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Geopolitik: Was wäre, wenn Joe Biden gewinnt?

Sollte Joe Biden US-Präsident werden, ist keine Änderung des geopolitischen Kurses zu erwarten. Die Konfrontation mit Russland wird weitergehen.

So, wie es momentan aussieht, haben die amerikanischen Demokraten durchaus eine realistische Chance, die Wahlen im Herbst zu gewinnen. Die Betonung liegt auf Chance, denn das US-amerikanische Wahlsystem ist immer für eine Überraschung gut. Und es kann, wie die Vergangenheit bereits gezeigt hat, durchaus geschehen, dass nicht die Partei den Präsidenten stellt, die die meisten Stimmen erhalten hat.

Der interpretatorische Fehlschlag Donald Trump

Lauscht man dem Grundrauschen in den deutschen Medien, wäre die Wahl Joe Bidens aus deutscher Sicht eine Art Erlösung. Der Tenor dieser Interpretation ist gut zu erklären. Selten haben sich die politischen Beobachter der Nachrichtenmagazine dermaßen geirrt wie bei der Wahl Donald Trumps.

Der interpretatorische Fehlschlag ist nicht vergessen. Zu erklären ist er hingegen relativ einfach. Man hatte sich auf die Aussagen der vor allem der von Demokraten dominierten Think Tanks verlassen, in denen man eifrig mittut. Eine wirkliche Analyse, warum die amerikanischen Wählerinnen und Wähler sich für die Option Trump entschieden haben, fand nie statt.

Anzeichen gab es genug, und die resultierten aus der wirtschaftsliberalistischen Politik der Demokraten wie der Republikaner. Die Verlierer dieser Programmatik versammelten sich hinter einer Protestikone gegen das politische Establishment. Dass sie sich damit schwer irrten, steht auf einem anderen Blatt.

Das große Schweigen

Trumps Politik gegenüber Europa und Deutschland hat zu großer Verwirrung geführt. Das Agieren unter einem amerikanischen Schutzschild ist Geschichte. Was hierzulande versäumt wurde, ist eine Debatte um einen eigenen, souveränen Umgang mit den Herausforderungen, die aus den Erschütterungen der bekannten globalen Ordnung entstanden sind.

So, wie die politischen Vertreter der Bundesrepublik auf der Weltbühne agieren, lässt sich schließen, dass eine Vorstellung von einer eigenständigen Interessen- und Bündnispolitik nicht existiert. Mehr Ja als Nein, so könnte man es resümieren, doch meistens Schweigen.

Einerseits wurde die Bundeswehr von einer Verteidigungs- zu einer Interventions-Armee umgebaut und bei allen möglichen Regime-Change-Aktionen der USA zumindest im Windschatten mitgemacht, wie zum Beispiel beim Hasardspiel um die Ukraine, andererseits existiert großes Unbehagen, wenn eigene Interessen, wie jüngst bei den Drohgebärden bei der Ostsee-Pipeline North Stream II zu sehen. Nach der offenen Drohung gegen den Hafen Sassnitz sind wir Zeugen verwunderten regierungsseitigen Schweigens.

Die Illusion Joe Biden

Nun, um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen, wird von eben diesen unsicheren Kantonisten der Weltanalyse die Illusion geschürt, sei Trump einmal Geschichte und Joe Biden käme ins Amt, sei die beklagte Bredouille nicht mehr existent. Das ist, vom Realitätsgehalt, eine ähnliche Illusion wie bei den Prognosen zugunsten von Hillary Clinton vor der letzten Wahl.

Zum einen hat sich an der Brzeziński-Doktrin, nämlich dass ein Bündnis oder auch nur eine halbwegs akzeptable Koexistenz zwischen Zentraleuropa und Russland die US-Vorherrschaft massiv gefährde, nichts geändert. Zum anderen ist trotz gegenteiliger mittlerweile vorliegender Evidenzen davon auszugehen, dass Biden russische Geheimdienste für den letzten Wahlsieg Trumps verantwortlich macht, dies weiterhin im Narrativ der Demokraten fortbesteht und eine weitere Konfrontation mit Russland gesucht werden wird. Würde Joe Biden US-Präsident, so kann als sicher gelten, geht die Mobilmachung gegen Russland weiter.

Betrachtet man das Gros der deutschen Parteien, die zur Disposition hinsichtlich zu übernehmender Regierungsverantwortung stehen, dann kann davon ausgegangen werden, dass einer weiter auf Konfrontation setzenden Politik mit Russland seitens eines Präsidenten Biden gefolgt werden wird. Wobei die größten Scharfmacher erst noch in den Startlöchern sitzen. In dieser Konstellation liegt das Brandgefährliche.

Russland und das lädierte Europa

Die Bundesrepublik verfügt über keine aus einer formulierten Strategie abgeleitete Sicherheits- und Bündnispolitik. Das hört sich vielleicht lapidar an, ist jedoch ein fatales Spiel mit dem Feuer. Und zudem ein Dokument mangelnder eigener Souveränität. Da hilft der Appell an Europa gar nichts. Denn dort sind die Positionen der einzelnen Länder sehr dezidiert beschrieben. Im Konfliktfall mit Russland wird ein Riss durch das bereits lädierte Europa gehen, der nicht mehr zu kitten sein wird.

Aus amerikanischer Sicht handelt es sich dabei um eine komfortable Situation, die auch einen Joe Biden nicht dazu veranlassen wird, die Welt durch ein neues Glas zu betrachten. Wie hieß es noch? Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.


Foto: Chris Hall (Unsplash.com)

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Eine Antwort auf „Geopolitik: Was wäre, wenn Joe Biden gewinnt?“

Jo Biden wird das vollenden, womit Donald Trump begonnen hat, den Untergang der USA besiegeln. Dieser Mann ist fast 80 Jahre und kann seine Demenz nicht mehr leugnen, eigentlich gehört er in ein Altenheim. (HINWEIS ADMIN: Zusatz gelöscht. Bitte vermeiden Sie Unterstellungen, durch Interpretation eines ungeklärten Sachverhalts.) Aber selbst die Korruptionsvorwürfe in der Ukraine, an denen auch sein Sohn maßgeblich beteiligt war, „sind vergessen“. Einfach nur gruselig sich vorzustellen, dass dieser alte, kranke Mann Präsident werden soll. Aber er ist auch der lebende Beweis für die krankhaften Auswüchse und den Zerfall einer Gesellschaft, die mittlerweile weltweit vorzufinden ist. Insofern ist es auch müßig irgendwelche Fortschritte in der Politik zu erwarten, geschweige denn einen gesellschaftlichen Wandel.

https://de.wikipedia.org/wiki/Joe_Biden#Vorwürfe_unangemessenen_Verhaltens

https://www.heise.de/tp/features/Biden-Gespraechsmitschnitte-an-ukrainische-Generalsanwaltschaft-weitergeleitet-4725569.html

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