In Zeiten, in denen außer dem Superlativ nichts mehr zu gelten scheint, ist es außergewöhnlich, wenn sich Akteure, die mitten im Spiel stehen, nicht an dem Getöse der Überbietung beteiligen.
Nicht, dass sie der Kategorie entsprächen, von der man sagt, es handele sich um die, die in einem weisen Moment begriffen, dass sie nichts zu sagen hätten. Aber sie sprechen dennoch nur das Nötigste. Zumindest öffentlich.
Der Verstand und eine Fähigkeit, das, was gemacht oder beschlossen werden könnte, bis zu Ende oder gar vom Ende her zu denken, mahnt sie zur Vorsicht. Und diese Vorsicht ist es, die die Pistoleros, für die nur der Augenblick der Aufmerksamkeit von Bedeutung ist, hassen wie die gerade erlebte Pest. Obwohl auch diese Pest beste Gelegenheit dafür bot, bei jedem nur erdenklichen Moment aus der Hüfte zu schießen und unermesslichen Schaden anzurichten.
Szenarien
Werden wir konkret: Was wäre, wenn sich herausstellen würde, was gar nicht so unwahrscheinlich ist, dass man es mit der jetzigen Funktionselite in der Ukraine mit einem Ausbund von Hasardeuren zu tun hätte, und man in einem Zustand danach mit autokratischen Drecksäcken konfrontiert wäre, deren Beschaffenheit dem ähnelten, was man die ganze Zeit bekämpfen wollte?
Neu wäre das nicht; rückblickend auf die letzten Jahrzehnte und die in anderen Erdteilen stattgefunden Kriege und die darin unterstützten Verbündeten eher die Regel. Und was noch schlimmer wäre, wenn ein Russland nach Putin Gestalten hervorbrächte, die das noch bei Weitem überträfen, was man an diesem so hasst?
Und wenn gar, wie von renommierten der EU proklamiert, gar die jetzige Russische Föderation zerfiele und plötzlich wild gewordene Steppenfürsten im Besitz von Atomwaffen wären? Auch das ist durchaus vorstellbar. Aber das alles spielt bei den jetzigen Experten, die die hohe Wertschätzung der staatlich geprüften Demagogen genießen, keine Rolle.
Never underestimate the Germans
Alle Mahnungen und Hinweise, die berechtigt sind und die betrachtet werden müssen, finden nicht mehr im medial öffentlichen Raum statt. Aber sie finden statt, sowohl im Kanzleramt als auch auf der Straße. “Never underestimate the Germans” – Unterschätzen Sie niemals die Deutschen, wie es die zigmal gedemütigten Briten, die sich, wenn es um Kriegstreiberei geht, zu nichts zu schade sind, im Fußball formulieren.
An alle, die der Verzweiflung nahe sind oder bereits von ihr umarmt wurden:
Alle, die jetzt so gerne öffentlich beschimpft werden, haben einen Großteil dessen erfasst, worum es geht. Und sie haben eine Ahnung davon, was passieren könnte, überließe man die Leinen denen, die jetzt die große Aufmerksamkeit genießen.
… kurzes Szenario oder groteskes Ende
Man betrachte das jetzige Szenario, das einem an Frivolität nicht mehr zu überbietenden Panoptikum gleicht, vielleicht als kurze, brandgefährliche, aber höchst wahrscheinlich auch unbedeutende Episode der neueren Geschichte. Oder – sollte es anders laufen – als das groteske Ende menschlicher Verirrung.
Die auf Knien winselnd unter den Schutz des Militarismus heimkriechenden Rebellen aus den anti-autoritären Kinderläden, die Internationalisten, die sich an Thüringer Bratwürsten verschluckt haben, die Waffenlobbyisten, die sich in alter Tradition rheinisch-westfälisch gut behauptet haben, die Gutgläubigen, deren Herz blutet und die helfen wollen, ohne die Regisseure des Elends dafür verantwortlich machen zu können, die Kirchen, die wieder Waffen segnen, die Gewerkschaften, die keinen Begriff mehr von Kämpfen haben, aber den der anderen befeuern und, es wird unappetitlich, jene karrieregeilen Politikerinnen und Politiker, die nichts gelernt haben, als lüstern ins Rampenlicht zu blinzeln, weder einen Beruf noch aus der Geschichte.
Lassen wir das. Reden ist Silber, schweigen ist Gold.

Alles beginnt mit dem ersten mutigen Schritt!
Journalismus hat eine Zukunft, wenn er radikal neu gedacht wird: Redaktion und Leserschaft verschmelzen zu einem Block – der vierten Gewalt. Alles andere ist Propaganda.
Foto: Dev (Unsplash.com)
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
5 Antworten auf „Ein Gedanke zum Szenario: Schweigen ist Gold!“
Geht es nur mir so? Wer keinen Fernseher hat, sich nicht mehr um die Altmedien kümmert und die Politikerkaste nicht mehr ernst nehmen kann, dem entgeht vielleicht, worauf hier Bezug genommen wird. “Werden wir konkret”, heißt es, doch es wird nicht konkret! Könnte es bedeuten, dass unsere Politiker innehalten? Merken Sie, dass ihre Oberflächlichkeit ihnen gerade auf die Füße fällt? Wird ihnen bewusst, welche Fehlentscheidungen zum Nachteil ihrer Wähler und ihres Amtseides sie getroffen haben?
ich stimme dem “schweigen erscheint gold” zu, denn wir noch unbetroffenen (es könnte ja auch für uns kriegsheiß werden, da wir alles dafür tun) müssen die ukr sache jetzt eh “aussitzen”, und die einschränkungen, welche man uns jetzt auferlegt, und zukünftig noch stärker auferlegen wird, in pullovern und weniger zu essen, halt weiterlebend verdauen, während bei der rüstungsindustrie und ihren lobbies aller politischen couleuren seit wochen die sektkorken knallen, und kaviar und hummer gereicht werden.
nur kanzler scholz geht mir mit seiner hamburger zögerlichkeit auf den senkel, zb nur 100 milliarden für die BW, das sind peanuts, statt im ersten wurf 500 milliarden an sondervermögen BW bereit zu stellen, und das am besten alle mindestens 2 jahre, und die paar waffen für die ukr, statt direkt, dem ukr botschafter folgend, die ganz große keule zu ziehen, 1 billion euro für die ukr als erste rate, und das jetzt auf der stelle, und dazu das feinste und beste, dass man auf dem internationalen waffenmarkt kaufen kann, die ukr kauft, DE zahlt.
so würde wirklich ein schuh draus !
und dass, wie herr voss oben sagt, unseren politikclowns ihr amtseid auf die füße fiele, sehe ich in den umfragen gerade gar nicht, wir sind doch einverstanden, in zukunft kalt zu wohnen, für nahrung vermögen zu zahlen, 1 liter benzin 35 euro, usw – hauptsache unseren eliten gehts gut und bestens “heizen der paläste, gerne dafür erfrieren in wohnungen” …
Der Kapitalismus mit seiner neoliberalen Ideologie wird abgeschafft, wenn die Obrigkeit nicht mehr so weitermachen kann wie bisher und die Unterdrückten nicht mehr so weiter machen wollen.
Dazu muss es aber erst kommen, jegliches hat seine Zeit. Veränderungen in den gesellschaftlichen Verhältnissen lassen sich nicht willkürlich herbeiführen. Der Wille aufzubegehren entsteht per se. Gegenwärtig ist die kapitalistische Wirtschaftsweise zwar im Verfall, aber noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt und die Machthaber agieren mit einem umfangreichen Potenzial von Machtinstrumenten, ein starkes davon ist Angstmacherei.
Da es in der Politik immer um die Durchsetzung von Interessen oder deren Ausgleich geht, muss es in jedem Fall, um wahrhaftiger Gerechtigkeit möglichst nahe zu kommen, darum gehen, ob durch die jeweils zu beschließenden Entscheidungen ein von allen Beteiligten anerkannter Nutzen stimuliert werden kann. Nicht das Maximum, das die einen durchsetzen wollen und auch nicht das Minimum, das den anderen zugestanden werden soll, sollte das angestrebte Ergebnis von Debatten, Verhandlungen oder anderen demokratischen Auseinandersetzungen vor Entscheidungsfindungen sein, sondern ein alles erfassendes Optimum.
… sondern ein möglichst alles und ALLE erfassendes optimum …, ja, das wärs, aber die realität sieht fast immer anders aus, da dürfen u müssen “die kleinen leute” immer und ewig ausbaden, was die eliten mehr oder weniger selbstherrlich entscheiden, und mit eliten sind diejenigen gemeint, die nie zur wahl stehen, obwohl sie die wirkliche macht im staat haben, für die wählbare politiker nur applausaffen u grußauguste sind, und für die das normale volk nur insoweit eine rolle spielt, als dass es nicht allzu aufmüpfig werden darf.
Man weigert sich ja letztlich die Angelegenheiten vom schlechten Ende her zu denken – so wirklich, so in echt. Aber:
Ist Deutschland nur so stark gewesen weil der “Klüngel” so gut funktionierte?
Wegen der selbstverständlichen Korruption/Heuchelei mit entspanntem Gemüt?
Mit nützlichen Antagonisten – systemisch integriert?
Weil die Realität durch Medien in passender Distanz präsentiert wurde?
Seitdem hier die “Welt” – jeglicher Art – einzug hält ist die gute Laune jedenfalls dahin und man ist überfordert. Wird Spielball im geostrategischem Gezerre und dafür gibts wohl weder etabliertes Personal noch das gesellschaftliche Nervenkostüm. Es fehlt jedenfalls an Erfahrung und die braucht Zeit und das Erleben – tja..
Will ich denn mal auch weniger kommentieren und wieder mehr beobachten – das da hinter dem Lärm.