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Meinung

Finanzwirtschaft: Auf zum letzten Gefecht!

Die Aufstände gegen das, was Finanzwirtschaft anrichtet, nehmen zu. Sie zeigen, dass der Bauch zuweilen präziser arbeitet als so mancher Kopf.

Nordbank, Cum-Ex, Wirecard: So wie es aussieht, wird etwas, das nicht unbedingt zum anomalen Geschäftsgebaren in der Finanzwelt gehört, in einer Phase, die sich das Sommerloch nennt, medial dazu benutzt, um den Austausch des politischen Personals zu bewirken.

Der jüngste, als Skandal titulierte Fall um den vermeintlichen deutschen Digitalprimus Wirecard, soll nun dazu dienen, vor allem Finanzminister Olaf Scholz von der politischen Bühne zu stürzen [1].

Nicht, dass in den drei anfangs genannten Fällen konsequenteres Handeln im Sinne vieler Beobachter gewesen wäre, doch das Skandalöse nun auf eine Figur im Bundeskabinett zu reduzieren, ist eine Finte, die es in sich hat. Sie soll davon ablenken, dass hoch riskantes Spekulieren, systematische Steuerhinterziehung und professionelle Verschleierung zu einem Geschäftsmodell gehören, das längst etabliert ist und sich längst als Wesenszug der Finanzwirtschaft etabliert hat.

Die Legitimationskrise des Systems

Glaubt man den Ausführungen der Gazetten, in denen sich Schrumpfnaturen unter dem Namen von Analysten austoben, dann hätte ein aufmerksamer Politiker das alles verhindern können. Das ist der Traum, oder auch nur der Irrglaube, der sich in den Köpfen festsetzen soll. Er lenkt ab vom Standard. Und dieser Standard ist das Unglaubliche.

Es ist müßig, darüber zu spekulieren, wie es hat dazu kommen können. Der Angriff auf staatliches Handeln durch die Finanzwirtschaft hat mittlerweile eine jahrzehntelange Tradition. Dass dieses System nun, in einer weiteren Krise, sich so ausgebreitet hat, dass von einer Balance zwischen dem politischen System und eben jener Wirtschaft nicht mehr gesprochen werden kann und sich die eklatanten Unterschiede in den Lebensverhältnissen nicht mehr verbergen lassen, hat zu einer grundlegenden Legitimationskrise des politischen Systems geführt [2].

Überall, wo sich die Finanzwirtschaft in der Ära des Wirtschaftsliberalismus die Pole Position gesichert hat, kommt es zu gewaltsamen Ausbrüchen. Ob in Brasilien, den USA oder in Frankreich: die Bevölkerung hat das Problem erkannt und begehrt auf.

Die Auflösung von Gemeinschaft und Gemeinwohl

Auch wenn die Revolten nicht unbedingt von ausgefeilten Programmen und Theorien unterlegt sind und man eher von Aufständen sprechen muss, die auf dem Bauchgefühl basieren – die Dissonanzen sind erkannt. Und es wurde erkannt, dass nun, in einer weiteren Krise, die Finanzwirtschaft zu einem letzten Gefecht bläst.

Jetzt noch, so hört man die wie wildesten Hähne der Branche krähen, eine Abschaffung des Bargeldes, oder die Zerstörung der staatlichen Renten- und Krankenversicherungssysteme, und wir wären der Liquidierung koordinierten staatlichen Handelns einen gewaltigen Schritt näher gekommen. Das Ergebnis ist die Auflösung von Gemeinschaft wie Gemeinwohl und die Diktatur der Couponschneider.

Dass sich die Sache zuspitzt, ist auch in den Regierungskreisen angekommen. Glaube niemand, dort wäre nicht bekannt, woher der Hase läuft. Dementsprechend wird jede noch so zaghafte Bemühung, eine vom politischen System ausgehende Initiative zu mehr Kontrolle den medialen Fremdenlegionären zum Fraß vorgeworfen. Es ist also essenziell, sich diese Bewegungen genau anzuschauen.

Die Finanzwirtschaft als Übel

Die Profiteure des Niedergangs von staatlichem Handeln sinnen darauf, alle, die nur das Aroma eines Sinneswandels verbreiten, so schnell wie möglich aus dem Amt zu jagen und durch neue, willfährige Figuren zu ersetzen.

Dass die Propaganda wirkt, ist täglich zu sehen. Rettungspakete für bereits, das sollte nicht vergessen werden, geschredderte Staaten im Süden Europas stellen den Versuch dar, das Schlimmste an Erosion zu verhindern. Und prompt jodeln die geistigen Zöglinge des Wirtschaftsliberalismus bereits die Weise von den faulen Hallodris im Süden, die zudem korrupt und tückisch sind. Sie seien an Crash-Syndikate wie Nordbank, Cum-Ex-Akteure oder Wirecard erinnert. Sie sind das Übel, um das es geht.

Und noch ein kleiner Tipp: führen Sie bitte ein Journal über die Aufstände, die es dagegen bereits gibt. Sie nehmen zu und sie zeigen, dass der Bauch zuweilen präziser arbeitet als so mancher Kopf.


Quellen und Anmerkungen

[1] Abendzeitung (20.7.2020): Wirecard: Olaf Scholz muss viele Fragen beantworten. Auf https://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.bundesfinanzminister-wirecard-olaf-scholz-muss-viele-fragen-beantworten.07b1edb7-5c70-4b74-afe6-8cd227efe00e.html (abgerufen am 21.7.2020).

[2] Hauke Brunkhorst (Europa-Universität Flensburg): Die Legitimationskrise der Weltgesellschaft. Global Rule of Law, Global Constitutionalism und Weltstaatlichkeit. Auf https://www.academia.edu/23999989/Die_Legitimationskrise_der_Weltgesellschaft._Global_Rule_of_Law_Global_Constitutionalism_und_Weltstaatlichkeit  (abgerufen am 2020).


Leseempfehlung

Die Entscheidung – Kapitaldiktatur oder Souveränität der Mensche

Von Heinz Kruse und Gunther Sosna

Teil 1 – Der Verfall und die politische Krise des Westens

Teil 2 – Die Verfassung vom Volk als politischer Befreiungsschlag

Teil 3 – Die gewaltlose Massenbewegung und die politische Machtfrage

Teil 4 – Die politische Bürgerbewegung und Regionalkonferenzen als Ausgangspunkt echter Demokratie


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Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

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