Was ist das Rote Wien? Was blieb davon im Gedächtnis haften und was verstehen politische Nachwuchskräfte darunter? Und vor allem, wie stellen sie sich ein neues rotes Wien vor? Über diese und andere Fragen und wie sich eine soziale Zukunft gestalten lässt, sprechen wir beim politischen Podcast Reiner Wein mit Paul Stich (Bundesvorsitzender Sozialistische Jugend Österreich) und Johannes Pfaundler-Spiegel (neuBasis).
Das Rote Wien | Ein Gespräch mit Paul Stich, dem Bundesvorsitzenden der Sozialistischen Jugend Österreich, und Johannes Pfaundler-Spiegel von neuBasis.
Das Rote Wien von 1919 bis 1934
Sollten Sie irgendwann Wien auf der Suche nach politischer Inspiration ansteuern, nehmen Sie sich einen Melange, setzen Sie sich gedanklich in eine Zeitmaschine und beamen Sie sich in die Vergangenheit: Sie landen im Sozialismus. Vor 100 Jahren war Österreichs Hauptstadt dichter an der Befreiung des Proletariats, als es Stalin, Lenin oder Trotzki jemals gewesen sind.
Zugegeben, die Behauptung ist gewagt und manch ein Historiker wird mit dem Kopf schütteln, aber die Dimension ist erfasst. Bürgertum und Arbeiterschaft hatten an den Wahlurnen der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschösterreichs (1) ab 1919 mehrfach die absolute Mehrheit an der Donau verschafft. Fanboys von Markt und Profit müssen jetzt tapfer sein: Wien war rot und sozialistisch.
Was sich geschichtlich genau abspielte, ist im Buch “Das Rote Wien” von Georg Spitaler, Ingo Zechner und Rob McFarland nachzulesen. Der sogenannte Februaraufstand beendete 1934 die sozialistische Utopie. Österreich erlebt den Austrofaschismus, den Anschluss ans Dritte Reich, die NS-Herrschaft, die Verbrechen der Herrenmenschen und den Zweiten Weltkrieg.
Auf die totale militärische Niederlage der Wehrmacht folgte eine zehnjährige Besatzungszeit. Der Staatsvertrag von Wien führt 1955 zur Wiederherstellung der souveränen und demokratischen Republik Österreich (2).
Und in der Gegenwart? Da fehlt es der Politik, die sich nicht nur in Österreich wie ein Ertrinkender an Wirtschaft und Kapital klammert, an Visionen. Die sind bei der Jugend zu finden, die ziemlich klare Vorstellungen davon hat, was eine soziale Gesellschaft der Zukunft ausmacht und welche Rolle neue Technik, Apps und Tools spielen, um Politik mit Leben zu füllen.
Über die Gäste

Johannes Pfaundler-Spiegel (Jahrgang 1996) studiert Biologie und ist Bundesvorstandsmitglied der neuBasis. Die neuBasis ist die Jugendorganisation des Bund sozialdemokratischer Akademikerinnen, Intellektuellen und Künstlerinnen (bsa.at). Die Organisation vereint alle Mitglieder des Verbands bis zum Alter von 35 Jahren unter sich. Zusammen mit nationalen und internationalen Kooperationspartnerinnen und -partnern arbeitet die neuBasis an Konzepten und Modellen für Politik und Gesellschaft nach den sozialdemokratischen Idealen: Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit und Solidarität. Johannes Pfaundler-Spiegel engagiert sich im Rahmen seines politischen Mitwirkens an gesellschaftspolitischen Innovationen in den Bereichen Partizipationsprozesse, Umwelt, Forschung und Technologie.

Paul Stich (Jahrgang 1998) ist seit Februar 2020 Bundesvorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreich (www.sjoe.at). Vorher war er Politischer Sekretär der SJ. Nach der Wien Wahl im Oktober 2020 wurde er Bezirksrat in Wien-Floridsdorf. In der Coronakrise forderte Stich eine staatliche Kontrolle und Kollektivierung der Impfstoff-Formel sowie ein Dividendenverbot und eine Demokratisierung der Wirtschaft. Im Zusammenhang mit den unhaltbaren Zuständen im Flüchtlingslager Moria erinnerte Stich an die Bereitschaft von Städten und Gemeinden, Menschen aufzunehmen, um sie “aus der Hölle auf Erden zu retten“.
Quellen und Anmerkungen
(1) Die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) ist eine der ältesten bestehenden Parteien Österreichs. Als Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) 1889 in Hainfeld (Niederösterreich) gegründet, hieß sie von 1918 bis 1934 Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschösterreichs (SDAP). Die SDAP war während des Austrofaschismus und der NS-Diktatur verboten. Von 1945 bis 1991 war der Parteiname Sozialistische Partei Österreichs.
(2) Der Österreichische Staatsvertrag (Kurztitel: Staatsvertrag von Wien), dessen Gegenstand die Wiederherstellung der souveränen und demokratischen Republik Österreich ist, wurde am 15. Mai 1955 in Wien von Vertretern der alliierten Besatzungsmächte USA, Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien sowie der österreichischen Bundesregierung unterzeichnet. Der Vertrag trat am 27. Juli 1955 offiziell in Kraft.
Fotos und Audio: Ed Leszczynskl (Unsplash.com), Sozialistische Jugend Österreich (Paul Stich), Privat (Johannes Pfaundler-Spiegel) und Reiner Wein
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