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Tummelplätze der Digitalisierung und ihre Folgen

Das Anliegen des Textes ist es, auf die roten Fäden der Digitalisierung hinzuweisen. Sie ist ohne Zweifel eine Produktivkraft, die eine Beschleunigung der Kommunikation bewirkt, auf eine Steigerung der Arbeitsproduktivität hinsteuert und die die Einsparung von Arbeitszeit und damit von Arbeitsstellen zwangsläufig zur Folge hat.

Digitalisierung: Als Stichwort geistert sie seit Langem schon durch die Welt der Medien. Sie wird in verschiedenen Zusammenhängen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens thematisiert. Zum Abbau der Bürokratie heißt es, oder sie helfe in Zeiten der Pandemie im Bildungs- und Verwaltungswesen der Unternehmen oder der vielen Staatsverwaltungen.

Das Bundeswirtschaftsministerium spricht von einem digitalen Wandel mit revolutionärem Charakter (1). Betroffen seien besonders die Finanzbranche, die Medien und die Druckbetriebe, der Handel, die Lagerwirtschaft und alle Verwaltungen (2).

Was genau da passiert und warum sie segensreich sei und welche Folgen sie hat, wird in den öffentlichen Medien selten vertieft. Ihre Dimensionen werden am Wirtschaftskörper als wichtigstem Bereich der Gesellschaft sichtbar:

1. Die Wirtschaft eines jeden Landes und in allen Gesellschaftssystemen funktioniert in den Formen eines makro-ökonomischen Modells als eine Art Hardware mit allgemeingültigen Elementen, die sich in einem Kreislauf bewegen. Am Anfang steht die Vorfinanzierung (modern Kredite, im Feudalismus war es das Saatgut) und am Ende des Produktions-, Konsumtions- und Zirkulationsprozesses die Kredittilgung und die Verteilung der Ergebnisse der Wertbildung, das heißt des Surplus-Anteils, wie sich Marx ausdrückte (3).

Die Elemente des Kreislaufes bilden:

  • die Produktionsanlagen, mit der Wartung, Qualitätskontrolle und Verwaltungseinrichtungen,
  • ein beruflich kompetentes Personal,
  • Rohstoffe und Halbfertigwaren,
  • Aufträge zur Deckung eines Bedarfs,
  • Lagereinrichtungen und Transportketten,
  • die Handelswelt,
  • ein Bewegungsrahmen, mit Gesetzen des Parlaments und Anordnungen der Regierung.

Alle Elemente sind über Schnittstellen verbunden, die Ansatzpunkte für die Digitalisierung bieten. Die Teile der Hardware müssen miteinander rasch und kostengünstig kommunizieren können. Früher war es die persönliche Besprechung oder der Austausch in Briefform, später die an Draht gebundenen Telefonate oder Telex; gegenwärtig meist drahtlos per Mail über das Internet oder per Handy.

2. Die Software ist variabel. Sie wird von den Prinzipien des jeweiligen Gesellschaftssystems bestimmt, etwa:

  • Die Zielbestimmung der Produktion (auf Gewinn oder materielle Bedarfsdeckung der Allgemeinheit),
  • Verteilung der Ergebnisse des Wertbildungsprozesses (Mehrung des Privatbesitzes oder Deckung der Bedürfnisse der Staatsaufgaben für Gesundheit, Bildung, Verkehrswesen u. v. a. oder direkt zur Verbesserung der Lohntarife),
  • Entscheidungshoheiten (nach Kapitalmehrheiten oder partizipativ nach Mitbestimmungsregeln),
  • Instrumente und Rechtsregelungen für die Unternehmensführung (Steuerzahlung, Regeln des Rechnungswesens, der Berichterstattung an das Finanzamt und die staatliche Statistik sowie des Arbeits- und Naturschutzes, Tarifregeln der Gewerkschaft).

Auch im Softwarebereich bestehen vielfältige Schnittstellen. Die Interaktionen an den Schnittstellen können in Zeiten der Internettechnologie digital erfolgen. Daher sind viele Arbeitsplätze mit unterschiedlichen Aufgaben betroffen. Zunehmend sind Signale der Interaktion an den Schnittstellen nur noch analog über Techniken lesbar bzw. wahrnehmbar geworden.

Mit der Ausweitung der Digitalisierung entstehen soziale Folgeprobleme. Beispiele sind Hunderttausende Setzer in der Druckindustrie oder Kartografen, die mit dem Beginn der Programmierung und den Einsatz neuer Technologien ihre Arbeitsplätze verloren haben. Die Landwirtschaft spart Arbeitsstunden durch die genauere Bearbeitung ihrer Ackerflächen und in Erntezeiten durch die Nutzung des GPS-Systems ein. Eine Unzahl von Arbeitsplätzen ging bereits im Handel, der Lagerwirtschaft und dem Transportwesen verloren.

Die ganze Welt lebt im Zeitalter des Wandels zur Digitalisierung, den die Technologiekonzerne wie Google, Amazon, Apple et cetera für sich zu nutzen verstehen, wie auch große Holdings der Finanzwelt wie BlackRock, Goldman Sachs und andere. An der Entwicklung einer künstlichen Intelligenz (KI) wird in China, den USA und der EU mit Nachdruck gearbeitet.

Das Anliegen des Textes ist es, auf die roten Fäden der Digitalisierung hinzuweisen.

Sie ist ohne Zweifel eine Produktivkraft, die eine Beschleunigung der Kommunikation bewirkt, auf eine Steigerung der Arbeitsproduktivität hinsteuert und die die Einsparung von Arbeitszeit und damit von Arbeitsstellen zwangsläufig zur Folge hat. Die sozialen Probleme, die entstehen, haben der Arbeitnehmer und der Staat zu tragen. Höhere Steuern lehnen die Vertreter der Unternehmer und ihre Erben ab.

Die digitale Technologie ist ein Produkt der Wissenschaft. Sie ist auf die Verbesserung der Wirtschaftsprozesse, insbesondere des Gewinns gerichtet. Nicht alle Forschungsergebnisse sind gut, wenn sie nicht auf Folgeerscheinungen achten und Ausgleichslösungen einschließen. Tödliche Auswirkungen haben Forschungen und Neuerungen im militärischen Bereich seit eh und je.

Forschung, um das Wettergeschehen zu verstehen und sich darauf in der Wirtschaft und im Konsumverhalten einzustellen, reicht angesichts der Katastrophen im Westen Deutschlands offensichtlich nicht aus (4). Dürreperioden, Wolken, die Wassermassen speichern und abregnen, Erwärmung der Ozeane und Verdampfungsprozesse unterliegen physikalischen Regeln. Für die Klimaforschung gibt es noch viel zu tun. Sie benötigt mehr Ressourcen.

Die herrschende Politik braucht gleichfalls Veränderungen. Sie benötigt andere Schwerpunkte als das Erhalten konservativer Verhältnisse in Deutschland und weltweit, hin zur Schaffung würdiger Lebensbedingen und Gewährleistung der Menschenrechte im eigenen Land.

Die Wahlprogramme der herrschenden Parteien geben keine oder nur blumige Antworten zum Klima und den sozialen Problemen in der nächsten Regierungsperiode und zeitlich darüber hinaus. Die Folgen der Digitalisierung erhalten zu geringe öffentliche Aufmerksamkeit.


Quellen und Anmerkungen

(1) Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Digitale Transformation in der Industrie. Auf https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/industrie-40.html (abgerufen am 25.7.2021).

(2) Wikipedia: Digitalisierung – Arbeitsmarkt. Auf https://de.wikipedia.org/wiki/Digitalisierung#Arbeitsmarkt (abgerufen am 25.7.2021).

(3) Das Kapital (10. Kapitel): Ausgleichung der allgemeinen Profitrate durch die Konkurrenz. Marktpreise und Marktwerte. Surplusprofit. Auf mlwerke.de/me/me25/me25_182.htm (abgerufen am 25.7.2021).

(4) Handelsblatt (22.7.2021): Deutsche Behörden ignorierten das Hochwasserwarnsystem der EU. Auf https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/hochwasser-katastrophe-deutsche-behoerden-ignorierten-das-hochwasserwarnsystem-der-eu/27441240.html (abgerufen am 25.7.2021).


Redaktioneller Hinweis: Der Beitrag von Günter Buhlke erschien unter dem Titel “Tummelplätze der Digitalisierung und ihre Folgen” bei unserem Kooperationspartner Pressenza. Er wurde von Neue Debatte übernommen und vom Redaktionsteam aktualisiert. Einzelne Absätze wurden zur besseren Lesbarkeit im Netz hervorgehoben und Links zu weiterführenden Informationen ergänzt.


Foto: Julie Molliver (Unsplash.com)

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Günter Buhlke ist Jahrgang 1934 und Dipl. Volkswirtschaftler. Er studierte an der Humboldt Universität und der Hochschule für Ökonomie Berlin. In den 1960er und 70er-Jahren war Buhlke international als Handelsrat in Mexiko und Venezuela tätig und Koordinator für die Wirtschaftsbeziehungen der DDR zu Lateinamerika. Später Vorstand einer Wohnungsgenossenschaft, Referent im Haushaltsausschuss der Volkskammer und des Bundestages und von 1990 bis 1999 Leiter der Berliner Niederlassung des Schweizerischen Instituts für Betriebsökonomie. Günter Buhlke ist verheiratet, lebt in Berlin und engagiert sich ehrenamtlich.

Von Günter Buhlke

Günter Buhlke ist Jahrgang 1934 und Dipl. Volkswirtschaftler. Er studierte an der Humboldt Universität und der Hochschule für Ökonomie Berlin. In den 1960er und 70er-Jahren war Buhlke international als Handelsrat in Mexiko und Venezuela tätig und Koordinator für die Wirtschaftsbeziehungen der DDR zu Lateinamerika. Später Vorstand einer Wohnungsgenossenschaft, Referent im Haushaltsausschuss der Volkskammer und des Bundestages und von 1990 bis 1999 Leiter der Berliner Niederlassung des Schweizerischen Instituts für Betriebsökonomie. Günter Buhlke ist verheiratet, lebt in Berlin und engagiert sich ehrenamtlich.

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