Medizinisch-hygienische Maßnahmen, wie sie derzeit notverordnet werden, sind nichts Neues; sie sind antidemokratisch und haben faschistische Vorbilder. Statt alle denkbaren medizinischen Anstrengungen zu unternehmen, um Patienten mit einer Covid-19-Erkrankung zu heilen, werden von Seiten der Regierungen in Bund und Ländern Maßnahmen notverordnet, die angeblich die Bekämpfung der Infektion durch das Corona-Virus bezwecken. Die Art des staatlichen Vorgehens zur Ausrottung des Virus erinnert an die Rolle der totalitären Medizin-Fundamentalisten des ärztlichen Standes im Nazifaschismus. Über sie – die “Nazi doctors” – hat Robert Jay Lifton (1) geforscht und eine umfassende Studie vorgelegt, deren Quintessenz Rudolph Bauer in seinem Beitrag zur Diskussion stellt.
The Nazi Doctors
Vier Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem (vorläufigen) Ende der Nazi-Diktatur veröffentlichte Robert Jay Lifton im Jahr 1986 die Studie “The Nazi Doctors – Medical Killing and the Psychology of Genozid” (2). In deutscher Übersetzung erschien Liftons Gesamtdarstellung der Rolle von Nazi-Medizinern zwei Jahre später unter dem eher harmlosen Titel “Ärzte im Dritten Reich” (Stuttgart: Klett-Cotta 1988) – ein Titel, der die bevölkerungs- und biopolitische Funktion von Medizinern und KZ-Ärzten beim Vollzug von Menschenversuchen, Euthanasie und Genozid ausblendet. Der Band wurde damals trotzdem, aber erwartungsgemäß kein Bestseller. Heute, mehr als dreißig Jahre später, könnte Liftons Studie endgültig zum verbotenen Buch des Jahres werden. Denn der Band enthüllt Zusammenhänge, die unter dem Vorzeichen der Corona-Epidemie seit März dieses Jahres erneut auf der Tagesordnung stehen.
Verzerren, verleugnen, vergessen
Dr. Robert Jay Lifton, Jahrgang 1926, ist Mediziner und war Professor für Psychiatrie und Psychologie an der City University, New York. Wie er im Vorwort der “Nazi Doctors” schreibt, besteht er darauf, “dass wir fähig sind, … aus dem Bösen der Vergangenheit zu lernen, nachdem wir es sorgfältig untersucht haben” (S. XIX). Obgleich diese Einstellung ehrenwert ist, übersieht Lifton, dass dem Lernen aus Forschungsresultaten, die aus einer sorgfältigen Untersuchung des Bösen in der Vergangenheit resultieren, eines vorausgeht: nämlich die Kenntnisnahme der Untersuchungsergebnisse selbst und die Bereitschaft, sie nicht zu verzerren, nicht zu verleugnen, nicht zu vergessen. Dies aber war bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Liftons Untersuchung der Fall.
Mit Blick auf die bundesrepublikanische Ärzteschaft der 1980er Jahre beklagte Lifton schon damals “die bewusste und unbewusste Verzerrung und Vertuschung der Ereignisse im Dritten Reich” (XI).
“Wenn uns die Ärzte im Dritten Reich irgendetwas zu lehren haben, dann, dass wir zu den Prinzipien des Heilens zurückkehren müssen”, schreibt Lifton im Vorwort zur deutschen Ausgabe seines Buches (XIV). Von solch einer Lehre aus der deutschen Geschichte kann zurzeit nicht die Rede sein. Zu heilen ist gegenwärtig nicht vorherrschender Grundsatz des Gesundheitswesens in der Bundesrepublik, sondern einen Virus zu bekämpfen. Dies erinnert an den Ton, den der Orientalist und Kulturphilosoph Paul de Lagarde (1827-1891) im 19. Jahrhundert angeschlagen hatte:
“Mit Trichinen und Bazillen wird nicht verhandelt, Trichinen und Bazillen werden auch nicht erzogen, sie werden so rasch und so gründlich wie möglich vernichtet.”
Die Vernichtungsfantasie, damals denunziatorisch gegen die Juden als “Fremde” und “Träger der Verwesung” ins Feld geführt (578), ist auch heute am Werk. Angesichts der einem fragwürdigen Test geschuldeten Infektionszahlen werden Maßnahmen befürwortet und ergriffen, die in der tödlichen Tradition des 19. und 20. Jahrhunderts stehen: Es wird der landesweite beziehungsweise regionale Ausnahmezustand erklärt; demokratische Grundrechte werden außer Kraft gesetzt; Quarantäne-Auflagen werden erteilt, Vorschriften zum Maskentragen erlassen, und beim Besuch von Gaststätten müssen Adresse und Telefonnummer hinterlassen werden – alles angeblich erforderlich, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu stoppen.
Lifton hat in seiner Ärzte-Studie die psychohistorischen Aspekte des Genozids im Nazi-Faschismus untersucht. Er hat hierfür Prozessprotokolle ausgewertet sowie Hunderte von Opfern, Tätern, Mitläufern und Widerständlern befragt. Aus den Forschungs- und Interview-Ergebnissen hat er bestimmte Grundprinzipien und Grundmuster der faschistischen Maßnahmen abgeleitet. Ferner machte er auf die Abfolge kollektiver Denk- und Handlungsweisen aufmerksam, wie sie uns auch heute begegnen. Lifton‘s Erklärungsmodell umfasst eine Reihe von Faktoren, deren aktuelle Wiederkehr uns erschreckt.
Zu den von Lifton aus der NS-Geschichte abgeleiteten Faktoren gehört die verstörende Vorstellung, dass eine Krankheit existiert, die das kollektive Gefühl auslöst, “physisch und psychisch von Tod überflutet zu werden” (562).
Auf vergleichbare Weise ist die gegenwärtige politische Atmosphäre bestimmt von einem schicksalhaften Todesangst-Schock, für den das “neuartige Virus” verantwortlich gemacht wird.
In der Bundesrepublik wurzelt die Vorstellung von der Totalität einer tödlichen Erkrankung in historischen Erfahrungen, die sich in Stichworten wie folgt zusammenfassen lassen: kollektive Verlust- und Todeserinnerungen durch den Ersten und Zweiten Weltkrieg; die erlösende “Wiedergutmachung” im Rahmen der EU, der Nato und zuletzt der Wiedervereinigung; der Fehlschlag der damit verbundenen Verheißungen “blühender Landschaften” angesichts der Banken- und Wirtschaftskrisen seit 2008 sowie verstörender Zerwürfnisse in der EU, im transatlantischen Verhältnis sowie zwischen Ost und West in der Bundesrepublik; schließlich die Hoffnung auf eine “Therapie” – hier und heute in Gestalt der Regierungsmaßnahmen gemäß dem Infektionsschutzgesetz.
Mobilisierung von biologischer und geistiger Gemeinschaft
Wie im Nazi-Faschismus werden biologische und geistige Gemeinschaftserfahrungen mobilisiert: biologische in Gestalt der angeblichen kollektiven Bedrohung durch die vom Virus ausgelöste und virologisch begründete “epidemische Lage von nationaler Tragweite”; geistige Gemeinschaftserfahrungen in Gestalt des Appells von Kanzlerin und Länderregierungschefs an das “Wir”, an “Verantwortung” und “Gemeinschaft”.
Der “medizinische Fundamentalismus” (592) trägt in Verbindung mit der bei der Bevölkerung implementierten “therapeutischen Vision” dazu bei, die deutlichen Anzeichen eines autoritären Polizeistaats und die erkennbaren Strukturen faschistischer Parallelen zu übersehen. Im absoluten Anspruch auf die unbedingte Wahrheit des “Gemeinsam schaffen wir es” werden prinzipiell sowohl andere fachliche Bewertungen der Infektionsgefahr – etwa durch Sucharit Bakhdi oder Wolfgang Wodarg – als auch alternative Lösungsvorschläge wie in Schweden kategorisch verworfen oder auf übelste Weise schlechtgeredet. Beispiel SPD-MdB Lauterbach: “Wodarg redet blanken Unsinn.”
“Totalitäre Ideologien betäuben die Angst vor dem Tod durch die Betonung der eigenen Unbesiegbarkeit und Allmächtigkeit.” (568)
Möglich ist dies durch spezifische massenpsychologische Manipulationen in Gestalt
- (1.) der vereinheitlichten Kommunikation (siehe die Berichterstattung und Kommentare in den etablierten Medien),
- (2.) einer kontinuierlichen Verhaltenskontrolle (siehe die polizeiliche Überwachung von Abstandhalten und Maskentragen im öffentlichen Raum und bei politischen Kundgebungen),
- (3.) eines Kults der “Reinheit” (Händewaschen, Desinfizieren), um niemanden anzustecken, auch sich selbst nicht,
- (4.) eines Kults des Geständnisses (jeder stellt eine Gefahr dar und gibt dies durch Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung kund) und der Unterwerfung durch angepasstes Verhalten,
- (5.) der Vergötterung von Wissenschaft (in Gestalt von Zahlen, statistischen Daten, R-Ziffern und “Experten”-Meinungen),
- (6.) der sprachlichen Prägung eingängiger Formeln (wie zum Beispiel A-H-A),
- (7.) des Vorrangs der Gefährlichkeitsdoktrin gegenüber dem Individuum und seinen Freiheitsrechten,
- (8.) der letztendlichen Verfügbarkeit über das Lebensrecht derjenigen, die sich den “höheren Prinzipien” widersetzen.
Als rettende “Therapie” zur Bekämpfung des “tödlichen Virus” gilt die Erfindung und kollektive Verabreichung eines neuen Impfstoffs. Bis dieser “auf dem Markt” angeboten wird, gilt allein schon die Möglichkeit der Infektion als Gefahr. Da grundsätzlich jeder Mensch infiziert sein kann, gilt jede/r auch als Gefährder/in. Angesichts der hier deutlich erkennbaren “Verschmutzungsphantasien” (583) erscheint es “reinigend” und medizinisch-hygienisch “wirksam” zu sein, einzelne Menschen oder Menschengruppen zu viktimisieren, das heißt, sie zu schuldigen Opfern zu machen und denunziatorisch auszugrenzen – notfalls mit Gewalt.
Viktimisierung und Ausgrenzung – heute wie damals
Wir erleben dieses Vorgehen gegenwärtig einerseits in Gestalt unverhältnismäßiger Polizeieinsätze gegen Demonstrierende, andererseits durch die denunziatorische Pauschal-Etikettierung der Demonstrierenden, beispielsweise als “Covidioten”, “Wirrköpfe”, “intellektuell Minderbemittelte”, “Virusleugner” (analog zu Holocaustleugner), “Rechte”, “Nazis”, “Esoteriker”, “Aluhüte” usw. Politik und Medien bezeichnen die Protestierenden als Paria und behandeln sie – einvernehmlich mit einem Großteil der deutschen Bevölkerung – wie Ausgestoßene.
Steht aber erst einmal ein Impfstoff zur Verfügung, dann zeigt sich eine weitere Variante der Corona-“Therapie”: die physische Gefährdung all jener, die sich freiwillig oder gezwungener Maßen impfen lassen. Denn zum einen birgt das verkürzte Zulassungsverfahren unabschätzbare Gesundheitsrisiken, die sich nicht unmittelbar, sondern gegebenenfalls erst viele Monate oder Jahre später auswirken. Zum anderen besteht die Befürchtung des Einsatzes von Impfstoffen, die Erbgutveränderungen bewirken können oder Nanotech-Partikel enthalten, wie sie von den Befürwortern transhumanistischer Projekte propagiert werden.
Der Einsatz solcher Impfseren erinnert an die faschistischen Menschenversuche, die von KZ-Ärzten vorgenommen wurden. Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Androhung von Freiheitsbeschränkungen für diejenigen Personen, die eine Impfung verweigern.
Die Viktimisierung jener Teile der Gesellschaft, die auf politischen Kundgebungen gegen die Coronapolitik protestieren und/oder geimpft zu werden ablehnen, ist das Ergebnis eines “reinigenden” Selektionsvorgangs. Dieser bezieht sich nicht nur auf politische Gegner und “Impfverweigerer”, sondern ebenso auf sogenannte “Risikogruppen” wie ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen. Gegenwärtig wird zwar noch der Eindruck erweckt, dass die “coronabedingten” Maßnahmen vor allem der schützenden Sorge um den letztgenannten Personenkreis geschuldet sei.
Das Schutz-Argument ist jedoch ambivalent. Begriffe wie “Schutzmann”, “Schutzpolizei”, “Schutzaufsicht”, “Schutzgewahrsam”, “Schutzhaft”, “Schutzwaffe” oder die “Schutztruppen” in kolonialen “Schutzgebieten” machen deutlich, dass das Wort nicht zuletzt den Schutz autoritärer Herrschafts- und totalitärer Machtverhältnisse meint.
Informationen zum Buch
The Nazi Doctors: Medical Killing and the Psychology of Genocide
Autor: Robert Jay Lifton
Genre: Psychologie
Sprache: Englisch
Seiten: 592
Veröffentlichung: 1986 (Neuauflage 2017)
Verlag: Basic Books
ISBN: 978-0-4650933-9-7

Über den Autor: Robert Jay Lifton (Jahrgang 1926) ist ein Psychiater und Autor aus den USA. International bekannt wurde er durch seine psychologischen Studien über die Ursachen und Folgen von Kriegen und politischer Gewalt.
Die gesellschaftliche Zerrissenheit in der Gegenwart hat zeitlich schon länger zurückliegende Ursachen. Sie ist das Ergebnis falscher politischer Entscheidungen, zum Beispiel in Sachen Migration, Kriege und Truppen im Ausland, Bankenrettung, Hartz-IV, Armut und Luxus, Bildungs- und Pflegenotstand, Privatisierung öffentlicher Leistungen der Daseinsvorsorge und so weiter. Die nicht erst jüngst sich vollziehende soziale Spaltung hat zur Folge, dass angesichts der massenhaft geschürten Infektionsangst eine kollektive Sehnsucht nach Normalität entstanden ist.
Dabei spielt es für die Mehrheit der Bevölkerung keine Rolle, welcher Art das Objekt ihres Sehnens ist, das vorgibt, die Verhältnisse zu transzendieren: Hauptsache Normalität bezeihungsweise “Neue Normalität”! Strukturell gemahnen die Corona-Maßnahmen und der “normale” Corona-Ausnahmezustand an die unmenschlichen Methoden und die tödliche Art des Vorgehens, wie im Faschismus der “Kampf um die arische Gesundheit und gegen die jüdische Infektion” (589) geführt wurde – ein Kampf, der in letzter Konsequenz den Genozid vorbereitet hat.
Die Stunde der Exekutive und der Fachidioten
Der ausgerufene Corona-Notstand scheinlegitimiert die antidemokratische Stunde der Exekutive und der medizinisch-hygienisch verbrämten Militarisierung. “Der weißgekleidete Arzt … (wird) zum biologischen Soldaten, ja zum biologischen General im Feldzug zur Tötung des Todes.” (593) Virologische, epidemiologische, pharmazeutische und medizinische Spezialisten erweisen sich als professionelle Elite, zu der sich Juristen, Militärs, Professoren und Lehrer gesellen. In Verbindung mit der Exekutive wirken sie bei dem Prozess mit, im Namen eines wissenschaftlich drapierten Mystizismus und Irrationalismus, der sich gegen die Vernunft stellt, zur atmosphärischen Vorbereitung sowie zur ideologischen Rationalisierung und pseudo-akademischen Untermauerung des autoritären Hygiene-Regimes beizutragen.
Was die Rolle der Ärzte betrifft und vor allem die Funktion des hochgradig spezialisierten medizinwissenschaftlichen Personals, etwa in Gestalt des höchst zweifelhaften Virologie-Popstars Christian Drosten, erinnert vieles an folgende Beschreibung der Nazi-Ärzte bei Robert Jay Lifton: “Als biologische Soldaten hatten sie allesamt an der Frontlinie des Kampfes zu stehen, der den Tod töten soll.” (583). Sie beteiligten sich “im Namen der Heilung des Volkes” an dessen Unterdrückung.
Die mit dem Corona-Regime verbundene Bevölkerungspolitik umzusetzen, ist Aufgabe der dazu verpflichteten Gesundheits- und Ordnungsbehörden sowie der mit aggressivem Korpsgeist ausgestatteten Polizei und des Militärs. Zunächst nur eingesetzt bei der Verfolgung von Infektionsketten, werden Angehörige des Militärs zu Vollzugsorganen des Kesseltreibens gegen das Virus, das heißt sowohl gegen die Infizierten als auch gegen die von Infizierung bedrohten Risikogruppen. Schließlich stehen sie auf Abruf zum Einsatz gegen die Kritiker des infektionsbegründeten Maßnahmen-Pakets.
Die zum Töten ausgebildeten Soldatinnen und Soldaten werden auf paradoxe Weise Teil der Drecksarbeit in den Lockdown- und Quarantäne-Stellungskriegen gegen den Tod und die Angst vor ihm.
Nicht zu vergessen die Rolle von Wohlfahrtsverbänden wie des Roten Kreuzes und des Arbeiter-Samariter-Bundes. Aufgrund gesetzlicher Verpflichtung leisten sie einen Beitrag zum Funktionieren der Infektionsschutz-Bürokratie.
Im Nachwort zu seiner Studie über die Nazi-Ärzte spricht Lifton über “die menschliche Verführbarkeit zum Bösen” (611): “Unter geeigneten Bedingungen kann schließlich so gut wie jeder dem kollektiven Aufruf zur totalen Ausrottung einer Gruppe von angeblichen Trägern eines ‘Todeskeims’ Folge leisten.” (614) Eine besondere Rolle spiele hierbei die Bürokratie, weil sie die “Ereignisse, an die man ohnehin kaum glauben mag” (603), als unwirklich erscheinen lässt. Das Bürokratische entschärfe das Barbarische.
Die medizinische und hygienische Bürokratie “dämpft die intellektuellen und emotionalen Obertöne, die … bei Tätern, Zuschauern und Opfern entstehen. Die Dämpfung der Sprache spielt dabei natürlich eine zentrale Rolle.” (603) Lifton verweist auf “Euphemismen” – damals “Umsiedlung”, “Deportation”, heute “Quarantäne”, “Schutzmaske” – und auf “Codewörter” – damals “Sonderbehandlung”, heute “Infektionsschutz” und “Lockdown”. Die Dämpfung der Sprache befördere und bestärke die vage Suggestion, dass man etwas Gutes tue.
Zwei Schlussbemerkungen
Lifton kommt in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass die Möglichkeit von Entwicklungen, wie sie in Deutschland zum faschistischen Genozid an Juden, Homosexuellen, Sinti und Roma geführt haben, universal und auch in anderen Ländern gegeben sei. Seine Studien über Hiroshima und Vietnam haben ihn in dieser Überzeugung bestärkt (siehe Death in Life: Survivors of Hiroshima, New York City 1968; Die Psychologie des Völkermordes: Atomkrieg und Holocaust, Stuttgart 1992). Das veranlasst zu zwei Schlussbemerkungen.
Erstens: Da sich die Corona/Covid-19- Epidemie global-pandemisch ausgebreitet hat, liegt es im intellektuellen Ermessen, dass die von Lifton im Zusammenhang der “Nazi-Ärzte” gefundenen Erkenntnisse auf ein menschenverachtendes Bedrohungspotenzial verweisen, dessen tödliche Auswirkungen sich nicht auf ein einzelnes Land beschränken. Vielmehr kann die Wiederkehr eines faschistischen Systems neuen Zuschnitts ebenso wie die Etablierung einer Hygiene-Diktatur gegenwärtig weltweite Dimensionen annehmen. Das verleiht den lokalen Corona-Protesten einerseits eine universalpolitische Bedeutung. Andererseits sind die Folgen im Einzelnen noch gar nicht auszudenken, wenn der Widerstand im Weltmaßstab scheitert.
Zweitens: Obgleich die faschistische Gefahr ein globales Ausmaß anzunehmen droht, verweist Lifton auf Gründe, um in Deutschland von einer spezifischen autoritär-faschistischen Prädestination auszugehen. Die Vorbestimmung der Deutschen zum totalitären Faschismus sei eine Folge “ihrer Tendenz zu Schuldgefühlen und Selbstverurteilungen, zur Zerrissenheit, zur Dopplung, zum faustischen Verhalten, zur Verpflichtung nach dem Muster des Alles-oder-Nichts, zum ideologischen Totalitarismus und zur todesschwangeren Sehnsucht nach Unsterblichkeit” (607). Zwar sei keine dieser Eigenschaften “ein Monopol der Deutschen” (ebd.). Dennoch dürfen wir Lifton wie folgt interpretieren:
Da die deutsche Politik in besonderer Weise zu antidemokratischen, autoritären und faschistischen ‘Lösungen’ neigt, liegt es aktuell vor allem an den politisch wachen Menschen in der Bevölkerung Deutschlands, entschlossen Widerstand zu leisten gegen die aktuelle Entwicklung des medizinfundamentalistischen und hygienediktatorischen Überwachungskapitalismus.
Quellen und Anmerkungen
(1) Robert Jay Lifton (Jahrgang 1926) ist ein Psychiater und Autor aus den USA. Lifton wurde durch seine psychologischen Studien über die Ursachen und Folgen von Kriegen und politischer Gewalt bekannt. Außerdem war er einer der frühesten Verfechter der Methoden der Psychohistorie. In seinem Buch Thought Reform and the Psychology of Totalism: A Study of “Brainwashing” in China (1961) beschreibt Lifton Methoden, die nach seiner Auffassung benutzt werden, um den Geist von Menschen ohne deren Einverständnis zu ändern. In seinen Werken Death in Life: Survivors of Atomic bombings of Hiroshima and Nagasaki (1968), Home from the War: Vietnam Veterans. Neither Victims nor Executioners (1973) und The Nazi Doctors: Medical Killing and the Psychology of Genocide (1986) fokussiert Robert Jay Lifton auf die mentalen Anpassungen, die bei den Überlebenden von Grausamkeiten sowie bei den Tätern geschehen. Lifton geht davon aus, dass die psychische Fragmentierung bei diesen Subjekten eine extreme Form der Pathologien sei, die auch in Friedenszeiten aufgrund des Drucks und der Ängste in modernen Gesellschaften vorkommen.
(2) Robert Jay Lifton: The Nazi Doctors: Medical Killing and the Psychology of Genocide (Basic Books, Inc., New York, 1986).
Foto: Rosie Kerr (Unsplash.com) und Basic Books (Buchcover)
Dr. Rudolph Bauer, geboren in Amberg/Oberpfalz, studierte in München, Erlangen, Frankfurt/M. und Konstanz unter anderem Politische Wissenschaft, Soziologie und Philosophie. Er war tätig als freiberuflicher Sozialforscher und anschließend Forschungsassistent und Vertetungsprofessor an der Universität Gießen. Von 1972 bis 2002 war er Professor für Wohlfahrtspolitik und Soziale Dienstleistungen an der Universität Bremen. Arbeitsaufenthalte führten Rudolph Bauer als Lektor an das Fremdspracheninstitut in Beijing (China) sowie als Fellow ans Institute for Policy Studies der Johns Hopkins University in Baltimore (USA). Er ist Autor und Herausgeber wissenschaftlicher Veröffentlichungen, Verfasser politischer Lyrik und Bildmontagen.
2 Antworten auf „Nazi Doctors: Über Medizin-Fundamentalisten“
Man kann jederzeit über die Maßnahmen der Regierung streiten, aber ihnen faschistische Vorbilder vorzuwerfen, geht in eine völlig falsche Richtung. Getroffene Entscheidungen zur Infektionseindämmung in einen kausalen Zusammenhang mit dem Holocaust zu bringen, stellt in meinen Augen einen Versuch dar, die Verschwörungstheoretiker zu legalisieren. Mit diesem Beitrag ist meiner Meinung nach der gute Geschmack und eine Diskussion im Sinne der Demokratie, über deren Nicht – Existenz man seit langer Zeit reden muss, fahrlässig verfehlt. Das ist üble Propaganda und eine fahrlässige Verdrehung der Tatsachen.
Guten Tag Herr Pahl,
ihr Kommentar enthält kein sachliches Argument, sondern führt lediglich das Endergebnis Ihrer im wesentlichen emotionalen Bewertung aus: “Falsche Richtung”, “Verschwörungstheoretiker legalisieren”, “guter Geschmack”, “fahrlässige Verdrehung der Tatsachen”.
Worin besteht denn z. B. letztere? Welchen Punkten im Artikel würden Sie den wie i n h a l t l i c h widersprechen?
Im Artikel werden Parallelen zwischen im genannten Buch dargestellten Untersuchungsergebnissen zur Entwicklung in der Nazi-Zeit und den heute zu beobachtenden Entwicklungen erläutert bzw. behauptet. Es werden also Schlüsse aus Beobachtungen gezogen.
Diesen Schlüssen oder auch schon den Beobachtungen könnte man mit entsprechenden Einwänden begegnen, es zumindest versuchen, wenn sie einem nicht zusagen.
Einfach nur “Geschmacklos!” und “Verschwörungstheorie!” zu rufen, ist selbst kein hilfreicher Diskussionsbeitrag.
Ich meinerseits habe das Buch nicht gelesen. Die Darstellung der Aussagen des Buches im Artikel erscheinen mir allerdings plausibel und insbesondere kann ich der Darstellung der heutigen Entwicklung anhand meiner eigenen Beobachtungen und Eindrücke nur beipflichten.
Wenn Sie dem sachlich etwas entgegenzusetzen haben, würde ich mich freuen, wenn Sie davon schrieben.