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Freiheit – “Man ist entweder frei, oder man ist es nicht.”

Das Wort Freiheit sorgte schon immer für Verwirrung, weil es radikal verschiedene Auffassungen über die Bedeutung von Freiheit gibt.

Wir sind für die Freiheit, wie es viele, wenn nicht praktisch alle sind. Aber dann, wenn unsere Gesellschaft doch behauptet, auf dem Prinzip der Freiheit zu basieren, wieso befinden wir uns in Konflikt mit ihr und werden wir es immer sein?

Dieser Konflikt, der übrigens schon seit immer und in unterschiedlichen Formen existierte, geht aus einer radikal verschiedenen Auffassung der Bedeutung von Freiheit hervor; ein Wort, das schon immer für Verwirrung gesorgt hat, da es im Verlauf der Geschichte und je nach sozialem Kontext und je nach den Personen, die es gebrauchten, unterschiedliche Bedeutungen annahm.

Wenn wir einen Blick auf die Vergangenheit werfen, können wir sehen, wie die Freiheit in der Antike, in den griechischen und römischen Gesellschaften, für einen Teil der Bevölkerung dem Konzept des Bürgers (der Polis oder der Republik) entsprach.

Ein Mensch, der als frei betrachtet wurde, war ein Mensch, der sich am politischen Leben der Gesellschaft beteiligte; indem er beispielsweise in der griechischen Polis, welche die Inspirationsquelle unserer modernen Demokratie ist, an den Versammlungen teilnahm, die nach einem System von direkter Demokratie funktionierten, um über das Schicksal seiner Stadt zu entscheiden. Der freie Mensch brauchte daher, um existieren zu können, sein Gegenteil: den Sklaven, ein Individuum, das, da es nicht als ein menschliches Wesen betrachtet wurde, nicht über sein eigenes Leben entscheiden konnte, und das die Bürger durch seine Arbeit von der notwendigen Zeit befreite, um „Politik zu machen“.

Für einen anderen Teil der Gesellschaft, jenen der Sklaven, nahm die Freiheit hingegen eine andere Bedeutung an.

Diese bestand nicht darin, Bürger zu werden, sondern bestand in der Negierung der eigenen Bedingung als Sklave, eine Negierung, die auch die Negierung der Bedingung des Bürgers implizierte; sie bestand darin, die Fähigkeit wiederzuerlangen, über das eigene Leben entscheiden zu können.

Diese beiden einander entgegenstehenden Auffassungen von Freiheit liegen den Sklavenaufständen zugrunde, die besonders die römische Epoche gekennzeichnet haben, in der für die Sklaven der einzige Weg, ihre eigene Bedingung zu negieren, in der Flucht oder in der offenen Rebellion gegen die Gesellschaft bestand, indem sie die Waffen aufnahmen.

Heutzutage, auch wenn sich sicherlich vieles verändert hat, stehen wir vor demselben Dilemma: auf der einen Seite wird die Bedeutung von Freiheit innerhalb unserer Gesellschaft definiert als begrenzte Möglichkeiten, die von der Gesellschaft selbst durch allgemeine Gesetze oder eine gemeinsame Moral garantiert werden. Möglichkeiten, die, wie man leicht erkennen kann, von unserer Stellung innerhalb der Gesellschaft (wirtschaftliche Lage, „Prestige“,…) abhängen, und die sich folglich sowohl mit der Verfügbarkeit von Geld, wie mit unserem sozialen Status vermehren: wer reicher ist, hat mehr mögliche (materielle, kulturelle und vergnügungsbezogene) Auswahl vor sich, als derjenige, der nichts besitzt, und zum Überleben und zur Abwesenheit einer wirklichen Wahl verurteilt wird.

Wer sein Elend nicht akzeptiert und sich gegen diesen Zustand auflehnt, wird isoliert und weggesperrt. Die „Freiheit“ einiger bedeutet also die Abwesenheit von Freiheit und die Ausbeutung der anderen.

Auf der anderen Seite hingegen haben wir die Freiheit, von der wir Anarchisten sprechen, die etwas ganz anderes ist. Es handelt sich nicht um eine Vergrößerung der möglichen Auswahl, sondern im Gegenteil, um den Ausdruck aller Möglichkeiten, verschiedener Möglichkeiten, die sich durch die anderen Menschen eröffnen können. Es handelt sich also um ein absolutes, und nicht um ein quantifizierbares Konzept, um eine Totalität1Mit dem Begriff Totalität wird in der Philosophie die Allheit des Vielen in Einem zusammengefasst., oder in einfachen Worten: man ist entweder frei, oder man ist es nicht.

Man kann nicht mehr oder weniger frei sein, ebenso, wie eine längere Kette für einen Sklaven nicht bedeuten kann, weniger Sklave zu sein. Unsere Freiheit ist also etwas, das nicht innerhalb von verallgemeinerbaren Gesetzen und Regeln eingegrenzt werden kann, sondern etwas, das aus der freien Übereinkunft zwischen Individuen entsteht.

Wie leicht zu erkennen ist, kann eine solche Freiheit nicht existieren, ohne die Welt, in der wir täglich leben, infrage zu stellen und mit ihr zusammenzuprallen. Dies ist eine Feststellung, die schon vor mehr als 2000 Jahren Spartakus und seine Abenteuergefährten machten, als sie sich gegen die römische Republik auflehnten. Eine Lektion der Vergangenheit, die uns vielleicht auch heute noch etwas lernen kann…

Ein Abenteurgefährte von Spartakus


Redaktioneller Hinweis: Der Beitrag “Freiheit” erschien in “Aufruhr – Anarchistisches Blatt” (Zürich, Nummer 1, Jahr 1). Er wurde von der Anarchistischen Bibliothek archiviert und von Neue Debatte übernommen, um eine kritische Diskussion über den Freiheitsbegriff zu ermöglichen. Einzelne Abschnitte wurden zur besseren Lesbarkeit im Netz hervorgehoben.


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2 Antworten auf „Freiheit – “Man ist entweder frei, oder man ist es nicht.”“

Freiheit ist nur dann erfassbar, wenn man sie relativ zu einer bestehenden Ordnung sieht.
Insofern ist es egal ob man Sklave ist oder nicht, den jedes System kann dieser Analyse unterzogen werden.
Was nicht egal ist, ist die Ordnung von der man sich befreien will. Dh wir alle haben in unserem Kampf für mehr Freiheit, mit verschiedenen negativen Ordnungen zu kämpfen.

Die Art der Ordnung gilt es also zu kritisieren und zu schaffen.
Eine “absolute nicht quantifizierbare” Freiheitsidee ist eher vergleichbar mit dem Nirvana, denn es würde eine Abwesenheit jeglicher Ordnung schaffen, einen zustand also, in dem man sich von jeglicher Ordnung befreien kann.
Dieser zustand ist eher unwahrscheinlich. Selbst in träumen kann, man sich nicht von allen kausalen zwängen befreien.
Es ist also sehr wohl ein Grad an Freiheit den man schaffen kann, denn es ist letzten Endes die Fähigkeit, verschiedene Ordnungen anzunehmen und jeder Zeit wechseln zu können!
Ob man dies aus eigenem willen tut oder nicht, ist noch einmal eine andere frage. Eine frage des kausalen Zwangs, dem jede Existenz unterworfen ist. Freiheit selbst ist determiniert und kann nur sporadisch auftreten, nämlich wenn wir von der einen Ordnung zur anderen wechseln.
Ohne eine Grundordnung von Stoffwechsel und Bewusstsein, der unseren Bewegungen bestimmte Fähigkeiten und Kontrolle verleiht, wäre dieser Freiheitsprozess gar nicht möglich!!!!

Es gibt also einerseits eine Notwendigkeit von Ordnung (Unfreiheit) und andererseits ne Begrenzung der Möglichkeiten (Min und Maximum der Freiheit) und diese sind auch quantifizierbar und es ist auch gut das sie das sind, sonst hätten wir nämlich ein Problem mit der Kritik an den verschiedenen Ordnungen sowie mit den Prognosen.
Dennoch ist die Forderung nach Freiheit oft eine relativ absolute Forderung, denn relativ gesehen, geht es immer um eine bestimmte Art von Ordnung (autonomes System) die man erreichen will. So lange man diese Art der Ordnung nicht erreicht hat, kann man relativ zu A absolut unfrei sein.
Es ist aber eher unwahrscheinlich, das man relativ zu allem unfrei ist, das würde ne sehr hohe Unbeweglichkeit voraussetzen.
Man kann allerdings total unfrei sein, in Bezug auf eine ganz bestimmte Ordnung, wie zB, die Ordnung der maximalen und GLEICHEN Freiheit für alle. Die es momentan nicht gibt.

Die Fixierung auf den Freiheitsbegriff ist eher neurotisch – eine Krankheit und Fehlansicht der moderne und des Liberalismus – und stellt zur schau, wie schwer es uns fällt, bestimmte Ordnungen als gut zu bewerten und sie vor allem in einem progressiven Vergleich zu stellen (Stichwort: Geschichte, Leitkultur, GUT).
Wahrscheinlich, weil viele Menschen sich durch diesen Vergleich herab gewürdigt und unsicher fühlen, aber auch, weil wir eben noch enorm unfähig sind, die Dinge in ihrer Komplexität zusammen zu denken.

Viel relevanter ist hingegen die Erkenntnis und das Bewusstsein, dass wir jedes mal wenn wir uns für eine Sache entscheiden, unsere Freiheit ein Stück weit aufgeben. Da ist auch nicht schlimm, sofern wir die Fähigkeit zur übergeordneten Freiheit haben – also unsere Freiheit jeder zeit neu zu schaffen und neue Verbindungen eingehen können.

Die art und weise wie wir mit verschiedenen Ordnungen umgehen ist das relevante hier.
Ob wir die verschiedenen Ordnungen respektieren und wir wir sie miteinander organisieren können.
Die Freiheit ist ein notwendiges Mittel zur kreativen, komplexen und sozial funktionalen Realitätsschaffung.
Jeder muss ein Mindstmaß an Freiheit haben um sich seine Realität zu formen, unabhängig von den meisten anderen Ordnungen. Das ist unsere liberale moralische Ordnung die wir momentan für gut erachten (kategorischer imperativ)!

Der Anarchismus ist ein ideal des “organisieren könnens” dieser Ordnungsschaffung. Jene, in der wir alle dieses Prinzip des Respekts der verschiedenen Ordnungen und Frieheiten verinnerlicht haben und keinen äußeren Zwang brauchen um dies sicherzustellen (wie zB die Judikative Polizei). Das wir alle maximal frei sind und nur die Ordnungen teilen, die notwendig sind, um unser aller Maximum an Freiheit zu gewährleisten.

Das Problem bei der Nummer ist, das wir immer noch nicht wissen, was eigentlich gut für die jeweiligen Menschen ist UND das wir nicht genau wissen, wie wir das bewerkstelligen sollen und ob es überhaupt möglich ist. Das hat der Ur-Anarchismus nich so richtig raus gefunden. Weswegen ein sozialer und vernünftiger Anarchismus ne gute idee ist ;)

freiheit ist, wenn man nach 45 arbeitsjahren so viel rente/sparguthaben hat, dass man in der lage ist vorzeitig in rente zu gehen, unfreiheit ist wenn man das geld/sparguthaben/rente/versicherungen usw. in regelmäßigen abständen entwertet bzw die lebenshaltungskosten erhöht so dass die lohnsklaven gezwungen sind sich bis zu bitteren ende zu verkaufen

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