Nun war sie wieder unterwegs. Mit dem Nachtzug versteht sich, aus Sicherheitsgründen, wie es heißt. In Kiew fühlt sich die Außenministerin eher zu Hause als bei ihren misanthropischen Landsleuten, die partout nicht verstehen wollen, dass in der Ukraine die liberale Demokratie verteidigt wird. Während dort alle wehrfähigen Männer bis zum letzten Jüngling erschossen werden, baden sich die dortigen Oligarchen im Erlebnis nie da gewesener Übergewinne, zum großen Teil finanziert aus den in der geostrategischen Pflicht der NATO stehenden europäischen Staaten, die das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung den imperialen Plänen auf dem globalen Schlachtfeld untergeordnet haben.
Krimineller Militarismus
Dass die militaristische Heraldine, die es im Land der kulturellen Selbstnarkotisierung bis zur Außenministerin geschafft hat, sich einen Dreck um Semantik schert, hat sie bereits zuverlässig unter Beweis gestellt. Sie, wie ihre Partei-Komplizen von der staatlich geförderten Stiftung, die auch im Namen von Liberalität faselt, arbeiten kontinuierlich an der semantischen Transformation von Liberalität hin zu kriminellem Militarismus. Dabei ist ihnen keine Gesellschaft schlecht genug, Hauptsache sie verströmt die Aura von Korruption, Kollusion und Nepotismus. Unter diesem Aspekt ist die erneute Reise mit dem Nachtzug nach Osten nur folgerichtig.
Wer Frieden will, so die Weisheit, seitdem es Kriege gibt, die übrigens selten gerecht waren, der muss beginnen, dafür etwas zu tun. Momentan ist es zumindest der Konsens eiskalter Lobbyisten, einfallsloser Politiker und billiger Lohnschreiber, wie viel sie auch verdienen mögen, dass ein Frieden nicht erstrebenswert sei. Der Ruin der anderen Seite, expressis verbis immer wieder ausgesprochen, macht keinen Hehl aus der zu erwartenden Perspektive: Krieg bis zum bitteren Ende.
Zuerst die Ukraine mit der Zukunft großer Zerstörung, Entvölkerung und der Existenz marodierender, bis an die Zähne bewaffneter Überreste eines unsinnigen wie vermeidbaren Krieges, dann die ökonomisch ruinierten Gesellschaften der EU und vielleicht noch eine Prolongierung bis hin zum südchinesischen Meer. Und wenn dann alles in Schutt und Asche liegt, dann hat die liberale Demokratie obsiegt und wir betreten die Epoche der liberalen Moderne.
Mystery Train und Flächenbrand
Ehrlich gesagt, wenn man sich die Formulierungen und Visionen dieser Akteure genauer ansieht, dann fallen Analogien auf, an die man vor wenigen Jahren nicht geglaubt hätte. Da ist vieles nah, sehr nah an den Gestaltungsversuchen des Massenmörders Pol Pot (1), den – bei genauerer Recherche – die älteren der heutigen Akteure der Kriegs- und Notgemeinschaft in jungen Jahren sogar offen bewundert haben. Aber wollen wir nicht nachtragend sein. Ihr heutiger Beitrag zählt, und er reicht völlig aus, um sich das Ende auszumalen.
Entweder es gelingt, einen Flächenbrand zu entzünden, der der europäischen Zivilisation als Ganzem das Licht ausbläst oder es durchzuckt die europäischen Völker in einer allerletzten, doch noch vorhandenen Selbsterhaltungsreaktion, nach diesen Kriegstreibern zu schnappen und sie aus dem Verkehr zu ziehen. Das scheinen viele Menschen momentan nicht mehr zu erhoffen, weil sie sich haben hypnotisieren lassen von einer ganzen Industrie der Vernebelung.
Trotz dieser nicht zu unterschätzenden Erfahrung sind die in der Genetik gespeicherten Programme der Selbsterhaltung nicht eliminiert. Sobald ein bestimmter Reizpunkt erreicht ist, werden sie aktiviert und der Gegenangriff wird stattfinden. Und man soll sich auch dabei keine Illusionen machen: Es geht dabei um Leben und Tod. Den einen, die momentan im Mystery Train durch die unheilvolle Nacht rauschen, ist das zumeist in Ansätzen aufgegangen. Den anderen, die momentan noch so paralysiert in die Welt schauen, noch nicht. Umso mehr werden sie von sich selbst überrascht sein.
Quellen und Anmerkungen
(1) Pol Pot (1925 oder 1928 bis 1998) war kambodschanischer Politiker, Diktator (1975–1979) und Vertreter einer steinzeitkommunistischen Utopie. Bis 1997 war er der politische und militärische Führer (Bruder Nr. 1) der Roten Khmer. Mit dem Kommunismus kam er während eines Auslandsstudiums in Paris in Berührung. Protegiert von China (und, wie zum Beispiel der US-amerikanische Politikwissenschaftler Michael Haas behauptet, auch den USA, die die Roten Khmer direkt bewaffnet haben sollen, um den Einfluss Vietnams und der Sowjetunion in Südostasien zu schwächen) kamen die Roten Khmer in Kambodscha an die Macht. Ihrer Schreckensherrschaft fielen nach Schätzungen bis zu 2,2 Millionen Menschen zum Opfer. Pol Pot selbst wurde zu einem Synonym für Chaos und Genozid. Ende der 1990er-Jahre räumte Zbigniew Brzezinski, der ehemalige Nationale Sicherheitsberater der USA, ein, er hätte China ermutigt, Pol Pot zu unterstützen. Es hatte aber weder eine direkt noch indirekt Unterstützung seitens der USA gegeben.

Alles beginnt mit dem ersten mutigen Schritt!
Journalismus hat eine Zukunft, wenn er radikal neu gedacht wird: Redaktion und Leserschaft verschmelzen zu einem Block – der vierten Gewalt. Alles andere ist Propaganda.
Foto: Aziz Acharki (Unsplash.com)
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
2 Antworten auf „Mystery Train“
Da braucht mensch nicht mal bis Pol Pot zurückzugehen. Das Parteiensystem bietet eine Plattform für Versager. Vielleicht haben sie am Anfang noch ihre Inkompetenz und ihre Minderwertigkeitslomplexe mit Reden überspielen können, mit Worthülsen, mit hohlen Phrasen, die aber Wirkung hatten. Kein Rückgrat, aber Einschleimen und auf Wirkung setzen. Die anderen Parteinmitläufer sind ja auch nicht gut. Am Ende – da stehen wir jetzt – glauben diese Schwurbler, diese Hochstapler, das, was sie sich damals als ausgedacht haben. Durch die Bestätigung der Altmedien heben sie schießendlich vom Boden ab.
Zu beginn stellt Gerhard Mersmann in seinem Beitrag “Muster Train” fest:
“Nun war sie wieder unterwegs. Mit dem Nachtzug versteht sich, aus Sicherheitsgründen, wie es heißt. In Kiew fühlt sich die Außenministerin eher zu Hause als bei ihren misanthropischen Landsleuten, die partout nicht verstehen wollen, dass in der Ukraine die liberale Demokratie verteidigt wird. Während dort alle wehrfähigen Männer bis zum letzten Jüngling erschossen werden, baden sich die dortigen Oligarchen im Erlebnis nie da gewesener Übergewinne, zum großen Teil finanziert aus den in der geostrategischen Pflicht der NATO stehenden europäischen Staaten, die das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung den imperialen Plänen auf dem globalen Schlachtfeld untergeordnet haben.”
Hier dazu meine Gedanken:
Der Mensch braucht Freiheiten, um Wahrheiten begreifen zu können, er muss wirken, um sein Existieren zu ermöglichen.
Die EU insgesamt kann nur Überleben und ihre Zukunft wahren, wenn sie ihr gesellschaftliches Leben, ihre sozialökonomischen Zielfunktionen, den Inhalt ihrer Institutionen und ihre Strukturen grundlegend verändert und erneuert. Dazu bedarf es vorausgreifender humanistischer Konzepte und Strategien, die über ein solides Fundament verfügen. Niemand in der Welt hat jeweils fertige Lösungen an der Hand. Darum kann ein solches Fundament nur aus dem Zusammenwirken aller Beteiligten, also der Betroffenen und der Macher, und im Diskurs über die jeweiligen Sichtweisen erwachsen. Wie immer ein Staat in utopischer Vorstellung oder wirklich organisiert sein mag, immer geht es darum, Produktion, Distribution, Zirkulation, Konsumtion und Regeneration materieller und geistiger Güter und Werte als Grundlage für das Funktionieren des gesellschaftlichen Lebens nach Recht und Gesetz zu organisieren.
Gerecht ist eine gesellschaftliche Ordnung, wenn Befriedigung und Zufriedenheit angestrebt und Bemängeln und Ungerechtigkeit zu verhindern versucht werden. Dazu müssen die Menschen ihre Situation und Bedingungen verstehen, um mit Willen das Notwendige vernehmen und das Mögliche tun zu können. Nur frei von der Sklaverei der Vorurteile, die das Denken beherrscht und Angst erzeugt, kann der Mensch die wirkliche Wahrheit begreifen. Engstirnigkeit, egoistischer Ehrgeiz und Intoleranz lassen uns über das von uns Vernommene allenfalls ergebnislos nachgrübeln.