Kategorien
Meinung

Kabarett, Witz und Satire: Holen wir den Humor zurück!

Humor war immer eines der essenziellen Mittel, wenn es darum ging, überkommenen Institutionen und ihren Vertretern den Weg zum Friedhof zu erleichtern und das Publikum auf diesem Weg bei Laune zu halten.

Die Liste der Anlässe, die den Stoff liefern, um die Hände über dem Kopf zusammenschlagen zu lassen, wird immer länger. Jeden Tag liefern uns die Figuren, die die wesentlichen Funktionen von Staat und Gesellschaft repräsentieren, genug Material:

  • Ob es nun eine Außenministerin ist, die zunehmend in der Bevölkerung als US-Außenbeauftragte bezeichnet wird, die vor einer Kriegsmüdigkeit im westlichen Lager warnt (1),
  • ob es ein Gesundheitsminister ist, der quasi nach den nächsten, pandemisch begründeten Notverordnungen lechzt (2),
  • ob es eine Verteidigungsministerin ist, für die NATO und EU deckungsgleich sind (3),
  • ob es ein SPD-Vorsitzender ist, der die Ansicht vertritt, eine europäische Friedensordnung ohne Russland (4) sei möglich,
  • oder ob es ein Landwirtschaftsminister ist, der mit der These viral geht, Fleischkonsum sei eine Unterstützung Putins (5) …

… man sehnt sich die Blütezeiten des deutschen Kabaretts zurück, in denen Lach- und Schießgesellschaften und Stachelschweine es der politischen Klasse so besorgten, dass die Parteien in dem einen oder anderen Fall sogar reagierten und Positionen änderten.

Erloschene Leuchttürme

Das lange beklagte und nicht mehr zu widerlegende Elend des Journalismus, das historisch einherging mit 9/11 und einer nahezu vollendeten Entwicklung der Monopolisierung, die Kaperung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten durch atlantische Thinktanks, die exklusive Orientierung auf Aufmerksamkeit und die Verfolgungswellen bis zur Vernichtung für diejenigen, die sich dieser Gleichschaltung widersetzen, bilden die eine Seite der Misere.

Die andere ist tatsächlich in dem Verfall von Kabarett und Satire zu sehen. Bis vor Kurzem noch existierte das eine oder andere Format, dem von politisch oppositioneller Seite noch zugestanden wurde, dass es wie ein Leuchtturm in der Nacht die einzige Institution sei, die sich an das dilettantische Handwerk der Mächtigen wagte. Aber auch diese Leuchttürme sind größtenteils nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine erloschen.

Die Angst vor den Repressalien einer unbändig kriegsgeilen Öffentlichkeit war wohl zu groß. Manch wackerer Barde fand sich auf Knien winselnd wieder, um in den mentalen Schoß des diesseitigen Imperialismus zurück zu kriechen.

Kritischer Journalismus und Humor

Wir reden über einen vorläufigen Endzustand des Krisenmanagements, das nicht mehr dem Interesse des Großteils der Bevölkerung entspricht. Denn wer von denen, die morgens aufstehen und im Prozess gesellschaftlicher Wertschöpfung einen Beitrag leisten, hätte Interesse an Krieg, Inflation und Naturzerstörung? Die Nachrichten darüber sind Trash und die Stimme des Humors ist verstummt.

Damit sind die Arbeitsfelder definiert. Neben den ökonomischen Kämpfen, die spätestens im Herbst anstehen, weil die Lasten des Imperialismus genau die beschriebenen, leistungsorientierten Kreise treffen sollen und nicht die, in deren Interesse er betrieben wird, wird es notwendig sein, an dem Projekt eines nach den Grundsätzen des kritischen Journalismus agierenden Nachrichtenwesens weiterzuarbeiten.

Neben diesen sehr kalten Feldern, auf denen es um Macht und Verstand geht, bleibt das des Bauches, und zwar im Sinne eines die Mentalität und Seele betreffenden Ansinnens, das darauf hinausläuft, den Humor zurückzuholen und die seelen- und mentalitätslosen Charaktermasken aufs Korn zu nehmen: mit ihrem Irrsinn, mit ihren Fieberfantasien, mit ihrer unendlichen Arroganz und ihrer sozialen Unzulänglichkeit.

Der Humor war immer eines der essenziellen Mittel, wenn es darum ging, überkommenen Institutionen und ihren Vertretern den Weg zum Friedhof zu erleichtern und das Publikum auf diesem Weg bei Laune zu halten.

Das politische Kabarett, der Witz und die Satire müssen zurück. Mit aller Schärfe! Nicht so leicht zu machen in Zeiten wie diesen. Der Appell bleibt!


Quellen und Anmerkungen

(1) MDR (25.5.2022): Baerbock warnt vor “Kriegsmüdigkeit” (Ticker-Meldung um 11.39 Uhr). Auf https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/politik/ticker-russland-ukraine-krieg-truppen-donbass-schwierige-lage100.html (abgerufen am 26.5.2022).

(2) t-online (24.5.2022). Affenpocken-Infizierte sollen für 21 Tage in Isolation. Auf https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_92244482/affenpocken-karl-lauterbach-infizierte-sollen-fuer-21-tage-in-isolation.html (abgerufen am 26.5.2022).

(3) WELT (17.5.2022): “Deutschland unterstützt ausdrücklich den Beitritt von Schweden und Finnland”. Auf https://www.welt.de/politik/video238801401/Nato-Verteidigungsministerin-Lambrecht-unterstuetzt-Beitritt-Schwedens-und-Finnlands.html (abgerufen am 26.5.2022).

(4) Badische Zeitung (17.5.2022): Ein historischer Kurswechsel. Auf https://www.badische-zeitung.de/ein-historischer-kurswechsel–212931485.html (abgerufen am 26.5.2022).

(5) Kreiszeitung (21.3.2022): Minister Özdemir: “Weniger Fleisch zu essen, wäre ein Beitrag gegen Herrn Putin”. Auf https://www.kreiszeitung.de/politik/cem-oezdemir-weniger-fleisch-zu-essen-waere-ein-beitrag-gegen-herrn-putin-91425835.html (abgerufen am 26.5.2022).

(6) (abgerufen am 26.5.2022).


Ein ruhender Mensch auf einem weißen Bett. (Foto: Ahmet Ali Agir, Unsplash.com)

Alles beginnt mit dem ersten mutigen Schritt!

Journalismus hat eine Zukunft, wenn er radikal neu gedacht wird: Redaktion und Leserschaft verschmelzen zu einem Block – der vierten Gewalt. Alles andere ist Propaganda.


Foto: K. H. J. / MCI (Pixabay.com; Lizenz)

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Wie ist Deine Meinung zum Thema?

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.