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Rezension

Simon Scarrow: Young Bloods

Der Brite Simon Scarrow hat mit Romanreihen über römische Militärgeschichte bereits großen Erfolg gehabt. Auch wenn grundsätzlich eine gewisse Skepsis gegenüber dieser etwas reißerisch angelegten Literatur vorhanden ist, so ist sein Werk “Young Bloods” zu empfehlen. Im Zentrum des Romans stehen die Biografien von Napoleon Bonaparte und dem Duke of Wellington.

In Zeiten, in denen es wichtiger denn je wäre, sich mit der Geschichte des eignen Kontinents zu befassen, um bestimmte bis heute anhaltende Verhaltensmuster zu verstehen und die Dynamik historischer Prozess erkennen zu können, ist es umso schlimmer, auf ein nahezu kollektives Desinteresse an Geschichte zu stoßen. Wer sich mit dem Phänomen befasst, gilt bereits als Mensch auf Abwegen.

Wenn, was die allgemeine Unwissenheit betrifft, zudem noch eine Aversion gegen die historischen Wissenschaften besteht, es sei denn, sie verhelfen zur Bestätigung des eigenen Handlungsmusters, dann kann es sinnvoll sein, den Zugang zu derartiger Materie in Form einer spannenden Erzählung zu schaffen.

Der Brite Simon Scarrow, der seinerseits Geschichte studiert hat, hat mit Romanreihen über römische Militärgeschichte bereits großen Erfolg gehabt. Auch wenn grundsätzlich eine gewisse Skepsis gegenüber dieser etwas reißerisch angelegten Literatur vorhanden ist, so erregte eine andere Serie desselben Autors dennoch ein gewisses Interesse in mir.

Simon Scarrow – Young Bloods. Revolution 1769 – 1795. Wellington and Napoleon. (Quelle: YouTube/Gerhard Mersmann)

Simon Scarrow, Napoleon und Wellington

Dabei geht es um die – in Deutschland wieder einmal mit einer miserablen und vom Original abweichenden Titelauswahl versehene – sogenannte Napoleon Saga. Abgesehen davon, dass Titel und Oberbegriff falsch sind bezüglich dessen, was die vier Bücher inhaltlich bieten, eine Empfehlung, sie zu lesen, spreche ich nach dem ersten Band dennoch aus.

In der englischen Ausgabe handelt es sich dabei um Young Bloods. Revolution 1769 – 1795. Wellington and Napoleon. Two Soldiers. One Destiny. (Deutscher Titel; eine nicht schlimmer zu treffende Fassung: Schlacht und Blut. Die Napoleon Saga 1769 – 1795).

Alte Herrschaft, revolutionäre Gedanken

Scarrow schildert die Entwicklung des jungen Korsen Napoleon Bonaparte und des in Dublin aufwachsenden Briten Arthur Wellesley, dem späteren Duke of Wellington. Bei beiden ist klar, dass sie von vornherein nur auf die eigene Leistung setzen können, wenn sie aus ihrem Leben etwas machen wollen; denn einer kommt aus der Familie eines Verwaltungsangestellten und der andere wächst im Milieu des untersten Adels auf.

Die politischen Verhältnisse, auf die die beiden Heranwachsenden treffen, könnten unterschiedlicher und gleichzeitig gleicher nicht sein. Hier eine Monarchie, die kurz vor dem Fall steht und zudem die Heimat Korsika des jungen Napoleon okkupiert hat und dort ein Empire, dessen Weltherrschaft beginnt, zu zerbröseln. In beiden Ländern herrscht auf der einen Seite die Blasiertheit des Ancien Régime (1) und in beiden Ländern beginnen die revolutionären Gedanken der bürgerlichen Gesellschaft zu reifen.

Die weiteren Entwicklungen beider Gesellschaften wie beider Figuren nehmen einen eigenen, unterschiedlichen Verlauf. Was beiden Protagonisten, deren Weg sich in der Geschichte mehrmals kreuzen wird, gemein ist, ist die Erfordernis, in politisch instabilen Zeiten die eigene Entwicklung, die von eigenen Wertvorstellungen geprägt ist, ausbalancieren zu müssen. Dabei geht es einerseits um das eigene Fortkommen, das oft deckungsgleich mit persönlicher Emanzipation ist, ohne sich zu prostituieren oder zu verkaufen und andererseits darum, die Tendenz der Geschichte auszublenden.

In beiden Fällen, bei Napoleon Bonaparte (2) wie bei Arthur Wesley (3), bleibt nur der Weg der eigenen Leistung. Ihr Pfad zur Macht wird bestimmt sein durch die eigenen Fähigkeiten und Taten. Beide sind Militärs und beide leben in Staaten, die sich als Feinde gegenüberstehen werden.

Im ersten Band dieser Tetralogie ließen sich aus meiner Sicht keine Belege für eine markante Abweichung von den tatsächlichen historischen Ereignissen finden. Die Lektüre, die zu vielen Fragen verleitete, was den gesellschaftlichen Kontext individuellen Handelns betrifft, ist flüssig und sogar im Strandkorb machbar. Nichts spricht gegen sie. Also sei sie empfohlen.

Ausschnitt einer Darstellung der Schlacht von Waterloo 1815. (Foto: William Sadler, Public Domain)
Ausschnitt einer Darstellung der Schlacht von Waterloo 1815 des Malers William Sadler. (Foto: Public Domain)

Informationen zum Buch

Young Bloods – Revolution 1769 – 1795

Wellington and Napoleon. Two Soldiers. One Destiny.

Autor: Simon Scarrow

Cover: Tim Byrne

Genre: Historischer Roman

Sprache: Englisch

Seiten: 504

Erscheinung: 2006

Verlag: Hodder Headline

ISBN: 0-7553-2433-1


Über den Autor: Simon Scarrow (Jahrgang 1962) wurde in Nigeria geboren und wuchs in England auf. Er arbeitete erst im öffentlichen Dienst und nach dem Studium als Dozent für Geschichte im englischen Norfolk. Seit 2005 ist er hauptberuflich als Schriftsteller tätig.

Scarrow schreibt vor allem historische Romane. Seine Roman-Serie über die römische Invasion Britanniens, die mit dem Werk “Under the eagle” beginnt, machte ihn als Autor bekannt. Das Leben Napoléon Bonapartes und Arthur Wellesleys verarbeitete er ebenfalls in einer Roman-Serie. 2006 erschient mit Young Bloods der erste Teil. Es folgten The Generals (2007), Fire and Sword (2009) und The Fields of Death (2010).

2019 veröffentlichte Simon Scarrow zusammen mit T. J. Andrews den Einzelband Pirata. Dieser erschien in deutscher Übersetzung im Heyne Verlag 2022 unter dem Titel Piraten. Die Handlung spielt 25 n. Chr., also wieder zurzeit des Römischen Reiches. Das Handelsschiff, auf dem der junge Telemachos angeheuert hat, wird von Seeräubern gekapert. Telemachos schließt sich den Piraten an, lernt ihre Art des Lebens kennen und wird einer von ihnen.


Quellen und Anmerkungen

(1) Ancien Régime (Französisch: alter Staat) bezeichnet ursprünglich die Regierungsform des Adelsgeschlechts der Bourbonen in Frankreich. In einem weiteren Sinn beschreibt Ancien Régime die Frühe Neuzeit in Europa vor der Französischen Revolution von 1789. Der Begriff wird auch stellvertretend für den Absolutismus verwendet.

(2) Napoleon Bonaparte (1769 bis 1821) war Soldat, später General und von 1799 bis 1804 Erster Konsul der Französischen Republik. Anschließend war Napoleon bis 1814 sowie nochmals 1815 Kaiser der Franzosen (Napoleon I.).

(3) Arthur Wellesley (1769 bis 1852), der spätere Duke of Wellington, wurde als Arthur Wesley in Irland in eine aristokratische anglo-irische Familie geboren, die der protestantischen Gesellschaft angehörte. Sein Weg als Militär führte ihn unter anderem nach Indien, wo er zwischen 1799 bis 1803 für die Durchsetzung der politischen und wirtschaftlichen Interessen des Britischen Empire und der East India Company kämpfte. In der Schlacht von Waterloo 1815, die Napoleonischen Kriege beendete, führte Wellesley eine anglo-alliierte Streitmacht zum entscheidenden Sieg über die Truppen Napoleons. Für beide Befehlshaber war es die letzte Schlacht.


Ein ruhender Mensch auf einem weißen Bett. (Foto: Ahmet Ali Agir, Unsplash.com)

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Foto und Video: Fiona Smallwood (Unsplash.com), William Sadler (Battle of Waterloo 1815; public domain) und Gerhard Mersmann

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

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