“Wenn der Schnee schmilzt, siehst du, wo die Kacke liegt!” Rudi Assauer kannte sich aus [1]. Vor allem im Fußball. Und dass der Fussball auch immer etwas über die Funktionsweise der Gesellschaft aussagt, ist eine Binse. Also, bleiben wir beim Fußball. Auch dort hat Corona gewirkt wie ein Brandbeschleuniger. Wie überall sonst eben auch.
Wo König Kohle regiert
Da sind die Großen noch stärker aus der Krise hervorgegangen und ehemals Große droht es zu reißen. Finanziell am Ende. Manche hoffen auf staatliche Alimentierung, andere beißen ins Gras. Das Leben ist kein Ponyhof. Vor allem dort, wo König Kohle regiert, da ist das Metier egal. Ob Bananen, Werkzeugmaschinen, Automobile, Präservative, Präzisionsuhren oder Fußball, es herrscht der Markt, der alles regelt.
Das sind die Zeiten, in denen wir uns baden. Und wem da die Romantik fehlt, der ist endlich angekommen und hat begriffen, was gespielt wird.
Wenn die Auswirkungen, die der Lockdown auf den Fußball hatte, paradigmatisch den Rest von Wirtschaft und Gesellschaft beschreiben, dann nehmen die Konsequenzen Kontur an. Die Monopole werden gestärkt, die mittleren Unternehmen werden sich mit Ach und Krach vielleicht retten können und viele Kleine wird der Sensenmann holen. Auf allen erwähnten Ebenen wird es Tod und Überleben geben, aber auf der obersten bedeutet das die Stärkung des Monopols.
Staatsmonopolistischer Kapitalismus
Zum ersten Mal in der Geschichte der Republik erleben wir nun das, was sich einmal in einer sozialistischen Theorie niedergeschlagen hat: den staatsmonopolistischen Kapitalismus.
Gut, VW gab es schon immer, von der braunen Vergangenheit bis zum sozialdemokratisch mitgesteuerten Halbstaatskonzern, aber das war nicht repräsentativ. Doch nun macht sich die Horde der Wirtschaftshunnen daran, alle Läden zu übernehmen.
Sadismus gelangweilter Monopolisten
Bayern München, der bayrische Staatsverein, der gestern zum 20. Mal den Pokal holte, illustriert sehr gut diese Entwicklung. Abgesehen davon, dass letzteres im Rest der Republik niemanden mehr interessiert, außer denen, die es ablehnen, zu leben, weil zum Leben Siege wie Niederlagen gehören; also einmal abgesehen von den Lebensverneinern, hat das Monopol den Scham des Spiels endgültig zerstört.
Da wird ein Produkt gesponsert, das keine Konkurrenz mehr hat. Da gibt es keine Reibung mehr mit anderen, da sind die Kräfte so verteilt wie einst in der Arena Roms.
Man lässt sich frische Sklaven kommen, um sie spielerisch zu vernichten. Die gekaufte Berichterstattung redet in solchen Fällen gerne von einer Demonstration der Macht. Das trifft es nicht ganz, auch wenn es das auch ist. Es ist der Sadismus gelangweilter Monopolisten.
Wie Rudi Assauer sagte …
Die reden dann auch schon mal von anderen Ligen, wo sie viel mehr Kohle und etwas mehr Kitztel erwarten. Wo sie sich treffen können mit ihresgleichen aus anderen Ländern. Mit denen, denen es wie ihnen gelungen ist, die Idee von einer sportlichen Auseinandersetzung zweier Mannschaften mit ungewissem Ausgang zu meucheln wie einen räudigen Hund.
Sollen sie es machen, sollen sie ein Pantheon der Langeweile bauen. Mit Figuren wie dem ehemaligen Präsidenten des Staatsvereins und dem westfälischen Fleischbaron, der eine Ikone des Ruhrgebiets nachhaltig geschändet hat, wäre ein guter Anfang gemacht. Wenn der Schnee schmilzt, siehst du, wo die Kacke liegt.
Quellen und Anmerkungen
[1] Rudolf Assauer (1944-2019) war ein deutscher Fußballprofi und Manager. Er absolvierte zwischen 1964 und 1976 für Borussia Dortmund und Werder Bremen insgesamt 307 Bundesligaspiele. Nach der Laufbahn als Berufssportler wurde er Manager. Sein Weg führte ihn über Bremen zum FC Schalke 04. Zwischendrin war Rudi Assauer für den Zweitligisten VfB Oldenburg tätig. In seiner Rolle als Fußballfunktionär und vor allem Werbeträger pflegte er das Image des erfolgreichen Geschäftsmannes und selbstbewussten Ruhrpott-Machos. Die Zigarre wurde zu seinem Markenzeichen. Ende Januar 2012 wurde bekannt, dass Rudi Assauer an Alzheimer erkrankt war. Die Krankheit wird thematisiert in seiner Biografie “Wie ausgewechselt”. ↩
Reden wir miteinander
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Illustration: Neue Debatte
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
Eine Antwort auf „Rudi Assauer: “Wenn der Schnee schmilzt …”“
Wir erleben das, was wir wahrnehmen.