In Situationen, die ausweglos erscheinen, lassen sich Menschen immer wieder etwas einfallen, um damit umgehen zu können. Die Ideen reichen von Durchhaltefantasien, über Träumereien bis hin zu taktisch sehr klugen Überlegungen. Manche entsprechen auch einer aus einer Region geborenen Nonchalance wie das Rheinische “Es ist noch immer gut gegangen”.
Doch im Ernst: Angesichts eines Krieges, der vor den Türen tobt und der noch alle Eskalationsmöglichkeiten in sich birgt, angesichts einer Energiekrise, die bis zu frierenden Menschen und einer Hungersnot auswachsen könnte, sind zwei Überlegungen lebenswichtig:
Die eine befasst sich mit der eigenen Resilienz, das heißt, wie vermögen wir weiter zuversichtlich zu sein, obwohl um uns herum alles ins Wanken geraten zu sein scheint? Und die andere befasst sich mit der Frage, wie, sollte es zu einem Danach kommen, die Zukunft aussehen sollte, um aus dem Debakel keine Dauerschleife werden zu lassen.
Embedded Journalism
Die erste Frage, wie das alles überstanden werden kann, kann insofern sehr klar und deutlich beantwortet werden, indem man die Situation unter dem Aspekt der Aufklärung und Verdeutlichung betrachtet. Selten zuvor war die Lage so offensichtlich wie heute. Die Prioritäten sind gesetzt. Es geht weder um das Wohl der Bevölkerung noch um die Sicherheit des Landes, sondern um Geostrategie anderer Großmächte, und es geht um die Ideologie eines Milieus, das ca. 5 bis 6 Prozent der Bevölkerung ausmacht.
Um diese Interessen durchsetzen zu können, bedurfte es langer Wege und harter Arbeit, doch mit der letztendlichen Eroberung der Portale, in denen die öffentliche Meinung produziert wird, hatte man ein wesentliches Ziel erreicht. Das zahlt sich jetzt aus. Man nehme stellvertretend für vieles andere die Auszeichnung mit dem Deutschen Fernsehpreis für eine eingebettete Journalistin.
Was, Ihnen sagt dieser abstruse Begriff nichts? Er stammt aus dem auf einer bewussten Lüge basierenden und völkerrechtswidrigen Golfkrieg aus dem Jahr 2003. Aufgrund schlechter Erfahrungen der kriegsführenden USA in vorhergehenden Kriegen durch unabhängige Journalisten schuf man das System, durch die amerikanischen Streitkräfte akkreditierte und durch das Militär geführte Journalisten zuzulassen, was nicht zu einer kritischen Kriegsberichterstattung, sondern schlicht zu Propaganda führte (1). Man nannte das embedded Journalism.
Degenerierung demokratischer Institutionen
Besagte, gestern ausgezeichnete Journalistin (2) hat als eingebettete Journalistin aus der Ukraine berichtet, immer im Körbchen der ukrainischen Militärs und immer in deren Sinn. Und das, was im Jahr 2003 noch weltweit, vor allem im Westen, zu einem Aufschrei des Protestes hinsichtlich dieser Einschränkung der Pressefreiheit geführt hat, wird im Jahr 2022 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Deutlicher geht die Demonstration der, ja der Begriff ist durchaus angebracht, der medialen Gleichschaltung nicht. Und sollten Sie Zweifel haben, dann hören Sie sich die Statements der Preisträgerin an. Sie ist keine freie Journalistin, sondern Kriegspartei.
So weit ein Beispiel mit genügend Gewicht für einen Befund des gesellschaftlichen Zustandes. Und es hilft nichts, aber auch gar nichts, sich immer wieder dahingehend zu distanzieren, von anderen Invasoren, von Ungerechtigkeiten in der Welt, um die Absolution erteilt zu bekommen, um die Erosion des eigenen gesellschaftlichen Zusammenhalts, um den Verrat an der eigenen Bevölkerung, um die Degenerierung demokratischer Institutionen kritisieren zu dürfen.
Wer sich darauf einlässt, lässt die Zensur durch das Problem selbst zu, macht sich selbst unglaubwürdig und verprellt alle, die in den eigenen Verstand Vertrauen gesetzt haben. Auch wenn die konkreten Umrisse noch nicht sichtbar sind: Eine Zukunft kann es nur geben, wenn fremdbestimmte Politik und Propaganda der Vergangenheit angehören.
Quellen und Anmerkungen
(1) Embedded Journalism (eingebetteter oder integrierter Journalismus) ist die Bezeichnung für eine kontrollierte Kriegsberichterstattung. Der Begriff wurde 2003 zu Beginn des Irakkrieges seitens der US-Streitkräfte geprägt. Bei dieser Art von Berichterstattung werden Kriegsberichterstatter einer (kämpfenden) Militäreinheit zugewiesen. Sie verlieren weitgehend ihre Unabhängigkeit bei der Informationsbeschaffung, müssen auf ihnen angereichte Informationen zugreifen und übernehmen (gewollt oder ungewollt) vermehrt vorgegebene bzw. erwünschte politische Positionen. Embedded Journalism ist somit eine Form der Medienmanipulation.
(2) Presseportal (14.9.2022): Acht Auszeichnungen für das ZDF beim Deutschen Fernsehpreis. Auf https://www.presseportal.de/pm/7840/5321290 (abgerufen am 15.9.2022).

Alles beginnt mit dem ersten mutigen Schritt!
Journalismus hat eine Zukunft, wenn er radikal neu gedacht wird: Redaktion und Leserschaft verschmelzen zu einem Block – der vierten Gewalt. Alles andere ist Propaganda.
Foto: Ashim D’Silva (Unsplash.com)
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
2 Antworten auf „Ausgezeichnete Manipulation: Embedded Journalism“
Kurzgefaßt, lieber Dr Mersmann: Ihr Kurzkommentar zu dieser deformierten Demokratie ist nicht neu, aber wichtig. Weil dieses wertewestliche Phänomen vor allem hierzulande besonders ausgeprägt ist. Wer nachliest kommt auf vorlaufende Kritik: etwa J. Agnolis These der Involution der Demokratie (1967). Die idealistisch etwas voraussetzt, was logisch meint: rückbilden kann sich nur, wenn und was es vorher, also in dem damals CDU-Staat genannten Gebilde, in D (W) gab. Was bestritten werden kann …
Jenseits dieser Überlegungen zur Debatte und mal aus praktischer Gegenwartserfahrung noch kürzer gefaßt und über die Einzelheit des vor allem militärisch bestimmten “eingebundenen Journalismus” hinausgehend: Grundlage für die Wirksamkeit auch dieser Manipulation war, ist und bleibt das volksgemeinschaftliche WIR als Kern dieser Schein- oder Schwindelkollektivität. Dagegen geht´s und gilt´s grad heuer mit Herz & Verstand. Gruß. H. Heine
Hier meine Gedanken zum Gerhard Mersmann Beitrag mit dem Titel “Ausgezeichnete Manipulation: Embedded Journalism”:
Der Mensch braucht Freiheiten, um Wahrheiten begreifen zu können, er muss wirken, um sein Existieren zu ermöglichen.
Zum Beispiel kann die EU insgesamt kann nur Überleben und ihre Zukunft wahren, wenn sie ihr gesellschaftliches Leben, ihre sozialökonomischen Zielfunktionen, den Inhalt ihrer Institutionen und ihre Strukturen grundlegend verändert und erneuert. Dazu bedarf es vorausgreifender humanistischer Konzepte und Strategien, die über ein solides Fundament verfügen. Niemand in der Welt hat jeweils fertige Lösungen an der Hand. Darum kann ein solches Fundament nur aus dem Zusammenwirken aller Beteiligten, also der Betroffenen und der Macher, und im Diskurs über die jeweiligen Sichtweisen erwachsen. Wie immer ein Staat in utopischer Vorstellung oder wirklich organisiert sein mag, immer geht es darum, Produktion, Distribution, Zirkulation, Konsumtion und Regeneration materieller und geistiger Güter und Werte als Grundlage für das Funktionieren des gesellschaftlichen Lebens nach Recht und Gesetz zu organisieren.
Gerecht ist eine gesellschaftliche Ordnung, wenn Befriedigung und Zufriedenheit angestrebt und Bemängeln und Ungerechtigkeit zu verhindern, versucht werden. Dazu müssen die Menschen ihre Situation und Bedingungen verstehen, um mit Willen das Notwendige vernehmen und das Mögliche tun zu können. Nur frei von der Sklaverei der Vorurteile, die das Denken beherrscht und Angst erzeugt, kann der Mensch die wirkliche Wahrheit begreifen. Engstirnigkeit, egoistischer Ehrgeiz und Intoleranz lassen uns über das von uns Vernommene allenfalls ergebnislos nachgrübeln.