Bei denen, die sich im Metier der Arbeit auskennen, gilt ein geflügeltes Wort: “Wer arbeitet, macht Fehler. Wer viel arbeitet, macht öfters Fehler. Und wer keine Fehler macht, ist ein fauler Sack.” Es handelt sich um eine einfache Wahrheit, die vielen, die sich lediglich mit der Frage beschäftigen, dass sie selbst keine Fehler begehen, sich in ihrem Sinn nicht erschließt.
Wer unter Arbeit versteht, keine Fehler machen zu wollen oder Fehler zu vermeiden sucht, hat den Stoffwechsel der Gestaltung nicht begriffen. Leider hat man den Eindruck, dass sich genau diese Version einer Vorstellung von Arbeit flächendeckend breit gemacht hat.
Ursprung für diesen Fehlschluss ist die schon mehrfach angesprochene Schimäre von der eigenen Unfehlbarkeit und dem Wonnebad in der eigenen Überlegenheit. Wer sich ständig in der Vorstellung badet, das Beste zu sein, was unter der Sonne existiert, darf sich nicht wundern, wenn einiges schief läuft. Denn es ist existenziell unmöglich, keine Fehler zu machen. Wer das kognitiv ausschließt, kann es sich und den anderen, die das eigene Treiben beobachten, nicht zugestehen, dass einem doch Fehler unterlaufen.
Ursache und Konsequenz
Die logische Konsequenz ist die verzweifelte Suche nach Erklärungen, wenn das reklamierte erstklassige Handeln sich als gar nicht so exzellent erweist. Dann, so viel ist sicher, müssen es immer andere gewesen sein, die dafür verantwortlich zeichnen. Wenn noch hinzukommt, dass die Stimmen, die normalerweise dazu da sind, das Handeln kritisch zu beäugen, nicht mehr da sind, wird es heikel.
In den politischen Systemen der westlichen Demokratien kommt diese Aufgabe der Opposition zu. Große Koalitionen, die gedacht sind als eine Notlösung im Regierungsalltag, bergen diese Tendenzen in sich. So ist es kein Wunder, dass ein Land, in dem diese Sonderform der Regierungsbildung zum Standard geworden ist, genau in diese Falle läuft. Große Koalitionen minimieren die kritische Masse der regulierenden Opposition und führen zu einem Erlahmen des politischen Diskurses.
Dass sich in einer solchen Situation Stimmen erheben, die außerhalb des parlamentarischen Gefüges entstehen und auch noch Attraktivität gewinnen, weil keine nennenswerte politische Opposition vorhanden ist, liegt auf der Hand. Und wenn dann die Großkoalitionäre die Strategie entwickeln, jede Form der Opposition auszugrenzen und zu diskreditieren, ist die Folge eine vehemente Abwendung einer sich stetig vergrößernden Masse von den normativ und selbst gefühlt alternativlos Regierenden – es ist eine logische Konsequenz.
Versagen als Fehler der anderen
Sieht man sich die Berichterstattung von auch als kritischen Faktor gedachten, aber zu Hofberichterstattern degenerierten Organen an, so ist das Debakel perfekt. Denn während der Dekaden dauernden Großen Koalitionen wurden natürlich Fehler gemacht, die aus der Eigenwahrnehmung gar keine sein konnten – und sie stießen und stoßen auf. Da ist es nicht damit getan, die Wenigen, denen das auffällt und die tatsächlich viele sind, als Ursache für die Malaise darzustellen. Schön gedacht, aber so funktioniert es nicht.
Bei jeder Panne, bei jeder Fehlkalkulation, bei jeder Entgleisung werden nur noch Sündenböcke, Irregeleitete, Missverstehende oder Scharlatane gesucht, denen man das eigene Versagen anlasten kann.
Das sind dann, bleiben wir nüchtern bei der Betrachtung des Metiers der Arbeit, die Zeiten, in denen man sich in einer Organisation Gedanken darüber machen muss, ob es nicht besser ist, sich von den tatsächlich Verblendeten zu trennen. Denn wer Fehler macht und dieses leugnet, indem er mit dem Finger auf andere zeigt, der ist schlecht für das Klima. In jeder, auch in komplexer Hinsicht.
Foto: Markus Spiske (Unsplash.com)
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Aufruf: Das Land, in dem ich leben möchte
Wie schon Max Herrmann-Neiße Anfang der 1930er-Jahre stellen sich die Initiatoren der Plattform Futur II in diesen Zeiten der Unklarheiten und Ungewissheiten die Frage, wie die Zukunft gestaltet werden kann – und Sie alle sind eingeladen, sich einzubringen, um Antworten zu finden.
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
Eine Antwort auf „Gestaltung, Fehler und Versagen“
Ihren Gedanken, Gerhard Mersmann, kann der Mensch, der Mensch mit Lebenserfahrung besonders, nur zustimmen. Ich selbst muss bekennen, dass das ich an Fehlern Anderer viel gelernt habe, an den eigenen am Meisten!
Im letzten Jahr scheint ihre These “Gestaltung, Fehler und Versagen” nicht auf das Arbeiten beschränkt, sondern schon auf das Denken! Das ist fatal, denn “Jedes Sehen ist perspektivisches Sehen” und jedes Denken basiert auf dem individuellen Wissen. Bis zur “Wahrheitsfindung” braucht es viele Denker. Und… der Prozess wird niemals abgeschlossen sein.