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Der rote Planet Podcast

Der Rote Planet #005: Ideologiekritik (Teil 3)

Beispielhaft unterzieht Klaus Hecker im Podcast “Der Rote Planet” einen Text des Friedens- und Konfliktforschers Herbert Wulf einer Analyse, um wiederkehrende Muster und Kategorien aufzuzeigen, die den Blick weg vom imperialistischen Ansatz des Westens führen.


Der dritte Teil der Ideologiekritik führt nach Afghanistan. Dort, so die medial fast einhellig verbreitete These, sei der Westen gescheitert. Beispielhaft unterzieht Klaus Hecker im Podcast “Der Rote Planet” einen Text des Friedens- und Konfliktforschers Herbert Wulf (1) einer Analyse, um wiederkehrende Muster und Kategorien aufzuzeigen, die den Blick weg vom imperialistischen Ansatz des Westens führen.

Wir in Afghanistan?

In seinem Artikel “Von Afghanistanpolitik zu sprechen ist ein Euphemismus” (2), veröffentlicht im August 2021 bei Telepolis, stellt Herbert Wulf die Frage voran: “Warum machen wir die gleichen Fehler immer wieder?” Schon das falsche “Wir” wird den extrem kritischen Leser irritieren, schließlich zogen nicht “Wir” in den Krieg hinein, sondern jene, die ihn wollten, brauchten oder der Erzählung folgten, Demokratie und Freiheit würden am Hindukusch verteidigt. Aber darum geht es im Kern nicht.


US-Außenminister Baker erahnte das Feuer im Osten. (Symbolfoto: Sandra Seitamaa, Unsplash.com)

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Um was es geht …

Der Westen am Hindukusch, wiederkehrende Muster und Kategorien


Wulf sammelt auf engstem Raum alle erdenklichen Fehler und stellt seine fünf Thesen zum Scheitern des Westens am Hindukusch unter folgenden Überschriften vor:

  • Erstens: Warum wir nicht aufhören, immer die gleichen Fehler zu machen
  • Die zweite Erkenntnis: des Kaisers neue Kleider
  • Die dritte Erkenntnis und der Hauptmann von Köpenick
  • Viertens: die “Schwarze Schwan”-Theorie von Nassim Nicholas Taleb
  • Fünftens: Die Silomentalität der meisten Organisationen und Institutionen

Wulf durchschaut die Mechanismen von Krieg und Frieden, kann sie sogar benennen, unterstellt aber schon in seiner ersten These ein “Wir”, das nicht existieren kann. Denn die Gleichheit der Akteure beim “Fehler machen”, eben verbunden im “Wir”, hebt die Gegensätze von Kriegstreibern und Friedensaktivisten auf. Ein Grundprinzip der Logik fordert, dass Aussagen auch auf den Aussagenden selbst angewendet werden dürfen. Wenn “Wir” also als Krieger immer die gleichen Fehler wie zum Beispiel beim Krieg in Afghanistan machen, dann machen auch die Friedensbewegten die immer gleichen Fehler und sind Teil des Krieges. Und dabei stellt Wulf heraus:

“(…) Aus der Psychologie wissen wir, dass man Fehler erkennen und verstehen soll, um sie nicht zu wiederholen. Wir wissen aber auch, dass man Fehler nicht ganz vermeiden kann, dass man sich auf die richtigen Ansätze konzentrieren sollte, um die Fehler zu korrigieren. Das aber ist leichter gesagt als getan, weil wir dazu neigen, aus Fehlern nicht zu lernen und uns die vorherigen Verhaltensweisen schönzureden.” – Herbert Wulf; in: “Von Afghanistanpolitik zu sprechen ist ein Euphemismus”

Auch wenn Wulf berechtigt anmerkt, dass “die offizielle Politik den Kriegseinsatz über Jahre schönredete”, fragt, welche “Werte verteidigte denn die westliche Allianz am Hindukusch” und an die Kriegsverbrechen erinnert die “von Nato Truppen verübt wurden”, so kratzt sein Ansatz lediglich an der für jeden sichtbaren Oberfläche.

Nicht nur durch Anmerkungen wie “Und jetzt der Verrat an den sogenannten Ortskräften” oder der Forderung, dass etwas “mehr Bescheidenheit und weniger moralische Empörung über die Untaten der Kriegsgegner” angebracht wäre, lässt den Eindruck entstehen, die Ortskräfte seien für den Westen mehr gewesen als williges Dienstpersonal und Krieg (inkl. seiner Spielarten aus Folter, Mord, Vergewaltigung usw.) hätte irgendetwas mit Moral zu tun.

Wo ist der Imperialismus?

Es scheint, als hätte es die Menschheit lediglich mit durchorganisierter politischer Verantwortungslosigkeit zu tun, die, würde sie nur etwas mehr Verantwortung aufsaugen, viel verantwortungsvoller in den Krieg zieht. Wulfs Hinweis, dass das “massive westliche Engagement” wenig zur Demokratisierung Afghanistans beigetragen hätte, unterstellt die Notwendigkeit, fremde Völker (auch ungefragt) mit Demokratie nach westlichem Verständnis zu beglücken. Der US-amerikanische, aber auch der (neue) deutsche Imperialismus, wird unsichtbar und verschwindet in einer großen Wolke.

Der Kriegseinsatz des Westens in Afghanistan, bei dem die Ruinierung des Landes und die Tötung unzähliger Menschen in Kauf genommen wurde, finalisiert im imperialistischen Herrschaftsanspruch, der seine (militärische) Macht zur Schau stellt, um sich sodann den Rückhalt an der “Heimatfront” mit der Erzählung von heroischen Zielen wie Frauenrechte, Bildung für Mädchen oder eben Demokratisierung zu sichern, um sich vom Blut der Toten reinzuwaschen. Man tötet für eine gute Sache sozusagen; oder anders ausgedrückt: Dabei passieren auch Fehler.


Quellen und Anmerkungen.

(1) Herbert Wulf (Jahrgang 1939) ist Friedens- und Konfliktforscher und emeritierter Hochschullehrer für Politikwissenschaft. In seinem Werk “Internationalisierung und Privatisierung von Krieg und Frieden”, 2005 bei Nomos erschienen, setzt er sich mit Aspekten des modernen Söldnertums, dem Outsourcen von militärischen Aufträgen an Privatunternehmen und der Rolle von Staaten (insbesondere Großbritannien und die USA) als Auftraggeber auseinander. 2007 wurde Wulf für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Weitere Informationen auf www.wulf-herbert.de/index.html.

(2) Telepolis (30.8.2021): Von Afghanistanpolitik zu sprechen ist ein Euphemismus. Auf https://www.heise.de/tp/features/Von-Afghanistanpolitik-zu-sprechen-ist-ein-Euphemismus-6176850.html (abgerufen am 24.12.2021).


Das kalte Herz steht als Symbol für Spott und Verachtung. (Foto: Francesca Zama, Unsplash.com)

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Foto: J Lee (Unsplash.com)

Lehrer

Klaus Hecker (Jahrgang 1954) ging nach dem Abitur in Wetzlar 1973 nach Marburg und studierte Deutsch, Politik und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien. Von 1985 bis 2017 war er in der Universitätsstadt Lehrer an der Carl-Strehl-Schule, einem Gymnasium für Sehbehinderte und Blinde. Seit jeher engagiert er sich in sozialen und politischen Initiativen und tut dies noch heute. Als DSV-Lehrer "Skitour und Alpinist" ist er häufig im Alpenraum unterwegs.

Von Klaus Hecker

Klaus Hecker (Jahrgang 1954) ging nach dem Abitur in Wetzlar 1973 nach Marburg und studierte Deutsch, Politik und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien. Von 1985 bis 2017 war er in der Universitätsstadt Lehrer an der Carl-Strehl-Schule, einem Gymnasium für Sehbehinderte und Blinde. Seit jeher engagiert er sich in sozialen und politischen Initiativen und tut dies noch heute. Als DSV-Lehrer "Skitour und Alpinist" ist er häufig im Alpenraum unterwegs.

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