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Meinung

Frankreich: Gute Nachrichten aus dem Nachbarland

Die Kommunalwahlen in Frankreichen zeigen, dass der aktuelle Präsident in der Zukunftsplanung keine Rolle mehr spielt und die Lösung nicht im Lager des Nationalismus gesucht werden wird.

Nicht, dass Kommunalwahlen als das einzige Indiz für die nationale Bestimmtheit genommen werden könnten! Da spielen, wie es der Name schon zum Ausdruck bringt, die Besonderheiten vor Ort eine viel zu große Rolle. Dass Kommunalwahlen allerdings genau den Entscheid darstellen, mit dem Bürgerinnen und Bürger direkt, wohl gemerkt, in Form von Wahlen, ihren Willen zum Ausdruck bringen können, ist leider vielen nicht bewusst. Das zeigt sich immer wieder in den zu niedrigen Zahlen der Wahlbeteiligung [1]. Und diese werden dann zudem mit einer Haltung überstrahlt, die dann doch etwas mit dem nationalen Befinden zu tun haben.

Kommunalwahlen in Frankreich

Da kommen dann Stimmungen zum Vorschein, die nichts mit den konkreten Taten des lokalen Bürgermeisters, der technischen Ausstattung von Schulen, dem Ausbau einer Infrastruktur für Fahrräder oder dem Bau eines neuen Kraftwerkes zu tun haben. Da gehen dann doch viele zur Wahl, um “denen da oben”, in der Hauptstadt, in der Ferne, mal den Marsch zu blasen. Und nimmt man die Ergebnisse der Kommunalwahlen landesweit zusammen, so kann daraus durchaus ein Trend gelesen werden, der eine Bedeutung für das gesamte Land hat.

Und so ist es geschehen. Der Beau des Neoliberalismus, der so smart daher kommt und so sehr auf den Polizeiknüppel setzt, hat bei den zurückliegenden Kommunalwahlen in Frankreich [2] eine Quittung ausgestellt bekommen, die keinen Zweifel über seine Zukunft mehr aufkommen lässt. Um die meist gebrauchte Bezeichnung, die hierzulande benutzte wurde, um den politisch Unbekannten zu charakterisieren, nämlich der Hoffnungsträger, ihm wurden die Leviten gelesen und sein Stern wird verglimmen wie die letzte Kippe.

Erstens wäre es lästig, die Vergehen dieses Parvenüs noch einmal aufzuzählen, weil sie so schamlos und dreckig sind. Und zweitens soll man bekanntermaßen den Tag nicht vor dem Abend loben. Denn es kann als ziemlich sicher gelten, dass die vielen Gummigeschosse und die großen Mengen Tränengas, die zu seinem Investitionsprogramm gehörten, noch zum Einsatz kommen sollen, bevor er gehen muss. Aber dennoch: das Ablaufdatum steht ihm auf der Stirn geschrieben.

Der neue Trend in Frankreich

Die Französinnen und Franzosen, die an den Kommunalwahlen in ihrem Land teilgenommen haben, man spricht von 40 Prozent der Berechtigten, haben der Partei des Präsidenten nicht nur kein Vertrauen mehr geschenkt, sondern sie haben sie schlichtweg abgewählt. Und das Interessante ist, dass die von vielen befürchtete Abkehr von den klassischen Parteien einhergehen wird mit der Zuwendung zu Rassemblement National, der in Frankreich ohnehin schon starken radikalen Rechten, hat sich nicht eingestellt [3].

Es war immer das letzte Argument, um für den gegenwärtigen Präsidenten zu plädieren. Auch hier hieß es, wenn er scheitere, dann falle das Land den Rechtsradikalen zum Opfer. Das klang stets nach der Maxime: “Auch wenn ihr jetzt verprügelt werdet, nehmt es hin, es könnte noch schlimmer kommen!”

Der kommunale Trend sieht anders aus. Die Mehrheiten gingen vor allem an Grün oder eine Koalition von Grün und Sozialisten. Inwieweit lokale, aus der Gelbwestenbewegung entstandene Bündnisse eine Rolle spielten, muss sich noch herausstellen, darüber wurde bis jetzt nicht berichtet.

Die Zukunft ohne den Parvenü

Jedenfalls ist eindeutig, dass, sofern man es als eine Willensbezeugung wertet, die als Botschaft an den Präsidenten gedacht war, er in der Zukunftsplanung keine Rolle mehr spielen wird und die Lösung nicht im Lager des Nationalismus gesucht werden wird. Das sind außerordentlich gute Nachrichten aus dem geliebten Nachbarland!


Quellen und Anmerkungen

[1] Westfälische Nachrichten (14.9.2015). Niedrige Wahlbeteiligung – Politikwissenschaftler aus Münster schlägt Online-Wahlen vor. Auf https://www.wn.de/Muensterland/2015/09/2113682-Niedrige-Wahlbeteiligung-Politikwissenschaftler-aus-Muenster-schlaegt-Online-Wahlen-vor (abgerufen am 4.7.2020).

[2] Kleine Zeitung (28.6.2020): “Enttäuschung” im Macron-Lager – Grüne siegen bei Kommunalwahlen. Auf https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5831935/Frankreich_Enttaeuschung-im-MacronLager_Gruene-siegen-bei (abgerufen am 4.7.2020).

[3] Die Partei Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung) nannte sich bis Juni 2018 Front National (Nationale Front). Sie bildet nicht nur den rechten Rand des politischen Spektrums in Frankreich ab, sondern gilt als rechtsextrem. Nach der Parlamentswahl im Juni 2017 war der Front National mit acht Sitzen in der französischen Nationalversammlung vertreten. Vorsitzende der Partei ist Marine Le Pen. Sie hatte 2011 ihren Vater Jean-Marie Le Pen, der seit 1972 Vorsitzender des Front National und von 2004 bis 2019 Abgeordneter im Europäischen Parlament war, an der Spitze der Partei abgelöst. Jean-Marie Le Pen wurde 2015 aus der Partei ausgeschlossen.


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Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

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