Die Etablierung von Think Tanks

Nicht, dass es nicht sinnvoll wäre, Organisationen zu fördern, die sich mit bestimmten Fragestellungen und Themen beschäftigten. Das gab es schon immer – Kreise, die sich besonders für bestimmte Aspekte von Politik und den Beziehungen, die zur Realisierung dieser führten, interessierten. Was bei der gegenwärtigen Ausdehnung dieser Kreise erstaunt, ist die Tatsache, dass sie zumeist in den USA gegründet und auch von dort finanziert wurden und werden.

Da werden oft als Financiers große Mäzene genannt oder Stiftungen angeführt, die von alten Hasen der Politik gegründet wurden. Was allen – Mäzenen wie Politprofis – gemein ist, ist die Tatsache, dass sie für eine expansive imperiale Politik der USA stehen.

Die hiesigen Institutionen der öffentlichen Meinungsbildung sind unterwandert. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten sind flächendeckend infiziert.
Letztere hat sich in den Dekaden seit Ende des Kalten Krieges von dem Zwang befreit, für das Gute, Demokratische stehen zu müssen, um sich in Konfrontation mit der Sowjetunion hier und den Blockfreien dort mit der Aura einer neuen, friedlichen, freien Welt umgeben zu können. Das gelang partiell, wurde aber immer überflüssiger und spielt heute unter der existierenden Präsidentschaft keine Rolle mehr – America first.

Und obwohl viele der Organisationen, die sich die Metapher einer Fabrik gegeben haben, was ihren Charakter sehr gut beschreibt, da dort serienmäßig an Meinungsbildung gearbeitet wird, nicht unbedingt mit der konkreten Politik des gegenwärtigen Präsidenten übereinstimmen, mit dem strategischen Ziel der imperialen Dominanz der Vereinigten Staaten von Amerika identifizieren sie sich in Gänze.

Der Coup, der den Strategen jenseits des Atlantiks mit der massenhaften Etablierung von Think Tanks und Denkfabriken gelungen ist, hat zu der anfangs erwähnten seuchenmäßigen Verbreitung von Ideologieversätzen unterschiedlicher Nuancierung geführt, die von überall auf die unabhängigen Denkapparate der hier lebenden Menschen abgefeuert werden.

Durchdrungen durch Think Tanks

Die Agenten dieser Institutionen haben bereits die hiesigen Institutionen der öffentlichen Meinungsbildung unterwandert. Vor allem die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten sind flächendeckend infiziert. Keine Nachrichtensendung ohne die Bezugnahme auf eine dieser Fabriken und ihre dort produzierte Ware, kein Expertengespräch ohne die unmaßgebliche Meinung einer solchen nicht an exponierter Stellung einzuholen.

Der Diskurs, der zur öffentlichen Meinungsbildung führt, ist längst von den Ideologieschmieden jenseits des Atlantiks durchdrungen. Das Vorgehen, das sich empfiehlt, kann gar nicht anders sein als das der medizinischen Expertise bei akutem Befall durch schädliche Viren: Lokalisierung der Keimträger, großzügige Entfernung derselben und Entwicklung eines Heilplans, der sich vor allem auf die Autoimmunkräfte konzentriert.


Unabhängige Medien zur Verbreitung von Fakten. (Illustration: Neue Debatte)


Illustration: Neue Debatte

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

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