Auf manche, die unsere Tage bereichern, ist Verlass. Fritze Merz blieb gestern seiner Devise treu. Nachdem Armin Laschet zum CDU-Bundesvorsitzenden gewählt wurde, was er seinem Gespür für das Verlorengegangene verdankte, in dem er ansprach, was vielen auf der Seele brennt, nämlich das Vertrauen in die Politik, klotzte der Retro-Star aus dem Sauerland gleich los und forderte die gegenwärtige Bundesregierung auf, den Dicken aus dem Saarland in die Wüste zu schicken und ihn wenigsten stante pede zum Wirtschaftsminister zu machen.
Wo Chuzpe und Egomanie anzutreffen sind, da ist Fritze nicht fern. Mal sehen, in welcher Funktion er noch seinen Unterhaltungswert wird dokumentieren können.
Aber wenn schon einmal losgelegt wird, dann ist der ausgebildete Jurist und Chef-Diplomat nicht fern. Auch er hat seit langem Twitter als Trigger für die vorherrschende Aufmerksamkeit entdeckt und regte dort an, Geimpften als ersten den Zugang zu Restaurants und Kinos zu gewähren.
Der kleine Napoleon und das Röslein
Einmal abgesehen von dem Zweifel, der vorherrscht, dass es diese Institutionen noch in ausreichendem Maße geben wird, wenn die Ultima Ratio des Lockdowns noch lange anhält, redet der Mann, der eigentlich für das Äußere zuständig ist, von einer weiteren Demolierung der Grundrechte. Darin allerdings ist er geübt, denn seine Bitte an Facebook, doch selbst zu zensieren, wurde nun, nach der Sperrung von Donald Trumps Twitter-Account, durch seine Kanzlerin von einer rechtsstaatlichen Position ins rechte Licht gerückt. Denn ein zurecht existierendes Staatsmonopol sollte nicht an Private verhökert werden.
Kürzlich attestierte jemand dem Mann einen Napoleon-Komplex. Nur einen Code civil hat er wohl nicht begriffen. Wird er auch nicht, und seine Partei wird sich nach der nächsten Bundestagswahl die Wunden lecken müssen, denn derartige Eskapaden garantieren einen weiteren Absturz.
Und wenn sich schon alle auf der Wiese tummeln, dann darf das Röslein nicht fehlen. Die EU-Kommissionspräsidentin griff die brillante Idee des Außenministers auf und entwarf, ganz im Sinne einer Mega-Bürokratie, die Notwendigkeit eines EU-Impfzertifikats, das imperiumweit als Voraussetzung für jeglichen Reisewunsch Vorbedingung sein müsse. Da können sich die geplagten Bürgerinnen und Bürger dieses Areals nur wünschen, dass sich die üblichen Delinquenten der Gemeinschaft mit dieser Sottise den Allerwertesten abwischen werden.
Es bleibt dabei, vieles von dem, was aus diesem Hause kommt, erinnert doch sehr an die letzten Tage des untergegangenen Imperiums westlich und östlich des Urals.
Imprägnierte Politik
Die Argumente, die gegen die Äußerungen der genannten Politiker stehen, sind täglich und überall zu lesen. Aber es führt ja zu nichts. Wobei wir wieder bei Armin Laschet wären. Anscheinend ist es seine Familiengeschichte, die ihn davor bewahrt, nicht zu merken, was im Gange ist.
Während auf der einen Seite Aufmerksamkeit erregen wollende Geschwätzigkeit vorherrscht, wenden sich viele Menschen ab von einem Stück, das, um den wunderbaren Satz aus dem 18. Brumaire des Louis Bonaparte noch einmal zu zitieren, als Tragödie begann und wohl als Farce enden wird (1).
Denn das höchste Gut einer Gesellschaft, die lebens- und handlungsfähig sein will, ohne im Szenario von Zeter und Mordio zu versinken, ist das Vertrauen. Und wenn das geschwunden ist, dann wird es ungemütlich. Es scheint, als seien allzu viele aus dem Berufsstand gegen diese Erkenntnis zuverlässig imprägniert.
Quellen und Anmerkungen

(1) Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte ist eine im Mai 1852 veröffentlichte Schrift von Karl Marx (1818–1883). Marx analysiert die Februarrevolution 1848 und den Verlauf des Staatsstreichs Louis Napoleons (1808–1873) in Frankreich 1851. Es ist ein Versuch von Marx, diese Ereignisse als Klassenkämpfe zu durchschauen und Handlungsmöglichkeiten abzuleiten, um sich einer nach seinen philosophischen Theorien gerechteren, klassenlosen Gesellschaft anzunähern.
Foto: Mitchell Trotter (Unsplash.com)
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Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.