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Aufruf: Das Land, in dem ich leben möchte

Wie schon Max Herrmann-Neiße Anfang der 1930er-Jahre stellen sich die Initiatoren der Plattform Futur II in diesen Zeiten der Unklarheiten und Ungewissheiten die Frage, wie die Zukunft gestaltet werden kann – und Sie alle sind eingeladen, sich einzubringen, um Antworten zu finden.

1932 schrieb Max Herrmann-Neiße die Glosse “Das Land, in dem ich leben möchte”. Darin skizzierte der Lyriker “ein friedliches Land”, das jedem seiner Bewohner ein “auskömmliches Dasein verbürgt” und das mit jeder anderen Nation “gut Freund ist”.

Plattform Futur II

Das kurze Schriftgut, im Umfang kaum eine halbe DIN-A4-Seite, ist die Beschreibung eines idealtypischen Landes. In diesem gibt es keine Ausgrenzung, keinen Rassismus und keine “bewaffnete Macht”.

Im Jahr 2020 und unter dem Eindruck unzähliger, meist ungelöster Krisen stellen sich die Initiatoren der Plattform Futur II ebenfalls die Frage, wie die Zukunft gestaltet werden kann – und Sie alle sind eingeladen, sich ebenfalls einzubringen, um Antworten zu finden.

Wie wird eine andere (bessere) Welt 2030, 2040 oder 2050 aussehen? Was wird passiert gewesen sein, damit sie so werden konnte, sodass jeder in ihr gerne lebt?

Es ist eine schwierige Aufgabe, die vor Ihnen liegt. Doch jeder Gedanke und jede Idee ist wichtig. Die Zukunft zu beschreiben und den Weg dorthin darzustellen, ist eine Herausforderung. Versuchen Sie es! Machen Sie mit, bringen Sie sich in Futur II ein und folgen Sie dem Aufruf!


Das Land, in dem ich gerne leben möchte. Ein Aufruf. (Quelle: Gerhard Mersmann/YouTube)

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Eine mutige Schrift

Die von Max Herrmann-Neiße vorgestellte Vision wird getragen durch ein humanistisches Weltbild: es verachtet die Gewalt und betont die Rolle von Kunst und Kultur.

“Das Land, in dem ich gern leben möchte” war – wird der historische Zusammenhang beachtet – eine sehr mutige Schrift, entstanden kurz vor der Machtergreifung der Unmenschen. Sie ist allen zu empfehlen, die sich ein besseres Land nicht nur vorstellen können, sondern sich aktiv dafür einsetzen, damit diese Vorstellung zur Realität wird.


Das Land, in dem ich leben möchte

Erschien am 20. Mai 1932 in der “Literarischen Welt” (8. Jahrgang, Nr. 21).

Das Land, in dem ich leben möchte. Ein Essay von Max Hermann-Neiße (Foto: Max Glauer; gemeinfrei)
Max Hermann-Neiße (Foto: Max Glauer; gemeinfrei)

“Das Land, in dem ich gern leben möchte, müßte ein friedliches sein, das jedem seiner Bewohner ein auskömmliches Dasein verbürgt und mit jeder anderen Nation gut Freund ist.

Es hat kein Militär, keine bewaffnete Macht, keine Zuchthäuser, übt keinen Arbeits- und keinen Gebärzwang aus, kennt keine Todesstrafe, gewährt unbedingte Rede- und Schreibfreiheit, stellt das Sexuelle nicht unter moralische Gesetze. Da darf jeder nach Belieben tun und lassen, soweit er nicht seinen Mitmenschen dadurch schädigt, da herrscht niemand und wird niemand beherrscht, gibt es keine Hast, keine Rekordjagd, keine Raffgier, keinen Puritanismus, keinen Rassen- oder Grenzpfahlwahn, keine Nivellierung zur nach rechts oder links ausgerichteten Kasernenhofherde, keine Mechanisierung, keinen Kulturabbau, da gilt die Kunst noch etwas, die Humanität, der Geist, die Persönlichkeit, das Herz, die Seele, der Mensch an sich.

Es schwebt mir etwas vor wie ein Paris, das in Schlesien gelegen wäre, mit Wesenszügen von München, von Hamburg, von Prag, von holländischer Gepflegtheit, mit Meeres- und Gebirgsnähe, mit dem hohen Niveau der Bühnenleistung, wie es heut wohl nur in Deutschland aufweist, mit reizvollen Frauen jeder Art und Kulör, mit Pilsner und Porter Bier, französischem Cognak, Schwarzwälder Kirschwasser, Prager Schinken, österreichischem Schnitzel, bayrischen Würsten und schlesischem Wildpret.

Ein Land, das in allem der äußerste Gegensatz der Barbarei ist, ich muß wohl besser sagen: wäre – dürfte es, wie die Dinge gegenwärtig liegen, sich doch offenkundig um ein hundertprozentig utopisches Märchenland, das überspannte Nirgendheim eines unzeitgemäßen, in jedem Lager unbeliebten und unbrauchbaren Schwärmers, halt eines Dichters handeln.”


Quellen und Anmerkungen

(1) Max Herrmann-Neiße, auch Herrmann-Neisse, (1886-1941) war ein Lyriker und Schriftsteller. Er studierte in Breslau und München von 1905 bis 1909 Literatur- und Kunstgeschichte. Herrmann-Neisse kam mit der Münchner Bohème in Kontakt und brach in der Folge das Studium ab, um Schriftsteller zu werden. Erste Erfolge stellten sich 1911 ein und machten ihn als Autor bekannt.

Während des Ersten Weltkriegs ging er nach Berlin und unterhielt Kontakte zu sozialistischen und anarchistischen Kreisen. In den 1920er Jahren gehörte er zu den bekanntesten Literaten in Stadt. Nach dem Reichstagsbrand 1933 verließ Herrmann-Neiße mit seiner Frau Deutschland. Über die Schweiz, die Niederlande und Frankreich erreichten sie Großbritannien. In London ließen sie sich im September 1933 nieder.

Zusammen mit Lion Feuchtwanger, Ernst Toller und Rudolf Olden gründete Max Herrmann-Neiße 1934 den “Deutscher PEN-Club im Exil”. Der Versuch, die englische Staatsbürgerschaft zu erlangen, blieb erfolglos. Der Band Letzte Gedichte wurde posthum von seiner Frau Leni veröffentlicht.


Foto: Toa Heftiba (Unsplash.com) und Max Glauer (Gemeinfrei)

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

2 Antworten auf „Aufruf: Das Land, in dem ich leben möchte“

1. Gesetzliche Sozialversicherungen ohne Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenze für ALLE.

2. EU-weit: Finanztransaktionssteuer, Maschinensteuer, einheitliche Besteuerung von Konzerngewinnen, Vermögens- und Erbschaftssteuer

3. Rückverstaatlichung zentraler Branchen wie Medizin/Pflege und ÖPNV

4. Keine Ausnahmen beim Mindestlohn.

5. Keine Duldung von sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnissen.

6. Transparenz über Produktionsbedingungen auf jedem Produkt.

Eigentlich ein perfektes “science-fiction”-Land, das Max Herrmann-Neiße da beschrieb, mit dem kleinen Ausrutscher vielleicht, “keine Mechanisierung”, wozu er vermutlich auch die seinerzeit weitgehend unbekannten Computer, KI und das Internet gerechnet hätte? Er hat sich aus allen Ländern das (aus seiner Sicht) Beste herausgepflückt aus all den lokalen Kompromissen des Lebens zu diesem schwierigen Zeitpunkt der Zwischenkriegszeit (zwischen WW1 und WW2) der europäischen Geschichte. Ein Traumland, das bei allem Charme der Idee, leider nicht funktionieren würde, damals nicht und heute nicht…

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