Mit dem Coronavirus verbreitet sich die Angst davor. Das ist eine natürliche Reaktion, die manchmal Leben retten kann, manchmal auch Leben gefährden. Um Panik-Schäden zu verhindern, hat uns der Schöpfer oder die Evolution mit einem relativ großen Hirn ausgestattet. Philosophen sehen in diesem Organ – vor allem dem Vorderhirn, das den größten Platz im Schädel einnimmt – den Sitz der Vernunft, Psychologen den Sitz der Fähigkeit, Probleme durch Denken und Diskutieren zu lösen, oder einfach die Moralkompetenz.
Panik kann selbst zur pathologischen Seuche werden und größere Schäden anrichten als das, vor dem man Angst hat.
Sie ist dann pathologisch, wenn sie beim Menschen jegliche Fähigkeit zum Denken und Diskutieren ausschaltet. Davon befallen können alle werden, auch Politiker und andere Meinungsführer. In solchen Fällen wächst die Gefahr, die von Paniken ausgeht. Es entsteht ein Lemming-Effekt.
Panik kann grundsätzlich auf zwei Wegen ausgelöst werden: direkt und indirekt. Direkt wird sie in uns ausgelöst, wenn wir uns direkt bedroht fühlen, zum Beispiel durch eine Schlange, die wir für giftig halten, oder einen Menschen, der mit einer Pistole auf uns zielt. Indirekt wird Panik meist ausgelöst durch Autoritäten und ihre Multiplikatoren wie die Medien, die erklären, dass wir uns im Krieg oder in einer tödlichen Pandemie befinden.
Im Fall einer ausgelösten Panik gibt es drei verschiedene Arten der menschlichen Reaktion. Die ersten zwei steigern die Panik, die dritte kann sie abmildern und ihre Schäden begrenzen:
- Weigerung, weil der Autorität grundsätzlich misstraut wird. Ihre Argumente überzeugen nicht oder sie hat sich einen schlechten Ruf erworben. Das gilt auch bei der direkten Panik-Auslösung: Man weigert sich, auf eigene Panik-Gefühle zu reagieren, weil man ihnen grundsätzlich misstraut.
- Blinder Gehorsam, weil man sich nicht fähig fühlt, Anordnungen in Frage zu stellen, oder einfach, weil man Angst vor der Macht hat. Man tut alles, was man gesagt bekommt. Man kann ja selbst nichts dafür, wenn man die Dinge geschehen lässt, die Schaden anrichten, siehe die Milgram-Experimente.
- Mitdenkender Gehorsam, ein Begriff, den ich in einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Recht von Soldaten, Befehle zu verweigern, wenn sie der Vernunft widersprechen, fand. Anordnungen werden befolgt, aber auch kritisch hinterfragt, weil man es für die Pflicht von Bürgern in einer Demokratie hält, sich selbst und die Obrigkeit von Fehlentscheidungen abzuhalten und die Menschenrechte zu schützen.**
Symptome für pathologische Panik
Es gibt eine ganze Reihe von sicheren Anzeichen für einen pathologischen Panikzustand:
- Abwehr von Gegenargumenten („Ich bitte Sie!“)
- Verbot von Diskussionen („Das kann man doch nicht wegdiskutieren!“)
- Weghören und Wegschauen
- Abwertung gesicherter Fakten (etwa der Statistiken zur Entwicklung der Sterberaten des European Mortality Monitoring Projects, die keinerlei Epidemie erkennen lassen)
- Aufrufe zu „Solidarität“, sprich: Gehorsam statt sachlicher Information
- Attributionsfehler: „Wir können nicht alle behandeln, weil wir zu viele Fälle haben.“ Richtig wäre: „…weil wir uns auf solche absehbaren Fälle nicht richtig vorbereitet haben, weil wir zu viele Krankenhäuser geschlossen, zu wenige Pfleger ausgebildet und zu wenige Sauerstoffgeräte gekauft haben…“
- Falsche Maßnahmen: Die WHO mahnt, alle Verdächtigen zu testen (Test! Test! Test!). Schulschließungen, Hausarrest, die Absage von Sportveranstaltungen und alle anderen Maßnahmen der Isolierung von Menschen sind nicht genug und wären auch gar nicht notwendig, wenn die Regierungen nur früher begonnen hätten, alle Verdachtsfälle zu testen und wenn sie nicht nach wie vor eine ungenügende Anzahl von Tests-Sets bereitstellten. Die Forschungsgruppe World-Pop der britischen Universität Southampton fand in ihrer Analyse der Epidemie in China heraus, dass die frühe Entdeckung und Isolierung der Fälle – wie bei jeder Grippe! – „mehr Fälle von Infektion verhindert hat als die Reisebeschränkungen und Kontaktreduzierungen“, so die taz am 17. März 2020, S. 11.
- Verniedlichung der katastrophalen Folgen von Abwehrmaßnahmen („Es ist gut, einmal zu Ruhe zu kommen.“, „Diese Deppen, die ständig reisen müssen…“)
- Weigerung, aus Erfahrungen zu lernen, siehe die unbegründete Panik bei der Schweine-Grippe und anderen sogenannten Pandemien
- Übertreibung der Gefahr: Bis heute, den 17. März 2020, sind in Deutschland 17 Menschen am Coronavirus gestorben, aber seit Anfang des Jahres bis zum gleichen Datum schon 200 Menschen an der Grippe, so die Mitteldeutsche Zeitung. Diese Toten sind den meisten Medien keine Meldung wert. Die Statistik des European Mortality Monitoring Projects zeigt bisher keinen Anstieg. Im Gegenteil, die Todesfälle waren in diesem Winter etwas geringer als sonst und sind dabei zu sinken.
- Ausblenden anderer Gefahren wie Influenza, Einbruch der Lebensmittelversorgung, häusliche Gewalt, Destruktivität aus Langeweile, Geschäfte mit Hamsterware…, die ungleich größere Schäden anrichten.
- Willkürliche Extrapolation von Trends, „exponentielle Entwicklung“, ohne alternative Trends zu erwägen.
Hier ist eine exponentielle Entwicklung, wie sie von Virologen immer wieder berichtet wird:

Wie geht diese Entwicklung weiter? Immer noch steiler aufwärts? Das war der Ausschnitt aus einer Kurve, die in Wirklichkeit so aussieht:

Das heißt, nach einem steilen Aufschwung geht es meist auch wieder steil nach unten. Aber diese Entwicklung wird von Panik-infizierten Menschen meist ausgeblendet:
- Panik-Journalismus: Viele Journalisten verstärken die Panik. Statt zu berichten, dass es einem positiv getesteten Lehrer gut geht, schreibt eine Zeitung, es gehe ihm „nicht schlecht“.
- Überzogene Ratschläge/Anordnungen: „Bleiben Sie zuhause“, wobei der Aufenthalt an frischer Luft und Sonne für die Bildung von Vitamin D durch den Körper und damit zur Stabilisierung des Immunsystems sehr wichtig ist.
- Panik als Vorwand für politische Unterdrückung: in Niger gibt es noch keinen positiv getesteten Fall von Corona-Ansteckung, aber die Regierung verbietet alle Demonstrationen mit Hinweis auf Corona. Alle anderen Massenveranstaltungen dürfen dagegen stattfinden, so die taz vom 17. März 2020.
- Vorwand für lückenlose elektronische Überwachung der Bürger, siehe China.
- Panik-Beschleuniger: Unter dem Vorwand, die Menschen nicht in Panik zu versetzen, wird keine Statistik über die Schäden der Maßnahmen zur Eindämmung der erwarteten Pandemie veröffentlicht. Dadurch fehlt den Menschen aber eine wichtige Grundlage zum Nachdenken und Nachfragen: Was kann uns wegen der Panik noch drohen?
- Im Fall der Flüchtlingskrise haben die demokratischen Regierungen des angeblich hoch zivilisierten Europa bereits Menschenrechte außer Kraft gesetzt. Corona könnte der nächste Anlass sein, den mühsam erkämpften Schutz vor staatlichen Übergriffen zu reduzieren.
- In einigen Ländern gibt es bereits Hausarrest. Auch hier reden Politiker schon davon. Unser Land wird zu einem einzigen Gefängnis.
- In China wird der ganze Internetverkehr auf kritische Meinungen hin kontrolliert. Mails mit dem Inhalt dieses Artikels werden abgefangen. Bald auch hier?
- Die Arbeit der Parlamente wird jetzt schon stark eingeschränkt. Sitzungen fallen aus. Die Regierung muss bald mit Notverordnungen regieren, wie damals am Ende der Weimarer Republik.
Was tun?
Ein altbewährtes, wirksames Gegenmittel gegen pathologische Panik ist und bleibt mit Immanuel Kant:
Sapere aude! Wage zu denken!
Wirksame Prävention: Förderung der Fähigkeit von Menschen – vor allem in Schulen und Hochschulen –, zu denken und zu diskutieren, und zwar auch dann, wenn Angst sie zu lähmen droht.
Gegen Corona: Einen Meter Abstand zu anderen Menschen halten; keine Hände schütteln; Hände gründlich waschen; nicht in Augen, Nasen und Mund fassen; in Läden und auf Märkten keine Lebensmittel anfassen, niemanden anniesen oder anhusten – sich bei Symptomen testen lassen und im positiven Fall einfach zuhause bleiben.
Alle Maßnahmen, die darüber hinausgehen, sind durch keine Wissenschaft gedeckt.
Wirksame Vorsichtsmaßnahmen kosten nur ein wenig Übung, aber keine Milliarden wie die Panikmaßnahmen.
Redaktioneller Hinweis: Der Beitrag von Georg Lind erschien auf Rubikon – Magazin für die kritische Masse und wurde von Neue Debatte übernommen. Das Werk ist unter einer Creative Commons Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen darf es verbreitet und vervielfältigt werden. Absätze wurden zur besseren Lesbarkeit im Netz hervorgehoben.
Leseempfehlung
Terror als eigentliches Wesen totaler Herrschaft
Von Christoph Marx (auf https://hannah-arendt.info)
(…) Während sich die Tyrannis mit der Gesetzlosigkeit begnügt, setzt der totale Terror an die Stelle der Zäune des Gesetzes und der gesetzmäßig etablierten und geregelten Kanäle menschlicher Kommunikation ein eisernes Band, das alle so eng aneinander schließt, dass nicht nur der Raum der Freiheit, wie er in verfassungsmäßigen Staaten zwischen den Bürgern existiert, sondern auch „die Wüste der Nachbarlosigkeit und des gegenseitigen Misstrauens, die der Tyrannis eigentümlich ist, verschwindet, und es ist, als seien alle zusammengeschmolzen in ein einziges Wesen von gigantischen Ausmaßen“ (…). [Zum Beitrag]
Inhalte der aktuellen Sonderausgabe des Rubikon:
- Jens Wernicke: Wir machen Journalismus! (21. März 2020)
- Roland Rottenfußer: Die Gesundheitsdiktatur (12. Februar 2020)
- Anselm Lenz: Das Notstands-Regime (21. März 2020)
- Sven Böttcher: Die Pseudo-Krise (19. März 2020)
- Tilo Gräser: Die Stimme der Vernunft (20. März 2020)
- Hannes Hofbauer: Die Seuche der Repression (21. März 2020)
- Rainer Johannes Klement: Die Mega-Denunziation (21. März 2020)
- Giorgio Agamben: Die Erfindung einer Epidemie (21. März 2020)
- Michel Chossudovsky: Schweinegrippe 2.0 (21. März 2020)
- Nicolas Riedl: Corona und George Orwell (19. März 2020)
- Georg Lind: Die Welt in Angst (18. März 2020)
- Norbert Häring: Kaputtgespartes Italien (21. März 2020)
- Rainer Johannes Klement: Die Angst-Kampagne (18. März 2020)
- Daniel Sandmann: Der neue Totalitarismus (18. März 2020)
- Bernhard Trautvetter: Das Ablenkungsmanöver (20. März 2020)
- Georg Lind: Von wegen Killervirus (18. März 2020)
- Frederik Kunert: Die Virus-Wirtschaft (20. März 2020)
- Elmar Klink: Der Corona-Krieg (19. März 2020)
- Alexander Neu: Der Corona-Frieden (21. März 2020)
- Bertram Burian: Die Abkanzlerin (19. März 2020)
- Michael Meyen: Die Medien-Epidemie (18. März 2020)
- Peter Frey: Im Banne des Virus (21. März 2020)
- Hermann Ploppa: Gewollte Hysterie (7. März 2020)
- Peter Frey: Gefährlicher Aktionismus (20. März 2020)
- Peter Nowak: Die Angst-Reaktion (20. März 2020)
- Birgit Assel: Die Pandemie als Massenpsychose (20. März 2020)
- Michael Meyen: Die Expertokratie (18. März 2020)
- Nicolas Riedl: Die Virus-Hysterie (14. März 2020)
- Elisa Gratias: Das Angst-Virus (14. März 2020)
- Amirreza Sherkat: Gewollte humanitäre Katastrophe (17. März 2020)
- Ernst Wolff: Der große Raubzug (18. März 2020)
- Steffen Pichler: Pest und Corona (25. Februar 2020)
- Helmut Weiss: Feindpropaganda statt Mitgefühl (5. März 2020)
- Ulrich Gellermann: Merkel will Deutschland schließen (14. März 2020)
- Wolfgang Wodarg: Die Panikmacher (14. März 2020)
- Hannes Hofbauer: Die Virus-Repression (48. März 2020)
- Jens Bernert: Von wegen Pandemie (14. März 2020)
- Hannes Sies: Der virale Kapitalismus (6. März 2020)
- Larry Romanoff: Ignorantes Imperium (14. März 2020)
- Matteo Palo: Epidemie der Gewalt (10. März 2020)
- Nafeez Ahmed: Die Corona-Pandemie (14. März 2020)
- Klaus-Jürgen Bruder: Die Stunde der Opportunisten (20. März 2020)
- Georg Lind (Satire): Merkels Klarstellung (19. Märrz 2020)
- Ullrich Mies (Satire): Chance für die Jugend (14. März 2020)
**Redaktionelle Anmerkung (11.12.2020): In der Urteilsbegründung wird auf sogenannte Unterstützungshandlungen hingewiesen und festgehalten, dass der Soldat aus seiner Sicht keinen Befehl verweigerte, weil er sich u.a. auf das Grundgesetz (Art. 26) bezog. Es heißt: “(…) In seiner Einlassung vor dem Senat hat sich der Soldat bei der Darlegung seiner Haltung, jede Teilnahme an Unterstützungshandlungen für den Irak-Krieg abzulehnen, auf seine Pflichten als Soldat nach dem Grundgesetz und auf sein Gewissen berufen. Er hat ausgeführt, er habe am 7. April 2003 keinen Befehl verweigert, sondern darauf hingewiesen, dass ein derartiger Befehl nach seiner Parallelwertung in der Laiensphäre an den gesetzlichen Bestimmungen des Art. 26 GG, § 80 StGB, § 5 WStG und § 11 Abs. 2 SG scheitern müsse. Darüber hinaus hat er vorgetragen, der Rechtsberater, der Zeuge S., der ihn auf Anraten des Zeugen P. über seine Rechte und Pflichten hätte belehren sollen, habe sich geweigert, ihn umfassend über die Rechtslage zu belehren. Er, der Soldat, habe erwartet, dass der Zeuge S. zumindest seine Begründung anhöre und in eine Prüfung eintrete. Der Zeuge habe aber nicht einmal seine Argumente in dem schriftlichen Papier gelesen, sondern ihn eingeschüchtert und mit Worten wie „Degradierung“, „Entlassung“ und „es gäbe nur eine klare Rechtsauffassung“ unter Druck gesetzt.” Mit Dank an die Leserschaft für den Hinweis.
Illustration und Grafiken: Neue Debatte und Georg Lind
Georg Lind (Jahrgang 1947) war bis 2010 außerplanmäßiger Professor für Psychologie an der Universität Konstanz und ist heute freier Autor und Lehrerausbilder. Sein Hauptinteresse gilt der Moralkompetenz, das heißt der Fähigkeit, Probleme und Konflikte durch Denken und Diskussion zu lösen, statt durch Gewalt, Betrug und Ignorieren oder durch Unterwerfung unter eine Autorität. Ohne diese Fähigkeit ist nach Lind kein Zusammenleben in einer Demokratie möglich. Er hat den objektiven Moralische Kompetenz-Test (MKT) entwickelt, der weltweit eingesetzt wird, um die Wirkung von Bildungsmaßnahmen zu messen.
6 Antworten auf „Die Welt in Angst“
Nun haben wir diese Panikmaßnahmen aber. Und sie sind auch nicht verwunderlich angesichts der Unwägbarkeitsanteile, die auch ein ´sapere aude!´ nicht völlig auflösen wird.
Und diese Maßnahmen werden in allen Systembereichen gravierende Wirkungen zeitigen – hochgefährlich, aber auch findig für die so unerlässlichen endlichen Alternatien ausnutzbare !
Anregungen dazu – hier : https://netzwerkbuergerdiskurs.wordpress.com/2020/03/18/virusopfer-weltwirtschaft/
Wen man es so schreibt, ja, ansonsten stelle ich einen recht besonnen Umgang in meinem Umfeld fest.
Lind hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das er anführt, nicht gelesen, sondern kennt es offensichtlich nur vom Hören-Sagen. Die erlaubte Gehorsamsverweigerung des Majors der Bundeswehr bezog sich in der Entscheidung nicht auf vernunftwidrige Befehle sondern auf Unterstützungshandlungen betreffend denn völkerechtswidrigen Angriff auf den Irak.
Dank für den Hinweis. Ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts online einsehbar?
https://www.bverwg.de/210605U2WD12.04.0
Hier ein kurzer Auszug aus dem sehr umfangreichen Urteil des BVerwG zur Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) von Soldaten (Stichwort “mitdenkender Gehorsam”):
“Bereits aus dem Wortlaut der Grundregelung zur Gehorsamspflicht eines Soldaten in § 11 Abs. 1 Satz 2 SG ergibt sich, dass ein Soldat einen ihm erteilten Befehl „gewissenhaft“ (nach besten Kräften, vollständig und unverzüglich) auszuführen hat. Diese Formulierung enthält als Begriffsbestandteil („gewissen-haft“) unmittelbar den Bezug auf das Gewissen (lat. „conscientia“, griech. „syneidesis“), von dem die Adjektive „gewissenhaft“ und „gewissenlos“ abgeleitet sind (vgl. dazu u.a. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 23. Aufl. 1999, S. 323).
Vom Soldaten verlangt wird also keine „gewissen-lose“, sondern eine „gewissen-hafte“ Ausführung eines Befehls. Dies bedeutet, dass ein Soldat insoweit mit aller ihm möglichen Sorgfalt und Verantwortung vorzugehen und sich entsprechend zu verhalten hat.
Ein „unbedingter“ oder „bedingungsloser“ Gehorsam ist mit diesem normativen Imperativ nicht vereinbar. Gefordert ist vielmehr ein „mitdenkender“ (vgl. Urteil vom 6. Juni 1991 – BVerwG 2 WD 27.90 – ) und insbesondere die Folgen der Ausführung des Befehls – gerade auch im Hinblick auf die Schranken des geltenden Rechts und die ethischen „Grenzmarken“ des eigenen Gewissens – „bedenkender“ Gehorsam.
Dabei bedarf es im vorliegenden Fall keiner näheren Prüfung und Entscheidung der Frage, unter welchen konkreten Bedingungen in Ausnahmefällen zwingende Gebote des eigenen Gewissens die Verweigerung der Ausführung eines Befehls auch dann rechtfertigen oder gar gebieten, wenn – wie im Falle des versuchten Staatsstreichs vom 20. Juli 1944 („Aufstand des Gewissens“) – damit Verletzungen von geltenden Gesetzen verbunden sind.
Denn das Grundgesetz sieht die Möglichkeit der Berufung eines Soldaten auf die Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) gerade vor. Die Erteilung eines militärischen Befehls steht unter einem entsprechenden Vorbehalt seiner Grundrechtskonformität.”