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Podcast Reiner Wein

Russland und der Westen: Das gegenseitige Unverständnis

Das Verhältnis zwischen Russland, dem Westen insgesamt und der Europäischen Union speziell ist beschädigt. Gründe scheint es genug zu geben, aber alles hat eine Vorgeschichte. Das Ende des Kalten Krieges markierte praktisch den Beginn einer neuen Auseinandersetzung. Die Unvereinbarkeit der Machtinteressen lässt immer weniger Raum für diplomatische Lösungen.

Russland und die Beziehungen zur Europäischen Union und die Rolle Österreichs auf dem diplomatischen Parkett sind das Thema bei Reiner Wein, dem Podcast aus Wien. Gast der Sendung ist Gerhard Mangott, Politikwissenschafter und Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck. Er ist spezialisiert auf Sicherheitsfragen in der Region der ehemaligen Sowjetunion.

Mangott erkennt ein anhaltendes Unverständnis, welches sich Russland und der Westen entgegenbringen. Er führt dies auf die Entwicklungen der letzten 30 Jahre zurück: Hoffnungen wurden beiderseits enttäuscht.

Zwar habe Russland unter Wladimir Putin die Annäherung an den Westen gesucht, doch sei dieses Unterfangen mehrfach zurückgewiesen worden. Die Regierung in Moskau musste feststellen, dass es bis heute kein Interesse gibt, Russland als gleichberechtigten Partner zu akzeptieren. Die Enttäuschung darüber geht weit über jene im Kreml hinaus: Die gesamte russische Elite um Präsident Putin teilt das Gefühl der Zurückweisung.


Nach der Diplomatie: Das Verhältnis der EU und Österreichs zu Russland

Reiner Wein, der politische Podcast aus Wien. Gast: Prof. Gerhard Mangott

www.reiner-wein.org


In die Regierungsjahre von Michael Gorbatschow fällt die Auflösung der UdSSR und das Ende des Kalten Krieges. Wie Gorbatschow später anmerkte, sei es ihm damals aber nicht gelungen, im Westen Verbündete zu finden, gemeinsam seine Ideen umzusetzen.

Russland, der Kalte Krieg und die Frage nach dem Sieger

Im Kalten Krieg war Wien Rückzugsraum für Agenten aus Ost und West, aber auch Treffpunkt von Politikern aus beiden Einflusszonen. Die 2019 gescheiterte Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ versuchte an die Tradition aus Diplomatie und Neutralität anzuknüpfen und eine Brückenfunktion zwischen der EU und Russland aufzubauen. Außenministerin Karin Kneissl tat sich dabei hervor.

Diese Bemühungen, die Österreich in eine bedeutende politische Rolle hätten bringen können, trafen bei den Partnern im Westen auf wenig Gegenliebe. Nach dem Scheitern der ÖVP/FPÖ-Regierung kehrte die neue Regierungskoalition aus ÖVP und Grünen ohne Not, aber nicht unerwartet auf eine Linie zurück, die die westlichen Positionen stärkt und Russland auf Abstand hält.


Reiner Wein Podcast: Russland und der Westen – gegenseitiges Unverständnis | Gast: Prof. Dr. Gerhard Mangott) | (Quelle: Idealism Prevails/YouTube)

Das Narrativ, welches Russland beziehungsweise der Westen seit den Zusammenbruch der Sowjetunion vertreten, könnte unterschiedlicher nicht sein. Während man sich im Osten seit der ‘Revolution’ gegen den Kommunismus als gleichberechtigter Sieger des Kalten Krieges fühlt, brüstet sich der Westen damit, die UdSSR niedergerüstet und die liberale Marktwirtschaft zum Sieg geführt zu haben.

Dieses Grundmissverständnis hält an und hat Gründe. Als Russland Anfang der 1990er-Jahre vor allem wirtschaftlich darniederlag, wurde die Vormachtstellung der USA widerwillig anerkannt. Die unter Wladimir Putin gestarteten Versuche, eine ‘Gleichbehandlung’ zu erreichen, fanden keinen Empfänger – stattdessen wurde die NATO in zwei Wellen gen Osten erweitert.

Georgien, die Ukraine und Syrien

Gerhard Mangott zählt weitere einseitige Maßnahmen des Westens gegen Russland auf, die das Zerwürfnis verstärkt haben. Die darauf folgende Neuausrichtung der russischen Außenpolitik führte zu militärischen Interventionen in Georgien, der Ukraine und Syrien.

Im Syrienkonflikt wird die Unvereinbarkeit der Machtinteressen erkennbar. Während für die Regierung in den USA feststeht, dass Bashar al-Assad zurücktreten muss, werden er und seine Regierung von Russland militärisch unterstützt. Moskau wollte dem Westen mit diesem Engagement klar machen, dass Russland künftig keinen Regimewechsel mehr zulassen wird, der ausschließlich westlichen Interessen dient. Und zudem wurde unterstrichen, dass Russland – im Gegensatz zum Westen – seine Verbündeten nicht fallen lässt.

Die gegenseitigen Schuldzuweisungen und wer für das zerrüttete Verhältnis die Verantwortung trägt, bilden sich in den Medien ab:

Die westliche Presse unterstellt als Ursache eine aggressive Militärpolitik Russlands und einen immer autoritärer werdenden Führungsstil Wladimir Putins. Die russische Seite macht die Hauptschuld im Westen aus, der nie auf Russlands Interessen geachtet hätte. Die Expansion der NATO gen Osten und diverse Kriege in der Nachbarschaft, so zumindest die russische Perspektive, hätten Russland in eine Abwehrhaltung gedrängt. Diesem Narrativ kann Gerhard Mangott zumindest mehr abgewinnen als der westlichen Erzählung.

Die mehr als zweihundertjährige Geschichte der Bedrohung Russlands durch den Westen, die NATO-Osterweiterung, die wachsende Dominanz des Geheimdienst- und Militärapparates in den russischen Entscheidungsgremien sowie die Causa Alexei Navalny und der Fall Sergei Skripal sind weitere Themen im Gespräch mit Gerhard Mangott.


Zur Person

Reiner Wein Gast Gerhard Mangott

Gerhard Mangott


Gerhard Mangott (Jahrgang 1966) ist ein österreichischer Politikwissenschaftler. Er ist sei 2015 Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck mit dem Schwerpunkt Osteuropa und Russland. Sein Hauptforschungsgebiet ist Internationale Politik und vergleichende Regimelehre. Mangott ist Experte im Bereich der Rüstungskontrolle sowie der Energiesicherheit der Europäischen Union im Öl- und im Gassektor. Er ist als Gutachter unter anderem für den britischen ‘Economic and Social Research Council’, die ‘Volkswagenstiftung’, den ‘Jubiläumsfonds’ der Österreichischen Nationalbank, den ‘Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung’ und verschiedene wissenschaftliche Fachzeitschriften tätig. Mehr Informationen finden sich auf seiner Webseite www.gerhard-mangott.at

Fotos, Video und Audio: Sour Moha (Unsplash.com), Idealism Prevails und Reiner Wein

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2 Antworten auf „Russland und der Westen: Das gegenseitige Unverständnis“

Interessante Lektüre für diejenigen, die sich etwas intensiver mit dieser westlichen Propaganda gegen Russland befassen möchte; es ist wichtig zu wissen, wie die USA grundsätzlich tickt, dann versteht man das ganze recht schnell.

https://www.westendverlag.de/?s=Weltbeherrscher&lang=en
Dazu vielleicht noch:

HINWEIS ADMIN: Link gelöscht. Lesen Sie bitte die Netiquette und die Erläuertungen zu Links.

Das wäre ein sagen wir mal, Grundlagenwissen, um die Gegenwart zu verstehen.
Fest steht, das die USA über Leichen gehen und die Gefahr eines Krieges mit Russland/China mit dem neuen Präsidenten Biden extrem gestiegen ist.
Und wir dummen Deutschen haben dann eigene Kriegstreiber wie HINWEIS ADMIN: Zusatz gelöscht. Lesen Sie bitte die Netiquette ; und asl wenn es noch nicht reicht, HINWEIS ADMIN: Zusatz gelöscht. Lesen Sie bitte die Netiquette.
Und weil noch ein paar jubelnde Zaungäste fehlen, sind die Grünen seit dem Balkankrieg ganz schnell dabei, die Bundeswehr in diese Kriegsgebiete zu schicken, um den Amerikanern wieder mal hinterherzukriechen.
Wer werden noch sehr interessante Zeiten erleben, da bin ich mit ziemlich sicher.

Die Frage warum dieser oder jener Krieg geführt wird, braucht heutzutage nicht mehr gesellt werden.

Zum Beispiel sitzen einmal im Jahr in Davos beziehungsweise in München die negativen Helden unserer Zeit, die Oligarchen mit ihren Marionetten. Von Jahr zu Jahr, immer mehr durchdrungen von der Melancholie des Untergangs, spielt sich auch immer hemmungsloser dieser Untergang nach dem Muster ab: Verlieren – ja, aber erst zum Schluss. Ein Motto, das in der modernen Welt bekanntlich einen Riesen Erfolg hat.
Unsere Welt wird immer deutlicher von der allgemeinen Krise des Kapitalismus geprägt. Akut äußert sich diese, dass sie in kurzer Zeit aufeinanderfolgend in vielen Varianten erscheint, wie Wirtschafts- und Finanzkrisen, die Ukrainekrise, die Flüchtlingskrise, die Terrorkrise, die Syrienkrise und so weiter. Das auf Sand gebaute Kartenhaus der neoliberalen Global-Player fällt zusammen. Die Bestien im Haifisch-Becken werden immer bösartiger. Aggressives Gegeneinander um geostrategische Einflusssphären, um Rohstoffe, Energiequellen, Absatzmärkte und billige Arbeitskräfte endet immer mit Zerstörung und Krieg.
Aber nichts muss so bleiben wie es ist, wenn man das jeweils Notwendige benennt und das Mögliche tut. Aufklärung über das Warum, das Was und das Wie ist die Grundlage für zielorientiertes Verändern.

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