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Meinung

Wann beginnt der Dritte Weltkrieg?

Es wird noch einen kurzen Sommer geben, in dem gleich einem Begräbnis noch einmal der alten Freiheiten gedacht werden kann, und dann folgt der Notstand in einem notwendigerweise zunehmend autoritären Staat.

Gestern wurde ich gefragt, wie meine Prognose hinsichtlich des Beginns des Dritten Weltkrieges lautete. Ich musste mich erst sortieren. Angesichts der vielen lokalen Kriege, die sich in den letzten Jahrzehnten abgespielt haben, ist es, außer in den Ländern, die davon verschont waren, schwer, von einer allgemeinen Periode des Friedens zu sprechen, wie dies immer wieder geschah.

Die Vorstufe zum heißen Krieg

Ja, aus zentraleuropäischer oder amerikanischer Sicht herrschte Frieden in den eigenen Ländern, obwohl man sehr wohl in anderen Regionen immer wieder aktiv an Kriegen beteiligt war. Und mir wurde bewusst, auch angesichts der Resultate, wie frivol es ist, von Frieden zu reden, wenn man selbst mit aktiven Streitkräften zum Beispiel in Afghanistan beteiligt war. Frieden? Jemen, Syrien, Irak, Libyen? Und jetzt, wo die russische Armee in der Ukraine eingefallen ist, herrscht plötzlich doch Krieg? Ja, er herrscht, und das, was als die Gefahr des Dritten Weltkrieges beschrieben werden kann, ist bereits in vollem Gange.

Die Konstellation, die sich aus einer jahrzehntelangen Außenpolitik mit und durch den Westen herauskristallisiert, ist ein gewaltiges Konfrontationspotenzial.

Zu einer Eskalation gehören immer mehrere Seiten. Wer jetzt ausschließlich eine Ursache für die wachsende Gefahr eines flächendeckenden, auch vor unseren Haustüren auftauchenden Krieges in lediglich einem Faktor entdeckt, der ist der Täuschung unterlegen. Wirtschaftssanktionen zum Beispiel sind immer eine Botschaft, die auf das nächste destruktive Mittel hindeutet und kein Portal öffnet, das zu Kompromissen oder gar einer Friedensordnung führt. Man muss sich nur die Liste anschauen, die über diese Sanktionen in den Jahren nach der Weltwirtschaftskrise 2008 die Welt kontaminierten. Alle gegen alle, USA gegen Europa, Europa gegen USA, Europa gegen China, der gesamte Westen gegen Russland. Man nennt so etwas auch Wirtschaftskrieg, und der ist eine Vorstufe eines heißen Krieges.

Irgendeiner verliert immer die Nerven!

Der Weltwirtschaftskrieg ist seit Langem ausgebrochen. Der militärische ist im Hinblick auf die existierenden Allianzen nur noch eine Frage der Zeit. Irgendeiner verliert immer die Nerven!

Wie ernst muss man die in den öffentlichen Debatten so unterstrichenen Sorgen um die Gesundheit und die Ökologie dieses Planeten eigentlich nehmen, wenn in den alten Kategorien der systemischen Konkurrenz weitergedacht wird, als wäre nichts passiert? Um ehrlich zu sein, alles, was noch vor wenigen Monaten als das große Ziel einer neu angetretenen Bundesregierung proklamiert wurde, der Umbau der Gesellschaft inklusive des ökologischen ist bereits Makulatur.

Wenn Waffen sprechen, herrscht die Zerstörung von Mensch und Natur, sonst nichts. Was auf der Tagesordnung stehen wird, solange keine Nuklearraketen von und nach Rammstein fliegen, ist die Grundversorgung der Gesellschaft mit dem Nötigsten. Es wird noch einen kurzen Sommer geben, in dem gleich einem Begräbnis noch einmal der alten Freiheiten gedacht werden kann, und dann folgt der Notstand in einem notwendigerweise zunehmend autoritären Staat und immer weniger verfügbaren Ressourcen. Wer jetzt jubelt, wenn die anderen leiden, ist bereits in der destruktiven Logik gefangen.

Der Dritte Weltkrieg tobt bereits

Die Chance wurde vertan, nach einem gemeinsamen globalen Modus Vivendi (1) zu suchen, der die Kräfte zugunsten der Menschheit vereint hätte. Dazu hätte gehört, sich an einen Tisch zusetzen, eine gemeinsame Agenda zu erstellen und die Kräfte zu vereinen. Das ist nicht geschehen; von keiner Seite. Oder haben wir etwas verpasst?

Wo waren die Vorschläge zu gemeinsamem Handeln, zu Kooperation? Mir sind nur die immer gleichen gegenseitigen Vorwürfe im Ohr. In diesem Prozess gab es keine Guten!

Ach ja, die Frage: Wann beginnt der Dritte Weltkrieg? Er ist bereits ausgebrochen und nun kommt er näher. Hat der Frieden noch eine Chance? Wenn so weiter gedacht und gehandelt wird wie bisher: Nein! Wer die Welt mit Kriegen beglücken will, vernichtet sie. Und das, liebe Mitmenschen, betrifft alle Seiten!


Quellen und Anmerkungen

(1) Der Begriff Modus Vivendi (lateinisch: die “Art (mit etwas) zu leben”) bezeichnet unter anderem eine Übereinkunft, Verständigung und dergleichen. Im völkerrechtlichen Sinne ist eine vorübergehende Verständigung zwischen Völkerrechtssubjekten gemeint, die später durch eine endgültige Abmachung abgelöst werden soll. Also eine vorläufige Regelung in einer Streitfrage beziehungsweise ein für alle beteiligten Seiten erträgliches Arrangement.


Ein ruhender Mensch auf einem weißen Bett. (Foto: Ahmet Ali Agir, Unsplash.com)

Alles beginnt mit dem ersten mutigen Schritt!

Journalismus hat eine Zukunft, wenn er radikal neu gedacht wird: Redaktion und Leserschaft verschmelzen zu einem Block – der vierten Gewalt. Alles andere ist Propaganda.


Foto: Emre Turkan (Unsplash.com)

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

5 Antworten auf „Wann beginnt der Dritte Weltkrieg?“

“der dritte weltkrieg tobt bereits seit langem”, ja, ist so, stellvertreter-heiße-kriege und kriegsähnliche zustände überall auf dem globus als mensch gegen mensch + zunehmende umweltzerstörung als mensch krieg gegen natur, wobei wir mit absoluter sicherheit zumindest unseren krieg mensch gegen natur verlieren werden – es muss doch kaputtzu-kriege(n) sein !

Sehr richtig, Herr Mersmann: “Die Chance wurde vertan”, gemeinsam eine Friedenslösung zu finden. Die USA sind in einer ganz anderen Lage als Deutschland und Europa. Was stört es die Falken dort, wenn sie zündeln und die Raketen von Moskau nach Ramstein/Büchel fliegen? Von Europa nach Europa! Wir aus der 2014 enstandenen Friedensbewegung 2.0 nach der Machtergreifung der faschistoiden Kräfte auf dem Maidan, Kiew, sagen ganz deutlich: Warum lesen sich weder “unsere” Politiker noch die Journalisten den Vertrag Minsk 2 durch (2 Seiten), warum applaudieren sie Putin 2001 nach seiner auf deutsch gehaltenen Rede im Bundestag und lassen keine Taten/Gespräche folgen? Haben sie die 1-stündige Rede von Putin aus 2022 überhaupt gelesen (übersetzt von Thomas Röper)? Da hat die Duma Putin beauftragt im Sinne der russischstämmigen Bevölkerung im Donbas und Lugansk die Republiken anzuerkennen, weil in Kiew nicht an einer föderalen Struktur für die ganze Ukraine gearbeitet wurde, sondern Granaten gegen die eigene Bevölkerung geworfen wurden. Das muss man doch wissen!

@ herrn Voß: natürlich sitzen die kriegetreiber auf allen seiten, auch in usa, die seit WK2 laufend beispiele dafür geliefert hat, wie man weltgegenden, die einem im weg stehen, sabotiert, und auch die ständige osterweiterung der nato dient natürlich usa-interessen, die sich oft genug als “weltpolizei” geriert haben, was letztlich immer schiefgeht, und die betreffenden weltgegenden ins elend stürzt..
genauso wird putins krieg jetzt in irgendeiner weise schiefgehen, womit wir jetzt den anfang vom ende der ära putin erleben.
aber um all das geht es nicht, sondern vielmehr darum, dass alles zusammengenommen: militärisches + wirtschaftliches + kulturelles + eh schon hunger und elend auf der welt + umweltzerstörung globalweit längst den rahmen füllt, um von einem längst ablaufenden realen 3.weltkrieg sprechen zu können, in dem wir alle uns befinden.
und was machen wir jetzt “im westen”? statt uns “abzurüsten”, unsere “kriege” gegen mensch + natur einzustellen, haben wir uns dazu entschlossen, zukünftig noch weiter uns aufzurüsten, militärisch und wirtschaftlich, also auf noch mehr zerstörungspotential zu setzen.
warum zb gibt es keine konstruktiven kriege? zb bundeswehr komplett nach indien, infrastrukturen aufbauen, oder unsere soldaten nach brasilien, die zerstörten urwälder renaturieren, oder bundeswehr zusammen mit der russ armee russlands east und far-east entwickeln ? oder bundeswehr als technisches hilfswerk hochrüsten, und dann als schnelle eingreiftruppe bei weltweiten katastrophen verwenden ?

Was würde Bertold Brecht uns heute sagen?

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hat sich nahezu weltweit, anderes ausschließend und verdrängend, und scheinbar alternativlos die kapitalistische Wirtschaftsweise durchgesetzt. Bertold Brecht zeichnet in seinem „Galilei“ ein düsteres Zukunftsbild: „Ihr mögt mit der Zeit alles entdecken, was zu entdecken ist, und euer Fortschreiten wird doch nur ein Fortschreiten von der Menschheit weg sein. Die Kluft zwischen euch und ihr kann eines Tages so groß werden, dass euer Jubelschrei mit einem Entsetzensschrei beantwortet werden könnte.“
Die Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges und vor allem die Entwicklung der Atombombe bewogen Brecht auf den möglichen Missbrauch wissenschaftlicher Erkenntnisse aufmerksam zu machen. Der durch die Hochrüstungsprogramme von NATO- und Warschauer Pakt- Staaten verursachte universale Entsetzensschrei brachte eine starke internationale Friedensbewegung hervor, die bis heute den Ausbruch des dritten Weltkriegs gestoppt hat.
Mit dem Zusammenbruch des sogenannten realsozialistischen Weltsystems gab es einen gewissen Abbau hochkomplizierter und – gefährlicher Waffensysteme. Aber immer noch werden neue Waffen entwickelt, produziert, und nachdem es das „Gleichgewicht des Schreckens“ nicht mehr gibt, zu egoistischen Zwecken, zur Durchsetzung von Interessen einzelner und zum Stimulieren von Entwicklungen in sich nicht konform verhaltenden Regionen eingesetzt.

Darum brauchen wir auch heute immer noch eine INTERNATIONALE FRIEDENSBEWEGUNG!!!

friedensbewegung ?
ca 50 milliarden euro jährlich für “unsere” bundeswehr, und jetzt 100 milliarden als urplötzlichen nachschlag, so sieht unsere art aus friedens-bewegt zu sein, während offizielle friedensbewegung von spenden lebt = “suppenküchen”,
und nicht friedensbewegung hat bisher den ausbruch eines neuen “weltkrieges” verhindert, sondern viel simpler das sog “gleichgewicht des schreckens” = wer als erster losschlägt, stirbt als zweiter. doch mittlerweile ist die waffentechnik weiter fortentwickelt, und das gleichgewicht des schreckens gilt nur noch bedingt, und prompt lebt die rüstungsindustrie wieder zur hochform auf, die rüstungsetats steigen weltweit, und man bereitet praktisch sehenden auges einen dritten zukünftigen ganz großen krieg wieder vor, und das international, und was die kleinen friedensbewegten leutchen dazu sagen ist: es sind nur applausaffen bei diesem konzertierten soldatentapfer auf einen dritten großkrieg zumarschieren.
die legende ist: je mehr waffen weltweit herumstehen, desto sicherer ist der frieden, das heißt übersetzt: je mehr gefüllte benzinkanister herumstehen, desto sicherer ist, dass kein feuer ausbricht = wahnsinn !, und noch wahnsinniger: das wird von den leuten geglaubt !
wenn jetzt nato oder putin nur noch ein wenig verrückter werden, als sie eh schon sind, haben wir schon den dritten ganz großen krieg, und erneut beginnend in europa, trotz aller friedens-bewegten “narren”.
menschen schlagen sich gerne die köpfe ein, und leiden dabei auch gerne, das ist einfach ein anthropo… grundmotiv, da nutzen alle friedensbewegungen nichts.

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