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Grüne, USA und Europa: Oh, welch ein Malheur …

Wenn es noch eine Vision Europas geben kann, dann ist es diese: die der sich gegenseitig helfenden Menschen. Und in dieser Vision haben alle Kriegsgewinnler keinen Platz!

…ich hab meine Unschuld nicht mehr! Ob man bei den Grünen davon ausgehen sollte, dass es noch so etwas von Unschuld im Sinne einer aus dem Herzen kommenden reinen Vorstellung von Politik vor dem Eintritt in eine Bundesregierung gegeben hätte, sei wenigen Idealisten zugestanden. Betrachtet man jedoch die Protagonisten, von einem Ministerpräsidenten, über verschiedene Minister bis zu einigen Brüsseler Schranzen, dann ist alleine an ihrer Physiognomie schon zu erkennen, dass sie bereits einiges erlebt haben, mit allen Wassern gewaschen sind und vieles mitmachen, wovor gut erzogene Menschen zurückschrecken würden.

Die jetzigen Minister in der Bundesregierung waren vor gut 100 Tagen noch einigermaßen unverbraucht, mit Ausnahme des Kämpen R.H., der bereits im Hohen Norden als Minister waltete und sich mit den erdverbundenen Bauern herumgeschlagen hatte.

Kaum im Amt, schlug ein Krieg direkt vor der eigenen Haustür zu Buche. Das ist ein Ereignis, das bei der Betrachtung von den ersten 100 Tagen eine milde Sicht erfordert. Denn dann herrscht Dauerkrisenmodus und von einer Herangehensweise an das übliche bzw. neue, Weichen stellende Regierungsgeschäft kann natürlich keine Rede sein.

Betrachtet man jedoch die Ergebnisse, die der Krieg in der Ukraine hinterlässt, dann haben die Grünen bereits eine ganze Reihe von Zielen erreicht. An derartig schlagartige Ergebnisse hätten selbst die feurigsten Ideologen aus dem eigenen Lager nicht im Traum zu denken gewagt.

Deckungsgleichheit

Ganz Europa befindet sich mit dem Hauptfeind Russland im Krieg, wenn noch nicht militärisch, dann zumindest wirtschaftlich. Die Energieversorgung der deutschen Industrie ist bedroht, also wird weniger produziert werden und für eine bessere Öko-Bilanz gesorgt sein. Gleichzeitig werden durch die hohen Energiepreise alle Konsumgüter des täglichen Bedarfs erheblich teurer. Das senkt mangels Kaufkraft beim uneinsichtigen Pöbel den Konsum und sorgt wiederum für eine Entlastung des Weltklimas.

Die Aufgabe der Abhängigkeit von russischen Energieträgern führt zu einer neuen Liaison mit Ländern Arabiens, die zwar am Pranger wegen ihrer Menschenrechtsverletzungen, von der Verfolgung und Hinrichtung von Homosexuellen bis zu Körperverletzung und Freiheitsberaubung von Frauen standen, aber praktische Politik ist ohne Kollateralschaden nicht zu bewerkstelligen, das wussten wir alle. So wie man wie ein Löwe für die Freilassung eines Herrn Nawalny kämpft, der im russischen Kerker sitzt, aber die Existenz eines weitaus demokratischer einzuordnenden Julian Assange im britischen Verlies geflissentlich nicht mehr zu registrieren bereit ist.

Interessant ist die Deckungsgleichheit auf der Gewinnseite zwischen den Grünen und den USA. Auch diese haben von dem Krieg, an dessen Vorbereitung sie maßgeblich seit acht Jahren beteiligt waren, massiv profitiert: Russland ist politisch, wirtschaftlich und kulturell für lange Zeit von Zentral- und Westeuropa abgeschnitten, die europäischen Staaten und besonders Deutschland sind ökonomisch wie strategisch extrem geschwächt und der militärisch-industrielle Komplex, der sich fein hinter den Demokraten unter Joe Biden platziert hat, freut sich über üppige Waffengeschäfte und die amerikanische Öl-Lobby über einen neuen Markt für Flüssiggas.

Keinen Platz für Kriegsgewinnler!

Dass dabei die Ukraine einen Zoll wird zahlen müssen, der das Land für ein bis zwei Generationen vom Prozess der Zivilisation abkoppeln wird, wird auf allen Seiten achselzuckend in Kauf genommen. Dieses Ergebnis bewegt nur die Menschen, die wissen, wie es ist, wenn oligarchische Elemente, egal auf welcher Seite, ihren ekelerregenden Geschäften nachgehen. Diese Menschen helfen – in ganz Europa. Und wenn es noch eine Vision Europas geben kann, dann ist es diese: die der sich gegenseitig helfenden Menschen. Und in dieser Vision haben alle Kriegsgewinnler keinen Platz! (1)


Quellen und Anmerkungen

(1) Kriegsgewinnler sind Personen oder Organisationen, die (tatsächlich oder vermeintlich) Notsituationen in Kriegszeiten ausnutzen, um überproportional hohen Gewinn zu erwirtschaften. Dazu gehören Schwarzhändler, Waffenhändler und die Rüstungsindustrie. Ebenfalls als Kriegsgewinnler bezeichnet werden Personen und Organisationen, welche in Kriegen legal, aber moralisch umstritten handeln.


Ein ruhender Mensch auf einem weißen Bett. (Foto: Ahmet Ali Agir, Unsplash.com)

Alles beginnt mit dem ersten mutigen Schritt!

Journalismus hat eine Zukunft, wenn er radikal neu gedacht wird: Redaktion und Leserschaft verschmelzen zu einem Block – der vierten Gewalt. Alles andere ist Propaganda.


Foto: Cristi Ursea (Unsplash.com)

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

3 Antworten auf „Grüne, USA und Europa: Oh, welch ein Malheur …“

Dieser gut geschriebenen, knappen Analyse stimme ich uneingeschränkt zu.
Schön, dass es doch noch Journalismus gibt, der in zeitlichen Zusammenhängen schreibt und dadurch auch aufklärt. Zu häufig wird man mittlerweile durch Presse & TV nur noch mit der Kunst der Auslassung und der Übertreibung beglückt. Wir sollen halt nichts mehr verstehen, sondern uns nur noch unseren Emotionen hingeben. Denn mit denen lässt sich bekanntermaßen gut lenken :-)

Wenn es Sinn der Politik der Grünen war, einen transatlantischen Teppich aus Gesichtsmasken von Europa bis zu den USA zu weben, dann haben sie bald ihr Ziel erreicht. Mitweltschutz gibt es wohl nur außerparlamentarisch.

Warum befindet sich unser menschliches Dasein gegenwärtig im eskalierenden Verfall?

Es hängt vom Charakter der Gesellschaft ab, ob sich die Menschheit in Richtung sozialer Gerechtigkeit und zur Gestaltung harmonischer Wechselbeziehungen zwischen den ökologischen und wirtschaftlichen Kreisläufen bewegt, oder ob sie sich auf den Weg der Selbstzerstörung ihres Daseins und zum Untergang des Ökosystems Erde gemacht hat. Wie auch in der Frage Krieg oder Frieden ist der Umbruch offen für positiven oder negativen Wandel. 

Die Gegenwart des 21. Jahrhunderts kennt weltweit nur noch eine verschwindend kleine Zahl von Eigentümern an Produktionsmitteln. Fast alles Eigentum befindet sich in machtpolitisch gestützten, juristisch garantierten Besitz mehr oder weniger anonymer Finanzgesellschaften. Produktion, Dienstleistung, Konsumtion und Reproduktion, also das ganze zwischenmenschliche Miteinander, wird durch Investitionen der Kreditinstitute und der Finanzbörse vorfinanziert, um so der Profitmaximierung zu dienen. Eigentümer von Produktionsmitteln, die damit nutzbringende Produkte und Leistungen erbringen wollen, gelangen so in die Abhängigkeit der Finanzwirtschaft. Und die Arbeitsleistung wird von immer mehr Menschen als notwendige Last und nicht wie ursprünglich als nützliches am tätig sein empfunden, da der größte Teil des erarbeiteten Gewinns nicht zur Verbesserung der Lebensqualität aller genutzt, sondern zum füttern des immer gefräßiger werdenden Geldmolochs vergeudet wird.

In der ganzen neueren Zeit führte die Idee der Vernunft, ob ihre Träger das beabsichtigten oder nicht, auf den Gedanken des revolutionären Aufbruchs, der grundlegenden Veränderung. Die Menschheit kann nur Überleben und ihre Zukunft wahren, wenn sie ihr gesellschaftliches Leben, ihre sozialökonomischen Zielfunktionen, den Inhalt ihrer Institutionen und ihre ideologischen Strukturen grundlegend, strukturell verändert und erneuert. Dazu bedarf es vorausgreifender humanistischer Konzepte und Strategien, die über ein solides wissenschaftliches Fundament verfügen. Niemand in der Welt hat dafür fertige Lösungen an der Hand. Ein solches Fundament kann heute nur aus dem Zusammenwirken aller Menschen und im Diskurs unterschiedlicher Sichtweisen erwachsen.

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