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Rezension

Oskar Maria Graf: Wir sind Gefangene

Die Autobiografie “Wir sind Gefangene” verhalf Oskar Maria Graf zum Durchbruch. Aus Nazi-Deutschland flüchtete er 1938.

Mit der Veröffentlichung seines autobiografischen Werks Wir sind Gefangene schaffte der Schriftsteller Oskar Maria Graf (1894 – 1967) den literarischen Durchbruch. Das Werk ist eine Empfehlung wert.

Oskar Maria Graf: Wir sind Gefangene (Quelle: YouTube/Gerhard Mersmann)

Aus der bäuerlichen Enge des Elternhauses, geprägt von Bildungsverweigerung und Gewalt, flüchtete Graf 1911 nach München. Als Schriftsteller wollte er Fuß fassen, aber statt Ruhm erwartete ihn existenzielle Not. Graf war förmlich gestrandet und hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Seine politische Orientierungslosigkeit endete erst, als er die Anarchisten um Erich Mühsam und Gustav Landauer kennenlernte.

Irrenanstalt und Revolution

Graf ging zusammen mit dem Maler Georg Schrimpf nach Italien und arbeitete in einer Künstlerkolonie. Anschließend führte sein Weg zurück nach München. In der Zeitschrift Die Aktion veröffentlichte Graf 1914 seine ersten Gedichte. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, wurde Graf eingezogen und landete an der Ostfront. Wegen Befehlsverweigerung wurde er 1916 in eine Irrenanstalt eingewiesen. Nach einem mehrtägigen Hungerstreik wurde Graf aus dem Militärdienst entlassen.

Nach Ende des Krieges beteiligte er sich an den revolutionären Bewegungen. Der Versuch, im Freistaat Bayern eine sozialistische Räterepublik aufzubauen, scheiterte. Graf kam ins Gefängnis. Nach wenigen Wochen war er wieder frei, der österreichische Dichter Rainer Maria Rilke hatte sich für ihn eingesetzt.

Verbrennt mich!

Graf heiratete, arbeitete an einem Theater und pflegte eine Freundschaft zu Bertolt Brecht. Mit Wir sind Gefangene kam der schriftstellerische Erfolg. Alles schien sich zum Positiven zu entwickeln, aber die Nationalsozialisten ergriffen die Macht.

Wie schon bei der Zerschlagung der Räterepublik blieb das Bürgertum zum größten Teil passiv, leistete kaum Widerstand oder warf sich gleich in die Arme der neuen Herrscher. Graf blieb standhaft. Mit dem in der Wiener Arbeiter-Zeitung veröffentlichten Aufruf “Verbrennt mich!” protestierte er gegen die Bücherverbrennung. Mit dem Verhältnis von Kleinbürgertum und Faschismus setzte sich Oskar Maria Graf noch in seinen Romanen Der Abgrund und Anton Sittinger auseinander, 1938 musste er vor den Nazis fliehen …


Informationen zum Buch

Wir sind Gefangene

Genre: Autobiographie
Autor: Oskar Maria Graf
Sprache: Deutsch
Veröffentlichung: 1927
Verlag: Drei Masken Verlag (2. Auflage)



Illustration und Video: Neue Debatte und Gerhard Mersmann

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

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