Jedes kleinste Detail kann den Quantensprung auslösen. Eine gelieferte Waffe aus deutschen Beständen, ein von einer Granate getroffenes Auto, in dem nach Kiew gereiste Mitglieder von NATO-Staaten sitzen, die Explosion einer Gasleitung, die nach Westeuropa führt – oder aber Geschichte wiederholt sich doch das ein oder andere Mal –, ein Attentat auf einen Diplomaten, egal von welcher Seite.
Der Krieg kann, zumal er durch die Art und Weise, wie er in den Medien dargestellt wird, in jeder Sekunde zu einem Flächenbrand werden.
Die Mentalität vor allen Dingen derer, die nicht aus unmittelbarer Erfahrung wissen, um was für eine Tragödie es sich dabei handelt, ist vorzüglich bearbeitet. Dort ist das Prinzip der Rechthaberei implantiert, das, sollte es den Blick wie gewohnt trüben, den Überlebenssinn außer Kraft setzt.
Die Kriegsgewinnler
Kein Tag vergeht, an dem nicht alle, die in die Studios geladen werden, die anstachelnden Reporter und Moderatoren dahingehend beruhigen, dass sie auf jeden Fall daran glauben, man könne die Handlungen “Putins” durch einen langandauernden Guerillakrieg in der Ukraine zunichtemachen. Dass dabei ehemalige Bundesverteidigungsminister sind, die jetzt für die Rüstungsindustrie arbeiten oder aktive Oppositionspolitiker, deren Unternehmen, für die sie Jahrzehnte unterwegs waren, sich in Rüstungskonzerne mächtig eingekauft haben, scheint niemanden zu stören.
Aber was klagen wir noch, wir kennen den Zustand der meisten öffentlichen wie privaten Meinungsmacher. Nach der Spaltungshetze während des Corona-Traumas folgt nun die Kriegshetze. Alles immer für die Freiheit und die Werte versteht sich.
Die Zeit danach
Das Verräterischste an der zu beobachtenden Episode ist das Ausklammern der Frage, wie es nach dem kriegerischen Konflikt weitergehen soll. Jeder ernst zu nehmende Mensch muss sich diese Frage stellen. Aber sie ist im Kokon der öffentlichen Diskussion nicht en vogue. Dabei gäbe es einige Optionen:
- Der Krieg bleibt lokal, entwickelt sich zu einem langwierigen Zermürbungskrieg, die Ukraine ist irgendwann völlig ruiniert, Russland wirtschaftlich und mental geschwächt, in den EU-Staaten herrschen Inflation und Massenarbeitslosigkeit.
- Es kommt, ob durch Sabotage, Zufall oder Willen zu einer Beteiligung der NATO, der Konflikt weitet sich aus und eventuell kommt es zu lokalen atomaren Schlägen, Russland bleibt geschwächt, Mitteleuropa hat sich von der Zivilisation verabschiedet und die Welt wird neu aufgeteilt.
- Eine baldige Waffenruhe wird vereinbart und es werden Vertragsverhandlungen geführt, mit deren Resultaten am Ende die direkt Beteiligten zumindest für ein Jahrzehnt werden leben können. Russland kommt unter Wahrung des Gesichts und mit einem blauen Auge davon. Leidtragend bleibt die Ukraine in Bezug auf die Kriegsschäden, sie erhält jedoch die Chance, sich vom Status eines korrupten Oligarchenstaates zu entfernen, sich unter dem Gebot der militärischen Neutralität nach eigenem Willen weiterzuentwickeln.
Natürlich wären andere Optionen denkbar. Nichts ist ohne Alternative und gute Ideen für die Zeit nach dem Desaster sollten nie blockiert werden. Was allerdings bei den aufgezählten Optionen auffällt, ist, dass die für die Ukraine und Europa inklusive Russlands schlechtesten Versionen 1 und 2 im Interesse der USA sind, da das strategische Ziel der Befriedung Eurasiens erreicht wäre.
Ihre Angst
Und genau diese Optionen werden medial in der jetzigen Phase favorisiert. Das spürt übrigens auch, und diese Erkenntnis sollte ausgesprochen werden, ein Bundeskanzler Olaf Scholz, der nach wie vor auf Verhandlungen mit dem Ziel sofortiger Waffenruhe und die Anerkennung realer Machtverhältnisse setzt und dafür medial attackiert wird, während die Außenministerin mit ihrer Eskalationsrhetorik in den höchsten Tönen gelobt wird.
Fassen wir es zusammen: Die Kriegsgewinnler fürchten den Frieden. Keine sonderlich neue Erkenntnis!

Alles beginnt mit dem ersten mutigen Schritt!
Journalismus hat eine Zukunft, wenn er radikal neu gedacht wird: Redaktion und Leserschaft verschmelzen zu einem Block – der vierten Gewalt. Alles andere ist Propaganda.
Foto: Tim Hüfner (Unsplash.com)
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
2 Antworten auf „Kriegsgewinnler: Die Angst vor dem Frieden“
MOZART Die Zauberflöte: In diesen heil’gen Hallen Text
In diesen heil’gen Hallen – Kennt man die Rache nicht – und ist der Mensch gefallen – Führt Liebe ihn zur Pflicht – Dann wandelt er an Freundes Hand – Vergnügt und froh in’s bess’re Land
In diesen heil’gen Mauern – Wo Mensch den Menschen liebt – Kann kein Verräter lauern – Weil man dem Feind vergiebt
Wen solche Lehren nicht erfreun – Verdienet nicht, ein Mensch zu sein – Ein Mensch, ein Mensch zu sein
Krieg wird von den Menschen seit eh und je als grausam, destruktiv und zerstörerisch erlebt. Glück, Liebe und Freude dagegen stehen immer mit Frieden in Verbindung.
Es bleibt die Frage, warum findet Krieg überhaupt statt, liegt es in der Natur des Menschen, sich kriegerisch durchsetzen zu müssen oder kann ihn seine Kultur vor der Selbstzerstörung bewahren?
Zwischen Krieg und Frieden pendelnd sah Lew Tolstoi das gesellschaftliche Leben der Menschen. Über Krieg im Allgemeinen schrieb er in seinem „Kalender der Weisheit: „Die bewaffnete Welt und die Kriege, die sie führt, werden eines Tages zunichte gemacht, aber nicht durch die Könige oder Herrscher der Welt, denn diese profitieren vom Krieg. Der Krieg wird in dem Augenblick aufhören, in dem die Völker, die darunter leiden, wirklich verstehen, dass er schlecht ist.“ Und er zitiert in diesem Zusammenhang den chinesischen Weisen Laotse: „Die mächtigste Waffe, die wir kennen, ist die Waffe des Segens. Deswegen verlässt sich der Kluge darauf. Er gewinnt durch Frieden, nicht durch Krieg.“
Welche Rollen spielen die Großmächte USA, Russland und China gegenwärtig in der Welt?
Die USA erteilen nicht nur eine freundliche Absage an ihre Freunde und Nachbarn, sie sind es, die die internationale Gemeinschaft, von der UNO bis zur WTO und zur Umweltpolitik, bewusst lähmen, Vertragsnetze zerstören, weltweit Kriege provozieren, per Regime-Change in die Souveränität anderer Staaten einbrechen.
Russland hat, von Michail Gorbatschow an aufwärts bis zu Wladimir Putin, immer wieder neue Angebote gemacht, mit Europa eine Eurasische Sicherheitsarchitektur von Wladiwostok bis Lissabon aufzubauen. Selbst die USA wollte Russland darin mit einbeziehen. Statt Unruhe zu schaffen, hat Russland sich auf diese Weise, schon im Interesse seiner eigenen Rekonvaleszenz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, zu einer Kraft entwickelt, ohne die inzwischen im globalen Konfliktmanagement nichts mehr läuft. Russland wurde geradezu zum Bollwerk gegen die von den USA ausgehende Destabilisierung der globalen Ordnung.
Der Aufstieg Chinas zur größten Wirtschaftsmacht erscheint für den US-geführten Westen überraschend, ja provozierend. Doch er hat selbst zu dieser Entwicklung beigetragen, allerdings ungewollt. Die Volksrepublik hat sich nicht nur aus kolonialer, feudaler und imperialistischer Ausbeutung und Abhängigkeit weitgehend befreit, sondern gestaltet auch national und international einen nachhaltigen, alternativen Entwicklungsweg – nicht nur ökonomisch, sondern auch in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht. Die Volksrepublik praktiziert im Unterschied zur US-geführten westlichen Kapital-Demokratie die Globalisierung ohne militärische Begleitung und ohne wirtschaftliche Sanktionen. China, zudem in Verbindung mit einem weiten und differenzierten Netz an Kooperationspartnern auf allen Kontinenten, ist damit ein entscheidender und stabiler Faktor in der von sozialer Ungleichheit, Krisen und Kriegen durchzogenen Weltgemeinschaft.
Ist die zum Ausdruck kommende Sichtweise nicht zu regional, zu kleinkariert? Dieser Stellvertreterkrieg scheint so nah an Russland, an Moskau, geführt zu werden, dass sich das Innere nach außen kehrt. Kann sich China leisten, dass die USA ihrer Kriegsmaschinerie an der Grenze zu Russland platziert, ist die Frage! Die Volkswirtschaftler in China werden an der Frage arbeiten, ob sie weiter für die Staatsanleihen der USA (das Außenhandelsdefizit) arbeiten oder den Spieß umdrehen, dieses Geld abschreiben und eine neue ($-unabhängige) Weltwährung einführen oder bilateral abrechnen. Wenn Sie den 1.Weg wählen, wird das höchst verschuldete Land der Welt, das Imperium USA, fallen, pleite sind sie ja schon. Wählen sie Weg 2 werden die USA ein Land wie alle anderen. Wollen wir hoffen, dass die ReGIERung Deutschlands von ihrem Tun ablässt und endlich zum Wohle Deutschlands und Europas handelt, sonst werden wir alle mitgerissen.