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Philosophie

Kreativität: Mit- und Füreinander

Um die existenznotwendigen Bedürfnisse sowohl der eigenen als auch der uns umgebenden Wirklichkeit befriedigen und das Sein bewahren zu können, haben Menschen sowohl das Recht als auch die Pflicht, kreativ zu sein.

Aus der einsamen Unendlichkeit wird die Menschheit durch kreatives Mit- und Füreinander zu einem immer umfangreicheren Bewusstsein geführt.

Kreativität

Zufall ganz leise
schimmernd im Raum
mitten im Zwielicht
des Lebens

allgegenwärtig
erahnen wir kaum
die uralte Kreuzung
unseres Strebens

jeder muss täglich
die Fragen
nach nehmen und geben
und Antwort
ertragen

sind sie am Ende vergebens

auf zu den Früchten
sucht unsre Hand
neidisch und mild
nie alleine
wirft schnell der Zufall
um uns ein Band
Umarmung und Tränen
sind fühlbar das Seine

verneinen und wärmen
und streicheln und streiten
beklagen und schwärmen
darf Zufall bereiten

Leben und Tod im Vereine

und greifbar nur kaum
sind Nehmen und Geben
unendliche Grenzendes Strebens
doch mitten im Raum
ist Hoffnungendloses Sehnen
des Lebens

Leben fürs Leben
den Zufall benennen
und leben im Leben
liebkosen und trennen
gewollt auch
nichts ist vergebens

An alle Menschen

Die biotischen, psychischen und sozialen Wesenseigenschaften der Menschen befähigen sie zur Kreativität. Die Möglichkeit, kreativ sein zu können, unterscheidet die Spezies von allen anderen Erscheinungsformen der Wirklichkeit.

Menschen müssen, um existieren zu können, spielen, lernen und arbeiten, denken, sprechen und bewusst wirken. Darum haben sie die Menschenpflicht, kreativ zu sein. Unsere Bestimmung, auf die uns unser Lebenswille orientiert, ist es, bewusst Vervollkommnung und Schönheit erstrebend, die sich zufallsnotwendig ereignende, natürliche Wirklichkeit in unserer vernünftig gestalteten, kulturellen Wirklichkeit aufzuheben und das Sein in seiner Ganzheit vor dem Verfall zu bewahren.

Darum müssen wir Menschen uns all die Menschenrechte zugestehen durch deren Inanspruchnahme wir immer besser zu kreativem Wirken befähigt werden und so unsere wesenseigenen Bedürfnisse befriedigen, also unsere Menschenpflichten erfüllen können.

Kultur, Kunst, Wissenschaft, Technik, Wirtschaft, Landwirtschaft, Politik – die Gesamtheit unserer Bewegungs- und Betätigungsfelder sind Spielräume menschlicher Kreativität.

Um die Existenzformen und die Bewegungsgesetze der Wirklichkeit begreifen, die existenznotwendigen Bedürfnisse sowohl der eigenen als auch der uns umgebenden und durchdringenden Wirklichkeit befriedigen und, aus dem unendlichen Potenzial allumfassender Wahrheit schöpfend, das in unserem Bewusstsein reflektierte, sich raumzeitlich bewegende Sein bewahren zu können, haben wir Menschen sowohl das Recht als auch die Pflicht, kreativ zu sein.

Wirkung und Entfaltung

Gesetzt, Kreativität wird als das den Menschen in seiner spezifischen Einzigartigkeit ausmachende Ensemble von Fähigkeiten erklärt, so war diese mit eben diesem Inhalt gesehen bisher für den Menschen entwicklungsnotwendig. So ist Kreativität selbstverständlich auch notwendiges Basiskriterium für die Zukunft und notwendige Existenzbedingung der gegenwärtigen Weltgesellschaft.

Nur durch kreatives Wirken können es sich sowohl die konkret einzelnen Menschen als auch die menschliche Gesellschaft als Ganzheit ermöglichen, ihr kreatives Potential zu entfalten.

Atmend, essend, sich fortpflanzend, kommunizierend, denkend, machend, spielend, lernend, arbeitend, liebend, hoffend, glaubend, begreifend, befriedigend, bewahrend bewegen wir uns zwischen Last und Lust von der befruchteten Eizelle bis zur Denaturierung der unser Leben bedingenden Eiweiße.

Wille und Handlung

Unser Menschenleben ist ein ewiges untersuchen und beeinflussen der Wirklichkeit sowie suchen nach und begreifen von Wahrheiten. Solange wir leben versuchen wir, unsere Existenz zu verlängern und die uns gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen, um uns freudig plagend unser Dasein zu genießen. So wird ein jeder Mensch von einem Mutanten zu einer Persönlichkeit, so nehmen wir alle unsere eigene Gestalt an. Für sich allein kann ein einzelnes menschliches Wesen das nicht bewältigen, wir alle brauchen Hilfe, Anleitung, Freundschaft und Liebe.

Phylogenetisch bestimmte Merkmale wie der aufrechte Gang, frei verwendbare Hände, merk- und assoziationsfähiges Großhirn, Sensibilität und Motorik, Selbst- und Arterhaltungstrieb, zur Lautbildung befähigter Kehlkopf und viele andere, ermöglichen uns Menschen zu denken, zu sprechen und erkennend zu reflektieren, Aktivitäten zu koordinieren, kameradschaftlich zusammenzuwirken oder uns konfrontativ auseinanderzusetzen – und vieles mehr.

Auch kreativ sein zu wollen, ist uns durch unsere bio-psycho-sozialen Wesensmerkmale gegeben. Der urwüchsige Willensakt zum kreativen Handeln könnte auch synonym als “Schöpfungswonne” bezeichnet werden.

Vernunft und Verstand

Zielorientiertes, problemlösendes, bewusstes Denken und dementsprechendes Handeln ist kreativ. Das gilt für die täglichen Unternehmungen des Lebens wie für außergewöhnliche Leistungen. Doch unerhörte, ja unmenschliche gesellschaftliche Zustände und Erscheinungen wie soziale Ausgrenzung, kriegerische Auseinandersetzungen, mangelnde Möglichkeiten für Kranke und Behinderte oder durch solche Zustände begünstigte menschliche Regungen wie sorglose Gleichgültigkeit, in Kriminalität geleitete Triebhaftigkeit oder brutale Gewalttätigkeit, können Kreativität in zerstörerische Bahnen leiten.

Der Mensch existiert materiell inkarniert, objektiv real und bewegt sich in Raum und Zeit. Der seiner Bestimmung gerechte Sinn des menschlichen Seins ergibt sich aus seiner objektiv gegebenen Existenz als biotisch, psychisch und sozial veranlagtes Wesen, das jedoch erst im Laufe seines Lebens mit subjektiv erworbenem und zu Vernünftigkeit, Verstand und eigenem Willen führendem Erfahrungsschatz ausgestattet wird. Das relativiert, absolut gerecht sein zu können.

Gerechtigkeit muss erwogen, gewertet und gesucht werden. Menschliches Tun kann immer nur – mehr oder weniger – zwischen bewahren, erheben, verändern und das Zerstören beenden liegend, gerecht sein.


Foto: Amir Geshani (Unsplash.com)

Lehrer, Philosoph und Autor

Frank Nöthlich (Jahrgang 1951) wurde in Neustadt/Orla (Thüringen) geboren. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und sechs Enkelkinder. Er studierte Biologie, Chemie, Pädagogik, Psychologie und Philosophie von 1970 bis 1974 in Mühlhausen. Nach dem Studium war er an verschiedenen Bildungseinrichtungen als Lehrer tätig. Von 1985 bis 1990 war er Sekretär der URANIA-Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse. Später arbeitete er als Pharmaberater und ist heute Rentner und Buchautor (www.briefe-zum-mensch-sein.de). Er sagt von sich selbst, dass er als Suchender 1991 in der Weltbruderkette der Freimaurer einen Hort gemeinsamen Suchens nach Menschenliebe und brüderlicher Harmonie gefunden hat.

Von Frank Nöthlich

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