Eher durch Zufall stieß ich auf den Autor, der mir, muss ich gestehen, bis dahin nicht bekannt war. Ein Interview mit ihm bei den NachDenkSeiten machte mich neugierig (1). Obwohl er als ehemaliger Berater aus dem Kanzleramt und als Manager in einem renommierten Automobilkonzern kein No Name ist, was ihn vielleicht nicht in den Fokus interessierter Berichterstattung bringt, ist sein heute gewerkschaftliches Engagement und die damit verbundenen politischen Positionen.
Gegen die plutokratische Minderheit
Hans-Christian Lange ist Mitbegründer der Band- und Leiharbeiter-Gewerkschaft “Social Peace” und er unterstützte Sahra Wagenknechts Bewegung “Aufstehen“. Insofern ist es dann doch keine Überraschung, wenn ein solcher Mensch sich mit den politischen und sozialen Fragen unserer Tage beschäftigt.
In seinem Buch “An ihren Taten sollt ihr sie erkennen – Ein Insider entlarvt die neue Geld- und Politikkaste” nimmt Hans-Christian Lange vor allem die so genannten “Ein-Prozenter” aufs Korn, jene plutokratische Minderheit von einem Prozent der Bevölkerung, die über mehr als die Hälfte des vorhandenen Vermögens verfügt (2, 3). Das geht, vor allem aus deutscher Perspektive, nur mit einem Blick auf die verhängnisvollen 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts, in denen sich die vermögende Elite von der neuen Staatsform und der Bevölkerung abkoppelte.
Während die Eliten den Hals nicht voll bekamen und ihr Hunger sich auf andere Länder und Erdteile ausrichtete, darbten die Arbeitslosen und Geringverdiener im eigenen Land am Hungertuch und rannten tausendfach ins Verderben.
Die neue Geld- und Politikkaste
Allein bei der Beschreibung dieses hergestellten Zusammenhangs wird deutlich, wie sinnvoll der Blick zurück ist, um die, wie Lange sie nennt, neue Geld- und Politikkaste zu bewerten, die aus dem Prozess der Globalisierung entstanden ist.
Während die Politikkaste im medialen Orkus auf der Schaubühne steht, arbeitet die plutokratische Kaste im Hintergrund an ihren Eroberungs- wie Fluchtplänen. Einerseits ist sie an der Vorbereitung und Durchführung von Kriegen um Ressourcen beteiligt, andererseits ahnt sie, dass ihr Treiben nicht gut ausgehen könnte und lässt sich Bunker mit den dazugehörigen Vorräten bauen und ausstatten, kauft entlegene Inseln und träumt von neuen Refugien auf fernen Planeten.
Was Menschen mit normalen Arbeits- und Lebensbeziehungen als krank bezeichnen würden, ist deren Alltag. Insofern ist es gut und klug, den Blick auf diese zunehmend menschenverachtende Klasse zu richten und deren Treiben einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Unter dem Strich lässt sich sagen, dass die Globalisierung die Finanzeliten in Bezug auf das Gefühl gesellschaftlicher Verantwortlichkeit auf das elende Niveau lausiger Kompradoren in den Schwellenländern hat sinken lassen.
Langes Buch wäre ein guter Einstieg in die nächste Depression, berichtete er nicht auch über den sich in vielen westlichen Ländern formierenden Widerstand. Von den französischen Gelbwesten über US-amerikanische Massenstreiks bis zu neuen Bündnisse in Italien, Spanien, Portugal und, man sollte es nicht für möglich halten, Deutschland. Dass die de facto gleichgeschalteten Medien den Fokus nicht darauf richten, erklärt sich von selbst.
… und ein Sturm bahnt sich an
“An ihren Taten sollt ihr sie erkennen” ist ein faktenreiches Buch mit in diesen Tagen ungewöhnlichen Blickwinkeln. Manchmal sind die Bezüge nicht unbedingt logisch, als Erhellung der dunklen Seiten von Elitetreiben und Widerstandsorganisation ist es ein wichtiges Buch. Wo sich die Zeiger auf der Uhr befinden, darüber lässt sich trefflich streiten. Aber irgendwo im Morgengrauen – und ein Sturm bahnt sich an.
Informationen zum Buch
An ihren Taten sollt ihr sie erkennen
Ein Insider entlarvt die neue Geld- und Politikkaste
Autor: Hans-Christian Lange
Sprache: Deutsch
Genre: Sachbuch
Seiten: 256
Erscheinung: Juli 2021 (Ebook)
Verlag: Westend
Quellen und Anmerkungen
(1) NachDenkSeiten (13.10.2021): Von Gorillas und Hyänen: Ein Ex-Topmanager beleuchtet die Abgründe der neofeudalen Eliten. Auf https://www.nachdenkseiten.de/?p=76956 (abgerufen am 4.11.2021).
(2) Telepolis (15.11.2017): Die reichsten 1 Prozent besitzen mehr als 50 Prozent des globalen Vermögens. Auf https://www.heise.de/tp/features/Die-reichsten-1-Prozent-besitzen-mehr-als-50-Prozent-des-globalen-Vermoegens-3890296.html (abgerufen am 5.11.2021).
(3) World Inequality Database: Where are you in the income distribution? Auf https://wid.world/simulator (abgerufen am 5.11.2021).

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Fotos und Video: Paolo D’Andrea (Unsplash.com), Verlag Westend und Gerhard Mersmann
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.