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Die Krise: “Über einem freien Menschen ist nur noch der Himmel!”

Die Erzählung ist immer die gleiche: Werden die Opfer einer Krise sanktioniert, ist das Problem gelöst. Die bittere Medizin der fortschreitenden Freiheitsberaubung wird mit dem Honig aus Regenbogenfahnen, Gendersternchen und Baumpflanzungen verabreicht.

Es ist eigenartig. Es geht seit Jahrzehnten in der hiesigen Politik immer wieder um die Frage von einer Ausweitung der Kontrolle. Jede Krise, und davon gab es viele, wenn man nicht zu dem Urteil kommt, dass es sich um einen immer währenden Krisenzustand handelt, wird versucht einzudämmen, indem neue Gesetze und Bestimmungen erlassen werden, die das Maß der Kontrollmöglichkeiten vergrößern.

Das lenkt zum einen von der Frage ab, ob da vielleicht etwas systemisch nicht stimmen kann und wirft die Aufmerksamkeit auf bestimmte Individuen oder Gruppen, die scheinbar völlig erratisch agieren und den Zustand der Dysfunktion zu verantworten haben.

Seltsamerweise handelt es sich dann aber um Zielgruppen, die selbst als Opfer der Krise zu bezeichnen sind und die sich aus ihrer Lage heraus einen Weg suchen, der sich nicht immer mit den normativen Vorgaben deckt. Sie werden dann als die Ursache der Krise ausgemacht und ihre Reglementierung wird als Lösung verkauft. Die Erzählung ist immer die gleiche: Wenn die Opfer sanktioniert werden, ist das Problem gelöst.

Krise, Regel und Sanktion

Abgesehen von der mit diesem Vorgehen einhergehenden Vorstellung, dass mit dem System von Regel und Sanktion ein Gemeinwesen regiert werden kann, was, gelinde gesagt, als ein Evergreen seit dem preußischen Obrigkeitsstaat in deutschen Landen zu bezeichnen ist, ist auch diese Therapie, wenn sie überhaupt wirkt, nur ein Erfolg von kurzer Dauer. Zumeist vergeht kaum Zeit, bis das nächste Thema kommt und neue Aufmerksamkeit erfordert.

Der Handlungsrahmen ist bekannt. Der Eurokrise folgte die Bankenkrise, es kam die Ukraine-Krise, die Flüchtlingskrise und dann die pandemische Krise. Immer gab es vermeintlich Schuldige, die für eine Erklärung herhalten mussten. Nur die eigene Agenda und die eigene Handlungsweise kamen so nie in den Fokus der Kritik. Die logische Schlussfolgerung, auf die sich nahezu alle geeinigt haben, ist einfach wie eingehend: Schuld sind immer die anderen.

Das ist schön gedacht, wirkt aber seit Längerem nicht mehr so richtig und hat aufgrund unterschiedlicher Wahrnehmungen zu einer massiven gesellschaftlichen Spaltung geführt. Oder überwiegt tatsächlich der Eindruck, dass mit Griechenland und Italien, Lehman, Putin, Assad und den Chinesen alles gesagt ist?

Kontrolle total

Was zudem verstört, ist die Entwicklung und Durchsetzung der jeweiligen Kontroll-Agenda. In Hinterzimmern, ohne die dazu zuständigen Parlamente einzubeziehen, in Akten der Kompetenzanmaßung, eskortiert von die Gesellschaft spaltenden Medienkampagnen und, wenn alle Stricke reißen, in Abstimmungen während großer Fußballturniere, wie es gerade wieder geschehen ist. Da wird dokumentiert, was man von den eigenen Auftraggebern hält und man suggeriert sich gegenseitig, versteht sich, wie verantwortungsvoll man doch handelt. Unterm Strich jedoch geht es um immer mehr Kontrolle.

Ein Staat, der sich zunehmend und mehrheitlich mit der Kontrolle der Bevölkerung beschäftigt, anstatt danach zu trachten, sich selbst dahingehend überflüssig zu machen, als dass er sich darum sorgt, den Bürgerinnen und Bürgern Bedingungen zu bieten, die es ihnen ermöglichen, ihre Potenziale zu entfalten, entpuppt sich am Ende des Tages als ein Unterdrückungsinstrument, das im Sinne derer funktioniert, die für die systemische Dauerkrise durch ihr Handeln verantwortlich sind.

Da drängt sich der Eindruck auf, dass die vielen Regenbogenfahnen, Gendersternchen und Baumpflanzungen der Honig sind, mit dem die bittere Medizin der fortschreitenden Freiheitsberaubung verabreicht werden soll. In einem russischen Sprichwort heißt es, über einem freien Menschen sei nur noch der Himmel. Manchmal drängt sich der Eindruck auf, dass viele diesen Zustand der Pest mit all ihren Einschränkungen und Verordnungen vorziehen.


Foto: Ante Hamersmit (Unsplash.com)

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Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

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