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Lektionen aus dem Krieg in der Ukraine

In den USA ist eine Kehrtwende zu verspüren, die auf eine vorzeitige Beendigung des Krieges in der Ukraine hinausläuft und mit Konzessionen an Russland verbunden ist.

Nach drei Monaten Krieg bekommt das Bild Konturen. Die wohl beabsichtigte Einnahme der Ukraine durch die russische Armee in wenigen Tagen ist Geschichte. Aus der Abwehr seitens der ukrainischen Streitkräfte ist allerdings auch kein erfolgreicher Befreiungskampf geworden.

Der Krieg hat sich, wie jeder andere von seiner wahren Seite gezeigt. Es geht brutal und dreckig zu. Die Opfer sind zivil wie militärisch. Es wird gemordet und gefoltert. Auf beiden Seiten! Bestimmte Erkenntnisse sind verboten, zumindest in der hiesigen Darstellung – wie vice versa, soviel Wahrheit sollte erlaubt sein, auf russischer Seite.

Auf der Invasorenseite befinden sich Hardliner und auf der Verteidigerseite sind tatsächlich Faschisten unterwegs. Und zwar mehr als – wenn überhaupt –zugestanden wird. Russland wird den Osten der Ukraine nicht mehr zurückgeben und die von Präsident Wolodymyr Selenskyj ausgegebene Parole, der Krieg höre erst auf, wenn Russland alles inklusive der Krim an die Ukraine zurückgegeben habe, hat sein Schicksal besiegelt. Nicht in Moskau, sondern in Washington.

Ein Ende mit Konzessionen

So sehr US-Präsident Biden wie auch sein Kriegsminister es sich wünschten, nämlich eine lange und dauerhafte Schwächung Russlands durch diesen Krieg, eine nukleare Eskalation ist genauso wenig in dem Plan wie eine direkte Beteiligung der NATO. Und obwohl, übrigens seit Jahren, Waffen en gros in die Ukraine geliefert wurden, der Krieg ist nicht mehr zu gewinnen.

So wie es aussieht, steht die Auslöschung der ukrainischen Streitkräfte durch die russischen Verbände bevor. Sie sind eingekreist und demoralisiert. Daher ist in den USA eine Kehrtwende zu verspüren, die auf eine vorzeitige Beendigung des Konfliktes hinausläuft und mit Konzessionen an Russland verbunden ist. Das erklärt die mentale Eskalation, die vom amtierenden Präsidenten der Ukraine, seinen Botschaftern und medialen Fürsprechern ausgeht.

Dass bereits in der Vorphase des Krieges militärische Operationen zur Rückeroberung der Krim und einer endgültigen Befriedung des Donbas beschlossen wurden, dass Notstandsverordnungen damit einhergingen und immer größere Teile der ukrainischen Bevölkerung sehr unzufrieden mit der Regierungsführung waren, hat selbige nicht davon abgehalten, mit der Begründung des Krieges weiterhin Rechte einzuschränken und Parteien zu verbieten (1).

Erstaunlich ist es nicht. Dass allerdings eine EU, die sich mittlerweile als ein Duplikat der NATO begreift, mit bestürzender Logik davon redet, dass eine durchaus korrupte, von Oligarchen beeinflusste und mit faschistischen Streitkräften durchsetzte Ukraine die liberale Demokratie an der Ostflanke verteidigt, ist an Scharlatanerie nicht zu überbieten.

Handelte es sich um Fragen der Demokratie und nicht der Geostrategie, dann hätte man in der Vergangenheit genug Anlässe gehabt, den Regierenden in der Ukraine begreiflich zu machen, was zu tun ist, um das Stadium eines Failed State zu verlassen. Diese Unterlassungen zeigen die Prioritäten. Erst müssen die Macht und der Einfluss gesichert werden. Und danach, wenn überhaupt, wird über die Art der Regierungsführung geredet.

Der Fall einer heißen Kartoffel

Ganz aktuell und nicht minder fatal ist die nun mehrfach artikulierte Position der Bundesregierung zu bewerten, dass es keine Zustimmung zu einer Beendigung des kriegerischen Konfliktes ohne die Ukraine geben wird. Im Prinzip ist das eine richtige Einstellung. Nur, und da sind nicht nur Zweifel angebracht, sondern es kann als ein Fakt gelten, dass die jetzige Regierung nicht für die “Ukraine”, das heißt die dort lebende multi-ethnische Bevölkerung spricht, ist deutlich geworden. Ebenso wenig wie all ihre Vorgänger. Sollte die Bundesregierung bei dieser Position bleiben, macht sie sich zu Komplizen.

In den USA scheint man in dieser Hinsicht bereits weiter zu sein. Da fällt die heiße Kartoffel ganz schnell zu Boden, wenn sie nicht zum Gericht der eigenen Interessen passt.

Das ganze Elend hätte eine gute Seite, wenn es dazu führte, dass die wahre Volkssouveränität in der ganzen Ukraine als Siegerin vom Platz ginge. Es ist bezeichnend, dass dieser Aspekt bis jetzt noch keiner der handelnden Figuren, ob in Ost oder West, in den Sinn gekommen ist. Auch das ist eine Lektion.

Quellen und Anmerkungen

(1) Frankfurter Rundschau (4.4.2022): Kritik an Selenkyjs Verbot unliebsamer Parteien. Auf https://www.fr.de/politik/kritik-an-selenkyjs-verbot-unliebsamer-parteien-91457194.html (abgerufen am 2.6.2022).


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Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

8 Antworten auf „Lektionen aus dem Krieg in der Ukraine“

Dass ethisch verrohte Neonazis russischen Kriegsgefangenen die Knie weggeschossen haben, ist anhand von Videos dokumentiert. Aber wie, verehrter Herr Mersmann, kommen sie zu der Aussage, russische Soldaten würden ebenfalls foltern? Können Sie das anhand von Quellen belegen?

Soweit mir bekannt ist, verhalten sich die russischen Soldaten genau umgekehrt, wie die ukrainischen Asow-Nazis, um einen deutlichen Verhaltenskontrast zu erzeugen. Kriegsgefangene werden medizinisch versorgt und anständig behandelt. Bei uns in Deutschland nennt man das in Militärkreisen die ‘innere Führung’.

Mir ist klar, dass niemand, der einen Fernseher sein eigen nennt, sich dieser ungeheuerlichen Propagandawalze, die uns da überrollt, vollständig entziehen kann. (…) HINWEIS ADMIN: “Zusatz gelöscht. Lesen Sie bitte die Netiquette und halten Sie sich daran.”

Absolut. Es fehlt auch jeder Beleg dafür, dass Russland angeblich in ein paar Tagen die ganze Ukraine einnehmen wollte. Es wird einfach mal vermutet.

Und was “die wahre Volkssouveränität der ganzen Ukraine” betrifft: Diese kommt vermutlich deswegen keinem informierten Zeitgenossen in den Sinn, weil dieses Ideal seit 2014 bis auf unabsehbare Zeit illusorisch ist. Aber mindestens in den Teilen der heutigen Ostukraine besteht eine gewisse Chance auf die Wiederherstellung von Volkssouveränität.

Sehe ich ähnlich und ist auch meine Meinung. Hatte aber denn doch die (2/3) Satire ersonnen. Mein Gedanke – hier nun doch noch seinen Platz findend..

“Billig äquidistante Betrachtung eines sich auf Propaganda Reime machenden Privatièrs?!”

Zudem – und leider – den konsequent operativen Charakter ausblendend. Die Soldaten sollen da aufräumen, im Auftrag der “Völker” die Würde und Menschenrechte verteidigen – so (o.ä) hätte man es früher mal formuliert. Also vornehme Pflichten erfüllend (wie es auch die sog. Blauhelme mal taten) – soweit meine Einschätzung.

P.S. HINWEIS an ADMIN:
Wenn dieses Blog hier >10k Aufrufe hätte dann würde ich mir die Netiquette auch sehr zu Herzen nehmen aber, wie bei mir (vor einigen Wochen) den Schiller Klassiker – in Abkürzung sogar – wegzulöschen ist denn doch eher kleinlich-peinliches Gebaren.

Wenn Ihnen die Netiquette Unwohlsein verursacht, weil Ihre Fähigkeit zum sachlichen Dialog ab >10k Aufrufen beginnt, suchen Sie sich bitte einen Platz, wo Ihr Bedürfnis nach diesen Quantitäten erfüllt wird.

Aha! ..endlich mal ein zarter Dialog – doch kein toter Briefkasten hier (o.so). Und auch Danke für den kleinen Einblick in die rethorisch amüsante Argumentation.
Stimme aber schon zu, was meine Präsenz hier angeht, nur “man” ist halt auch faul wenn es einem nicht ganz so wichtig ist.
;*)

Gegen Krieg und andere Grausamkeiten

von Angst bedroht
ein Angesicht
heiße Erde
grelles Licht
Zeugen letzter Not

bleibt Zuversicht denn
und Morgenrot
wenn kein Gebot mehr
Gier und Wahn
die Kralle bricht

uraltes Leid
darf noch geschehen
und macht bereit
Lebendige Vergangenheit
muss gehen

Wagen wir die Menschlichkeit FN

Nee..
Da ist mir zuviel “hätte” + Kaffeesatzleserei (o.Derivat?) drin!

Aber gut – denn will ich auch mal (..aber mit mehr Lametta!).
ich sach mal:

Der Selenski wird 2023 (oder 2024) die Friedens-Nobelpreis-Lotterie gewinnen und mit der Uschi (also seiner Wupper) ne Herrenboutike in Venedig aufmachen..
;*)

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