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Meinung

Für eine radikale Revision der Außenpolitik!

Ja, es ist jetzt die Stunde, sich zu besinnen und darüber nachzudenken, ob die Form von Außenpolitik, die in den vergangenen 25 Jahren nichts weiter hinterlassen hat als Krieg, Flucht, Terror und strategische Nachteile nicht einer radikalen Revision bedarf.

Um schlechten Gefühlen vorzubeugen: Wer über die Aktionen Russlands echauffiert ist und das Handeln nicht in einem größeren historischen Kontext zu betrachten bereit ist, sollte nicht weiterlesen. Und wer momentan in den Chor derer verfallen ist, die Anerkennung von Donezk und Luhansk durch Russland als unabhängige Republiken sei eine massive Verletzung des Völkerrechts, sollte ebenfalls die Lektüre mit einem Klick beenden.

Es liegen genug Dokumente vor, die den Bruch von Vereinbarungen und Zusicherungen, die mit der Zustimmung der Sowjetunion bei der deutschen Wiedervereinigung gegeben wurden, eindeutig belegen.

Und es existieren jedem zugängliche Quellen, in denen offizielle Vertreter der USA darüber räsonieren, wie man Russland schwächen und einkreisen kann und warum ein Keil zwischen Deutschland und Russland für die USA von geostrategischem Interesse ist.

Öl und Gas

Die ganze Beweisführung hat nichts genützt. Von den Medien bis zur Politik herrschen hierzulande Vorstellungen und Gedanken, die abgekoppelt sind von den eigenen historischen Erfahrungen und somit das eigene Interesse ausblenden. Die Krise, die sich durch die Anerkennung der beiden Regionen durch Russland noch einmal verschärft hat, wird einiges bewirken. Nichts davon ist im Interesse Europas und Deutschlands.

Die Sanktionen werden zur Folge haben, dass die Importe welcher Energieträger auch immer aus Russland drastisch reduziert werden und sie werden dazu führen, dass die USA vermehrt ihr Flüssiggas vor allem nach Deutschland werden verkaufen können.

Ob das ausreichen wird, um den deutschen Bedarf zu decken, wird sich noch herausstellen müssen. Und dass ausgerechnet die Grünen diese Option unterstützen, zeigt, dass sie sich im vollen Spektrum zu einer fünften Kolonne des US-Imperiums gemausert haben (1). Dafür existieren unzählige Belege, von der Doppelmoral hinsichtlich politischer Gefangener bis zur Befürwortung von Waffenexporten.

Und dass in dieser Gemengelage die USA sogar von dem Konflikt profitieren werden, ist doch ein nettes Nebenprodukt. Die Flüssiggas-Exporte werden steigen, im günstigen Fall wird die Pipeline Nord Stream 2 zu einer Seeruine und es bleibt abzuwarten, ob auch die USA ihre Ölimporte aus Russland reduzieren werden. Zweifel sind angebracht und Zyniker prophezeien bereits, dass die USA nicht ein Barrel Öl weniger aus Russland importieren werden.

Neben den Geschäften grassiert in den USA das Kalkül durch die Aufrüstung an Russlands Grenzen Russland selbst einen hohen wirtschaftlichen wie militärischen Aufwand zu bescheren, was schon einmal in Bezug auf die Sowjetunion funktioniert hat.

Es ist jetzt die Stunde

Betrachtet man das, was in den letzten Wochen als der Versuch einer diplomatischen Lösung annonciert wurde, dann kann man nicht umhin, an der Befähigung oder am Willen derer, die die Option befürworten, zu zweifeln. Seit wann, so die Frage, kommt bei Verhandlungen etwas heraus, wenn man zwar mit einem Forderungskatalog anreist, aber seinerseits nichts zum Vorteil des Verhandlungspartners zu bieten hat?

Was jeder Kaufmann weiß, ist in dem scheinheiligen Gerede über die Wertegemeinschaft völlig untergegangen. Und auch das zum Auftakt eines jeden Kommunikationstrainings proklamierte Prinzip der Gegenseitigkeit und Augenhöhe wurde auf der Hinfahrt wie eine Zigarettenkippe aus dem Fenster geworfen.

Um den ehemaligen Kanzler Helmut Kohl, der jetzt ein wertvoller Zeitzeuge wäre, zu zitieren: Es ist jetzt die Stunde. Ja, es ist jetzt die Stunde, sich zu besinnen und darüber nachzudenken, ob die Form von Außenpolitik, die in den vergangenen 25 Jahren nichts hinterlassen hat, als Krieg, Flucht, Terror und strategische Nachteile nicht einer radikalen Revision bedarf. Dazu muss man mit beiden Beinen auf dem Boden stehen, darf nicht an Größenwahn leiden, sollte seine eigenen Interessen kennen und sich nicht von halbseidenen Souffleuren irgendeinen Unsinn ins Ohr setzen lassen. Und es braucht Courage. Und zwar viel davon!


Quellen und Anmerkungen

(1) Als fünfte Kolonne werden Gruppen bezeichnet, die (der Subversion verdächtigt werden und) insgeheim mit den Interessen einer äußeren feindlichen Macht sympathisieren sowie tatsächlich oder vermeintlich mit dieser kollaborieren.


Ein ruhender Mensch auf einem weißen Bett. (Foto: Ahmet Ali Agir, Unsplash.com)

Alles beginnt mit dem ersten mutigen Schritt!

Journalismus hat eine Zukunft, wenn er radikal neu gedacht wird: Redaktion und Leserschaft verschmelzen zu einem Block – der vierten Gewalt. Alles andere ist Propaganda.


Foto: Ernie A. Stephens (Unsplash.com)

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

5 Antworten auf „Für eine radikale Revision der Außenpolitik!“

Courage? Haben die Politiker nicht einen Amtseid geschworen? “Zum Wohle des deutschen Volkes”, z.B. Haben sie nicht selbst auch Kinder? Bauchgefühl, gesunder Menschenverstand und Rückgrat reicht.

ich kann dem im artikel von herrn mersmann gesagten nur voll und ganz zustimmen. was wir europäer, und ist längst überfällig, brauchten, wäre ein politisch-wirtschaftlicher “eurasien-pakt”, der alle gebiete, völker, usw. eurasiens einschließt, und nicht die sog. “transatlantische freundschaft” und “nato”, denn beides hat sich schlicht überlebt. es ist schön und lobenswert, dass unsere amerikanischen freunde uns einst von hitler befreiten, und wir sollten ihnen das nie vergessen, aber die welt hat sich seit 80 jahren weitergedreht und weiterentwickelt, und heute sollte uns europäern unser eigener kontinent eurasien als gemeinschaft mehr oder mindestens genauso am herzen liegen. und völlig klar, dass amerika mit allen mitteln versucht, genau das nicht zuzulassen, zu hintertreiben, nach der devise “teile und herrsche weiter”, ihre usa-weltordnung aufrecht zu erhalten.
ich setze auf ein zukünftiges eurasien, mit europa-russland-indien-china als haupt-players in einem neuen spiel.

Mit mit diesen “Spitzenpolitikern”, diesen Vasallen und “Joung Leaders” an der Spitze der EU, werden sich Russland, Indien und China wohl kaum an einen Tisch setzen. Ich hoffe, dass die Repräsentanten der drei Länder zuerst mit der Regierung der USA reden.
Warum sollte jetzt gerade erwartet werden, dass die EU einen eigenen Weg geht?

europa müßte die nato aufgeben, und seine abhängigkeit von usa beenden, um dann eurasien in den blick zu nehmen, kulturell, wirtschaftlich, und politisch. eine riesenzukunft für unseren gesamten kontinent. das ist allerdings mit heutiger politik und politikern, die in ihren überkommenen “frames” denken und handeln, ganz praktisch unmöglich. ich hoffe dazu (als selbst schon “alter sack”) auf die jugend in eurasien …

Das sehe ich genau so. Auch in dem Buch von Sven Böttcher/Mathias Bröckers schreiben die beiden zu allen Themen (von A bis Z) “Was gemeint war”, “Was wir daraus gemacht haben”, “Was ihr daraus machen werdet”.

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