Kategorien
Philosophie

… und Sisyphos wälzt seinen Stein

“Wen kümmert das Getön von Sitte und Moral und gar Besonnenheit. Ist’s nicht egal, wenn nur das Leben schäumt und wie der Wein von Trübsal uns befreit. Erst muss der Mensch doch die Natur an sich, um wirklich Mensch zu sein, in die Natur für sich umwandeln, um ganz zuletzt noch mit dem Tode zu verhandeln.”

Sisyphos, der, wie es die Sage zu berichten weiß, Korinth beherrschte, war einer der tätigsten und weisesten Regenten seiner Zeit. Und dennoch: Er wird bestraft, für was auch immer, und muss in die Unterwelt, dem Reich der Toten, wo er einen Stein auf die Spitze eines Berges wälzen muss, der durch seine Schwere aber immer wieder herunterrollt, sodass dem Unglücklichen, der sich unaufhörlich abarbeitet, kein Augenblick der Ruhe und Erholung gestattet ist.

Sisyphos

Seine Lebensmaxime war: “Wen kümmert das Getön von Sitte und Moral und gar Besonnenheit. Ist’s nicht egal, wenn nur das Leben schäumt und wie der Wein von Trübsal uns befreit. Erst muss der Mensch doch die Natur an sich, um wirklich Mensch zu sein, in die Natur für sich umwandeln, um ganz zuletzt noch mit dem Tode zu verhandeln.”

Kein Mensch kann der Objektivität zufallsnotwendiger und raumzeitlicher Materiebewegung entgehen oder ohne sie bestehen. Der Mensch kann aber durch sein konkret ihm mögliches Wirken und Tätigsein neben der zeitlebens notwendigen ermüdenden Sisyphosarbeit auch Schöpfungswonnen und Lebenslust bewusst erleben.

Das ist individuell jedoch nur möglich, wenn das konkret einzelne menschliche Selbst in gesellschaftlichen Verhältnissen existiert, die es ihm erlauben, die Bedingungen für sein eigenwilliges Wirken selbst zu erarbeiten.

Allgemein gültige, objektiv existierende Gesetzmäßigkeiten kann der Mensch zwar erkennen und sie sich nutzbar machen, aber er kann sie nicht überlisten. Erzeugen, erbringen, austauschen, verteilen, verbrauchen und umgestalten sind grundlegende Handlungen des menschlichen Wirkens. Wirtschaften muss dem natürlichen und bewusst von uns Menschen für unser Dasein stimulierten ununterbrochenen Stoff-, Energie- und Informationswechsel unseres Universums entsprechen. Das bestimmt die Effizienz des Wirtschaftens und ermöglicht die notwendige Wertschöpfung.

Der Menschlichkeit entsprechend ist Wirtschaften nur dann, wenn es das Bewahren des Seins zum Inhalt hat und wenn dabei zielorientiert, taktisch und strategisch gehandelt wird.

Hochzeit des Grauens

Im Rahmen der kapitalistischen Wirtschaftsweise werden notwendige und nützliche wissenschaftlich-technische Leistungen vollbracht und zugleich werden die Menschen in Krisen, Katastrophen und Kriegen zermürbt.

Der Kapitalismus mit seinen alles mobilisierenden Triebkräften, wie dem Streben nach Maximalprofit, der Notwendigkeit des Akkumulieren des Kapitals, der ständig erweiterten Reproduktion profitorientierten Wirtschaftens und des zerstörerischen Konkurrieren dynamisiert nicht nur die Wirtschaft, sondern das gesamte gesellschaftliche Leben. Er tritt mit an Wunder erinnernden Erzeugnissen und gleichzeitig den schrecklichsten Abartigkeiten in Erscheinung.

Gehen wir in der Zeitleiste rund 20 Jahre zurück: Schauen wir exemplarisch auf einen Global Player, der aus der Fusion zweier Giganten hervorging, und dessen einzigartige Story die Süddeutsche Zeitung später unter der Headline Hochzeit des Grauens nachzeichnete.

Who is who

Franz Kotteder und Martin Bauer beschrieben im Jahr 2000 in ihrem Buch Das Who is Who der internationalen Großkonzerne die seinerzeit 100 größten Unternehmen der Welt. Auf Platz fünf stand bei ihnen Daimler-Chrysler. Es sei die größte Firmenfusion in der Automobilgeschichte gewesen.

Am 7. Mai 1998 verkündete Daimler-Chef Jürgen Schrempp (und in London der Chrysler-CEO Robert Eaton), dass die beiden Autohersteller fusionieren würden. Mit einem Schlag sei der zweitgrößte Automobilhersteller der Welt und damit gleichzeitig das zweitgrößte Unternehmen überhaupt, was die Umsatzzahlen betreffe, entstanden.

Hervorgegangen sei “(…) der Global Player eigentlich aus mehreren Familienbetrieben, vor allem der 1883 gegründeten Benz & Cie. Rheinischen Gasmotorenfabrik von Carl Benz, der ersten Automobilfabrik der Welt, und der 1890 entstandenen Daimler-Motoren-Gesellschaft von Gottlieb Daimler”, schreiben Kotteder und Bauer. Und weiter:

“Die beiden Erfinder hatten vor allem in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts für zahlreiche Innovationen gesorgt. Benz entwickelte den ersten Omnibus, Daimler den ersten Lastwagen; schon 1902 wurde der Name ‘Mercedes’ geschützt und die zwei Unternehmen wuchsen rasch. In der deutschen Wirtschaftskrise der zwanziger Jahre sahen sich beide Firmen dann zur Fusion gezwungen und 1926 entstand die Daimler-Benz AG mit Sitz in Stuttgart-Untertürkheim. Neben dem Ausbau der Produktion von Personen- und Nutzfahrzeugen stieg Daimler-Benz mit den berühmten „Silberpfeilen“ auch in die Fertigung von Rennwagen ein. Die Nazis schließlich bedienten sich des Unternehmens zu Propaganda-Zwecken und später dann für die Rüstungsproduktion: In Stuttgart-Untertürkheim wurden bald schon Großmotoren für Flugzeuge und Schiffe gebaut, die Firmenkonstrukteure entwickelten Triebwerke für den Krieg und zahllose Zwangsarbeiter wurden in den Produktionsstätten des Konzerns ausgebeutet.”

Nach dem Krieg seien viele Werke zerstört und die Firmenteile in Ostdeutschland verstaatlicht und demontiert worden. So sei erst 1946 wieder mit dem Bau von Lastwagen begonnen worden, ein Jahr später dann auch wieder mit dem von Pkws.

Mit dem Wirtschaftswunder habe auch Daimler-Benz floriert. Das Unternehmen sei ins Ausland expandiert habe andere Gesellschaften hinzugekauft und neue Produktionsstätten aufgebaut.

“Vorstandschef Edzard Reuter, der sein Amt 1986 antrat, glaubte nicht recht an die Zukunft des Autos und unternahm alle Anstrengungen, Daimler zu einem ‘integrierten Technologiekonzern’ umzubauen, der in vielen Geschäftsfeldern tätig ist: Dornier wurde aufgekauft, die AEG, 1989 folgte die Übernahme der Mehrheit von MBB, die Gründung der Deutschen Airbus GmbH und 1990 die der Daimler-Benz Inter Services AG (Debis). 1993 schließlich kaufte Daimler 51,4% der niederländischen Flugzeugbauer Fokker.”

Vergebliche Rücksichtslosigkeit

Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei Reuters Traum vom integrierten Technologiekonzern ausgeträumt gewesen. Die Wende im Osten und das Ende des Kalten Krieges ließen die Geschäfte mit der Rüstung stark zurückgehen und “AEG wie Dasa machten Verlust, übertroffen noch von Fokker. Reuter, dessen Konzernumbaustrategie an die 70.000 Arbeitsplätze gekostet hatte, musste gehen. Sein Nachfolger wurde Jürgen Schrempp”.

Dieser sei vom Aufsichtsrat gewählt worden, weil er einen harten Sanierungskurs und eine starke Orientierung am Shareholder Value versprochen habe. “Beide führte er dann auch rigoros durch: Die AEG wurde zum Teil verkauft die Frankfurter Zentrale aufgelöst und die Reste in den Konzern integriert. Die Zahlungen an Fokker stellte Schrempp ein, bis das Unternehmen fast Konkurs anmelden musste und abgestoßen werden konnte. Die Dornier Luftfahrt GmbH wurde mit einer Morgengabe von 300 Millionen Mark an das US-Unternehmen Fairchild abgegeben und die damals noch bestehende Mercedes-Benz AG 1997 in die Daimler-Benz AG eingegliedert.”

Der neuerliche Konzernumbau mit der Konzentrierung auf die Kerngeschäftsfelder habe rund 40.000 Arbeitsplätze gekostet und hatte viele Standortschließungen zur Folge. Das habe aber auch binnen eines Jahres dazu geführt, dass die Daimler-Benz AG wieder schwarze Zahlen schrieb. Schließlich wird in dem Buch festgestellt, dass Schrempps größter Coup 1998 gefolgt sei, die Fusion mit dem amerikanischen Autohersteller Chrysler:

“Formal sind beide Partner gleichberechtigt, was sich in den beiden Konzernzentralen Stuttgart und Auburn ausdrückt. Der vorzeitige Rücktritt von Chrysler-Chef Robert Eaton im Januar 2000 deutet aber auf eine Stärkung der Machtposition des deutschen Partners hin, denn nun führt Jürgen Schrempp, der seine Laufbahn als einfacher Kfz-Lehrling bei Daimler-Benz begann, den zweitgrößten Automobilkonzern der Welt alleine. Und er setzt die Umstrukturierung konsequent fort: Die Mehrheit am Debis-Systemhaus wird für 5,5 Milliarden Euro an die Deutsche Telekom verkauft, die Bahntochter Adtranz im August 2000 für 790 Millionen Euro an den kanadischen Luftfahrt- und Bahntechnikkonzern Bombardier. Gleichzeitig stieg Daimler-Chrysler für 21,1 Milliarden Euro und 34% beim japanischen Autobauer Mitsubishi Motors ein um künftig verstärkt am Kleinwagengeschäft und in Asien zu profitieren.” [1]

Später hat sich erwiesen, dass Schrempps Coup auch nur ein vergeblicher Versuch war, einer grundlegenden Entwicklungstendenz des kapitalistischen Wirtschaftens, nämlich dem Gesetz der stetig fallenden Profitrate, entgegenzuwirken.

Die Besitzer

“Wem gehört Daimler-Chrysler”, fragen Kotteder und Bauer an anderer Stelle ihres Buches und liefern die Antwort. “Größter Einzelaktionär von Daimler-Chrysler ist die Deutsche Bank mit einem Aktienanteil von 11,9 %. Danach folgen das Emirat Kuweit mit 7 % und der amerikanische Großinvestor Kirk Kerkorian über seine Finanzgesellschaft Tracinda mit 3 % sowie 17.000 institutionelle Anleger mit insgesamt 54 %. Die übrigen Aktien befinden sich im Streubesitz bei 1,8 Millionen Aktionären. Das meiste Kapital wird mit 70 % in Europa gehalten, 21 % sind im Besitz von Investoren und Fonds aus den USA, 9 % der Aktionäre kommen aus der übrigen Welt. Die Daimler-Chrysler-Aktie ist im DAX mit 4,2 % als einer der schwersten Einzelwerte des deutschen Börsenindex gewichtet” [1].

Das macht deutlich, dass es in der kapitalistischen Gesellschaft zwar noch zahlreiche Eigentümer gibt, die aber ihr Eigentum kaum noch eigentümlich zu ihrem persönlichen und aller Nutzen gebrauchen können, da sie sich entsprechend der Diktion, gesetzgeberisch sanktionierter und über Finanzbeziehungen rechtfertigender Besitzer, die eben in erster Linie am Profit und nur mittelbar an Gebrauchswerten interessiert sind, zu richten haben.

Mit wissenschaftlich-technischem Know-how und finanziellen Investitionen werden unternehmerische Betriebswirtschaften gegründet, die nützliche Gebrauchswerte erzeugen und Werte zur Kapitalakkumulation und erweiterten Reproduktion schaffen. Dazu ist es erforderlich, dass einerseits von Handwerkern, Technikern, Ingenieuren, Wissenschaftlern, Managern, Vertriebsleitern und vielen mehr einerseits für die Produktion und andererseits von eben diesen Erwerbstätigen (zu der Möglichkeit ihrer Beteiligung an der Konsumtion) bezahlte, lebendige, menschliche Arbeit geleistet wird.

Die Ware Arbeitskraft, welche Gebrauchswerte und Tauschwerte, also Mehrwert wie es Karl Marx nannte, in einem schafft, ist für den Produktionsprozess unerlässlich.

Betriebswirtschaften in kapitalistisch stimulierten Wirtschaftsgefügen müssen immer nach der bestmöglichen Kapitalverwertung, nach Profitmaximierung suchen, um nicht im gnadenlosen Konkurrenzkampf unterzugehen. Das gilt für die großen übermächtigen Konzerne wie auch für die kleinsten, Marktlücken schließenden Unternehmen.

Zirkulation in der kapitalistischen Gesellschaft ist in erster Linie die Zirkulation Geldwert definierter Kapitalien vom Girokonto des Gehalts- und Arbeitslohnempfängers bis zu weltweit fließenden Finanzen auf den Aktienmärkten.

Ob nun für das sie finanzierende und benutzende Unternehmen oder ihre Privatsphäre, Entscheidungen von Leitern, Direktoren, Global Playern, Machern oder wie man sie auch sonst noch bezeichnen mag, des Managements eben, haben sich immer nach dem betriebswirtschaftlichen Kalkül, der Profitmaximierung, dem Mehrwert erzeugenden Mehrwert, der Kapitalakkumulation und der erweiterten Reproduktion des Unternehmens zu richten, soll ihre “Karriere” nicht mit dem gnadenlosen Absturz des Versagers enden. In diesem Spiel wird hoch gepokert und letztlich steht die Existenz des Menschen an sich auf dem Spiel.

Der Börsenschwindel

Die Geschichte der Aktienbörsen und internationalen Finanzmärkte belegt beeindruckend die Potenz und die Gefährlichkeit der kapitalistischen Produktionsweise. Günter Ogger schreibt in seinem Buch “Der Börsenschwindel” dazu:

“(…) Gebt uns euer Geld, und wir machen Euch reich”, versprachen die smarten jungen Herrn, die Ende der 60er Jahre an vielen deutschen Haustüren klingelten. Sie kamen als Abgesandte eines Amerikaners, der in der Nähe von Genf feudal in einem Schloss residierte und sich anschickte, den Slogan des populären Wirtschaftsministers und Adenauer-Nachfolgers, Ludwig Erhard, endlich in die Tat umzusetzen: “Wohlstand für alle.” Während die von Rudi Dutschke aufgeputschten Studenten für eine freie Gesellschaft ohne Klassenschranken auf die Straße gingen, stellten die gut geschulten Vertreter des Midas vom Genfer See ihrer Kundschaft überzeugend ein Leben in ewigem Reichtum in Aussicht. Die wundersame Geldvermehrung sollte natürlich nicht durch Arbeit zustande kommen, sondern allein durch die Erträge von Wertpapieren, die bis dahin in Deutschland weitgehend unbekannt waren. Es handelte sich um Anteile an einer Firma, die sich “Fund of Funds” nannte und die wieder an einer Vielzahl höchst lukrativer Unternehmen, vornehmlich in den USA, beteiligt war. Mit ihrem neuartigen Haustürvertrieb und beeindruckenden Gewinnausweisen versetzten die ISO-Vertreter Deutschlands Geldanleger für eine Weile in so gute Stimmung, dass sie binnen kurzer Zeit viele Milliarden Mark einsammeln konnten. Das Ergebnis ist bekannt: “Ende 1968 krachte das auf luftigen Prognosen gebaute Geldimperium des ‘Midas’ Bernie Cornfeld in sich zusammen, und Tausende gutgläubige Anleger mussten ihre Einlagen abschreiben. Am Ende waren Cornfelds Investmentzertifikate nicht mal mehr das Papier wert, auf das man sie gedruckt hatte.”

Die Börse mit ihrem Geschehen und spekulierenden Teilnehmern könnte durchaus als Kasperletheater für erwachsene Spielertypen abgetan werden, wäre da nicht der drückende Finanzbedarf eines jeden Wirtschaftsunternehmens. “That’s the life”, würden die smarten Typen der Börse dazu sagen [2].

Die Vorteile, aber auch die Gefahren der genauso auf den Weg gebrachten sogenannten Globalisierung, machte auch Helmut Schmidt mit überzeugenden Argumenten deutlich.

“Die sogenannte Globalisierung hat die Weltweite Ausbreitung des technischen Fortschritts außerordentlich begünstigt. Was aber ist mit dem neuen Schlagwort eigentlich gemeint, was verbirgt sich hinter dem Begriff? Gibt es denn nicht schon seit Jahrhunderten eine große Weltwirtschaft?”

Tatsächlich habe sich im Vergleich etwa zum Jahre 1985 die Zahl der Teilnehmer am Austausch von Gütern und Leistungen verdoppelt.

“China ist hinzugekommen; auch sämtliche Mitgliedsstaaten des von der ehemaligen Sowjetunion beherrschten, nunmehr verschwundenen Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) gehören jetzt dazu, ebenso eine Reihe weiterer Staaten, die sich früher von der Weltwirtschaft weitgehend abgeschottet hatten.”

Unterstützt werde die Entwicklung durch die rasch fortschreitende allgemeine Tendenz zur Aufhebung nationaler Handelsbeschränkungen aller Art. Ein wesentlicher Faktor der Globalisierung bestehe in der Überwindung des Raumes.

Insgesamt werde man davon ausgehen müssen, dass es für die große Mehrheit der Menschen im 21. Jahrhundert eine größere ökonomische Abhängigkeit von der Weltwirtschaft geben werde als jemals zuvor in der Geschichte.

“Die Vorteile der internationalen Verflechtungen”, so Helmut Schmidt, “werden an den Beispielen Südkorea, Taiwan, Hongkong und Singapur besonders deutlich. Der sagenhafte ökonomische und soziale Aufstieg dieser vier Staaten wäre ohne ihre gewollte Einbeziehung in den Welthandel und in den technologischen und finanziellen Austausch mit den westlichen Industriestaaten nicht möglich gewesen. Alle vier noch vor einem halben Jahrhundert weit zurückgebliebenen Entwicklungsländer mit sehr niedrigem Lebensstandard verdanken ihren heutigen hohen Wohlstand einer vorweggenommenen Globalisierung. Heute gehören sie zur Spitzengruppe der Exportländer der Welt und haben Spanien, Schweden oder die Schweiz hinter sich gelassen.”

Immer wenn es einem Entwicklungsland gelänge, sich an der technologischen Globalisierung zu beteiligen, so biete es auf den Weltmärkten Produkte an, die bis dahin vornehmlich aus den alten Industrieländern kamen. Damit verstärke sich der Wettbewerbsdruck in den alten Industrieländern, insbesondere für die dortigen Arbeitnehmer.

“Die Menschen in den Entwicklungsländern werden noch auf Jahrzehnte bereit sein – wahrscheinlich weit über das neue Jahrhundert hinaus –, zu deutlich geringeren Löhnen und bei deutlich geringerer sozialer Sicherung zu arbeiten als etwa die Menschen in Europa, in Nordamerika oder in Japan. Deshalb können Unternehmen in wohlangepassten Entwicklungsländern ihre Produkte auf den Weltmärkten zu niedrigeren Preisen anbieten, als sie von den Unternehmen der alten Industrieländer erzielt wurden.”

Die Globalisierung der Technologie habe den industriellen und technologischen Vorteil, über den Westeuropa über fast zwei Jahrhunderte verfügte, bereits zu einem erheblichen Teil eingeebnet. “Die ökonomische Globalisierung kann eine politische Gefährdung des freien Welthandels provozieren. Sie kann auch machtpolitische Konflikte provozieren.” [3]

Die Globalisierung ist die einzige noch offenstehende Option kapitalistischen Wirtschaftens.

Konkurrenzkampf zwingt weltweit jedes Unternehmen, kostengünstiger und rationeller als die anderen zu produzieren. Zu hoher Effizienz eingesetzte Technologien oder Billiglohn Angebote in Entwicklungsländern ermöglichen Einsparungen beim Einsatz lebendiger Arbeit, beschränken jedoch in erheblichem Maß die notwendige Konsumtion. Globalisierung ist die letzte Phase gesellschaftlicher Entwicklung, die das progressive Potential, aber auch die Widersprüchlichkeit kapitalistischen Wirtschaftens, also das profitorientierte Streben nach Märkten und Einflusssphären, ermöglicht. Dadurch wird ein weiteres Voranschreiten zu Wohlstand und Menschenwürde der Weltgesellschaft letztendlich unmöglich gemacht.

Mehrwert, der hauptsächlich von lebendiger, menschlicher Arbeit erbracht werden muss, und nicht voll automatisiert geschaffen werden kann, verliert tendenziell seine Fähigkeit, Triebkraft der wirtschaftlichen Entwicklungen der Menschen zu sein.

Mit den nüchtern-sachlichen Worten von Karl Marx heißt das:

“Also dieselbe Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit drückt sich im Fortschritt der kapitalistischen Produktionsweise aus, einerseits in einer Tendenz zu fortschreitendem Fall der Profitrate und andererseits in beständigem Wachstum der absoluten Masse des angeeigneten Mehrwerts oder Profits; so dass im ganzen der relativen Abnahme des variablen Kapitals und Profits eine absolute Zunahme beider entspricht. Diese doppelseitige Wirkung kann sich, wie gezeigt, nur darstellen in einem Wachstum des Gesamtkapitals in rascherer Progression als die, worin die Profitrate fällt. Um ein absolut angewachsenes variables Kapital bei höherer Zusammensetzung oder relativ stärkerer Zunahme des konstanten Kapitals anzuwenden, muss das Gesamtkapital nicht nur im Verhältnis der höheren Komposition wachsen sondern noch rascher. Es folgt hieraus, dass, je mehr die kapitalistische Produktionsweise sich entwickelt, eine immer größere Kapitalmenge nötig ist, um dieselbe und mehr noch eine wachsende Arbeitskraft zu beschäftigen” [4].

Wie lange die Globalisierung der Akkumulation, der “Verwendung von Mehrwert als Geldwerten Kapital oder Rückverwandlung von Mehrwert in Kapital”, noch Spielraum zur Entwicklung und Selbsterhaltung bietet, ist zwar absehbar endlich, aber durchaus noch ungewiss.

Sisyphos wird seinen unförmigen Stein zunächst also noch weiter ungestüm wälzen, ihn aber auch zunehmend eigentümlich bearbeiten, damit er oben angelangt nicht mehr herunterrollen kann, sondern endlich als Fundament eines Hauses der Menschlichkeit Verwendung findet.


Quellen und Anmerkungen

[1] Franz Kotteder, Rainer Baier: Das Who is Who der internationalen Großkonzerne (Wilhelm Heyne Verlag, München 2000).

[2] Günter Ogger: Der Börsenschwindel (C. Bertelsmann Verlag, München 2001).

[3] Helmut Schmidt: Die Selbstbehauptung Europas – Perspektiven für das 21. Jahrhundert (Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2000).

[4] Karl Marx, Friedrich Engels: Gesamtausgabe (Dietz Verlag, Berlin 1970).



Illustration: Neue Debatte

Lehrer, Philosoph und Autor

Frank Nöthlich (Jahrgang 1951) wurde in Neustadt/Orla (Thüringen) geboren. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und sechs Enkelkinder. Er studierte Biologie, Chemie, Pädagogik, Psychologie und Philosophie von 1970 bis 1974 in Mühlhausen. Nach dem Studium war er an verschiedenen Bildungseinrichtungen als Lehrer tätig. Von 1985 bis 1990 war er Sekretär der URANIA-Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse. Später arbeitete er als Pharmaberater und ist heute Rentner und Buchautor (www.briefe-zum-mensch-sein.de). Er sagt von sich selbst, dass er als Suchender 1991 in der Weltbruderkette der Freimaurer einen Hort gemeinsamen Suchens nach Menschenliebe und brüderlicher Harmonie gefunden hat.

Von Frank Nöthlich

Frank Nöthlich (Jahrgang 1951) wurde in Neustadt/Orla (Thüringen) geboren. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und sechs Enkelkinder. Er studierte Biologie, Chemie, Pädagogik, Psychologie und Philosophie von 1970 bis 1974 in Mühlhausen. Nach dem Studium war er an verschiedenen Bildungseinrichtungen als Lehrer tätig. Von 1985 bis 1990 war er Sekretär der URANIA-Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse. Später arbeitete er als Pharmaberater und ist heute Rentner und Buchautor (www.briefe-zum-mensch-sein.de). Er sagt von sich selbst, dass er als Suchender 1991 in der Weltbruderkette der Freimaurer einen Hort gemeinsamen Suchens nach Menschenliebe und brüderlicher Harmonie gefunden hat.

Eine Antwort auf „… und Sisyphos wälzt seinen Stein“

Sisyphus enttarnte Gott Zeus der Fleischeslust und schlug dem Tod ein Schnippchen. Nur dem Krieg unterlag er und bestrafte sich somit selbst.

Auch wir Menschen vermögen den Gott in uns selbst nicht erkennen, da wir geblendet von materieller Fleischeslust. Im Geiste unsterblich berauschen wir uns an Kriegen und verdammen uns selbst durch die ständig wiederholenden Abläufe des menschlichen Daseins.
Es ist unser Wille, die Unzufriedenheit mit uns selbst, dass die Dinge anders sein sollen als sie sind, vielleicht in der Hoffnung Erkenntnis zu erlangen.

Anstatt am Gipfel angekommen, ohne rollenden Stein des Anstoßes, die Höhen der Göttlichkeit zu genießen, einfach Sein und zufrieden sein mit dem was ist, erwarten wir ein Paradies im Jenseits, weil wir es im Diesseits nicht erkennen können wollen.

Wie ist Deine Meinung zum Thema?

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.