Das Exil ist ein hartes Brot. Nicht nur, dass die Bedingungen des eigenen Schaffens sich beständig und dramatisch ändern, sondern auch die Bewertung dessen, was die Betroffenen treiben, bekommt ein neues Maß.
Lion Feuchtwanger und Flavius Josephus
Beides, sowohl die ungewollten Unterbrechungen und Neuanfänge beim Schreiben als auch die lästige Diskussion um die Frage, ob historische Romane nicht eine Flucht vor den harten Bedingungen von Diktatur und Krieg seien, haben das Gelingen der Josephus-Trilogie von Lion Feuchtwanger nicht beeinträchtigt.
Das Werk, ursprünglich auf zwei Bände geplant, dann aber durch die aktuellen Ereignisse doch zu einer Trilogie ausgewachsen, handelt von dem römischen Geschichtsschreiber Flavius Josephus. Seine eigene Biografie machte ihn zu einer schillernden Figur der Geschichte: Mitglied des jüdischen Priesteradels, Anführer beim militärischen Aufstand Galiläas gegen Rom, Sklave und Freigelassener des Kaisers Vespasian, römischer Bürger und Geschichtsschreiber.
Das Werk umfasst drei Bände. Im ersten, „Der jüdische Krieg“, geht es um den Aufstand Judäas gegen Rom und endet mit der Niederschlagung und Eroberung Jerusalems und der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 nach Christus.
Der zweite Band, „Die Söhne“, handelt von dem Versuch des Josephus, Orient und Okzident in seinem eigenen Leben und dem seiner Söhne zu vereinigen, was nicht gelingt. Und im dritten Band, „Der Tag wird kommen“, geht es um die Fragen des Judentums, ob es mit der esoterischen Deutung der Schriften, mit der Pflege der Tradition oder mit dem Streben nach politischer, weltlicher Macht zu bewerkstelligen sei, dem Judentum gerecht zu werden.
Das beinhaltet auch die nahezu unmögliche Kommunikation zwischen Ost und West, mit der Ratio, mit Zählen, Messen und Wiegen des Westens und der Intuition, der Emotion und der Fantasie des Ostens.
Die Vision des Weltbürgertums
Die Rezeption der Josephus-Trilogie wurde der Bedeutung des Werkes nie gerecht. Das lag zum einen an den unglücklichen und weit auseinander liegenden Erscheinungszeitpunkten (1932, 1935 und 1942) der verschiedenen Bände und den jeweiligen politischen Rahmenbedingungen.
Dabei kann nicht nur von der Aufarbeitung des tatsächlichen historischen Stoffes gesprochen werden, dessen Kenntnis bis hin zur Klärung der heutigen Verhältnisse in Israel und dem Nahen Osten sehr hilfreich ist, sondern auch von der Erschließung der kulturellen Differenzen zwischen Ost und West, zu der die Trilogie profund beiträgt.
Die Konfrontation von Rom und Judäa sind das historischen Grundmuster, das bis heute als ungelöste Aufgabe vor der Weltgemeinschaft steht.
Ein weiterer Aspekt, der weit über die historische Dokumentation hinausgeht, ist die Frage von Migration, Integration und Assimilation. An den inneren und äußeren Konflikten des Juden Joseph Ben Matthias und dem Römer Flavius Josephus wird deutlich, was sich in den von der Mobilität der Globalisierung geprägten Gesellschaften als Massenphänomen abspielt: Der Verlust alter Identitäten und die Suche nach neuen.
Und, auch das ist noch ein Argument, welches für die historische Figur des Flavius Josephus als auch für den weitsichtigen Autor Lion Feuchtwanger spricht: Es ist die Vision des Weltbürgertums, die beide leitet. Damit sind beide gescheitert, was bei der Dimension von Geschichte nichts heißen muss. Die Mühen, die damit verbunden sind, sind in den drei Bänden umfangreich beschrieben.
Der Konflikt von Ost und West im alten Rom. Etwas Spannenderes gibt es kaum! Es wäre sehr zu begrüßen, wenn es wieder verlegt würde!
Anmerkungen
Lion Feuchtwangers Josephus-Trilogie besteht aus den historischen Romanen ‘Der jüdische Krieg’, ‘Die Söhne’ und ‘Der Tag wird kommen’. Sie entsanden zwischen 1932 und 1942 und thematisieren das Leben von Flavius Josephus, einem römisch-jüdischen Geschichtsschreiber. Die drei Werke bauen unmittelbar aufeinander auf. Beschrieben wird die Jugend von Josephus bis zu seinem Tod um etwa 100 nach Christus.
Illustration und Video: Neue Debatte und Gerhard Mersmann
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.