Es ist gut, Menschen unterschiedlicher Biografien zu kennen, die bereit zu einem Austausch sind, ohne gleich in den Habitus zu verfallen, der als der momentan gesellschaftlich herrschende beschrieben werden könnte: dem der Rechthaberei und der Diskreditierung der Andersartigkeit des Gegenübers.
Aber es gibt sie noch, diese Kreise. Und jeder, der in solchen Kreisen verkehren darf, empfindet es aufgrund der täglich erlebten Kontaminationen des sozialen Miteinanders als eine Erholung, ja, als ein Privileg.
Nicht, dass es dort keine Meinungsunterschiede gäbe. Unterschiedliche Biografien bedeuten unterschiedliche soziale Kontexte, andere Kulturen, verschiedene Religionen und diverse politische Denkweisen. Einigt man sich allerdings darauf, dass man sich nicht nur gegenseitig zuhört, sondern auch, dass man die Meinungen und Ansichten des Gegenübers nicht bewertet, sondern zu verstehen versucht, dann erwachsen daraus Konsequenzen, die als eine Bereicherung betrachtet werden müssen.
Besondere Kreise
Denn in einem solchen Kontext mit einer solchen Vereinbarung lernt man zuzuhören, man erfährt vieles über die Wege, die zu der Betrachtungsweise führten, und es erwächst etwas: das von der momentan die Köpfe in Brand setzenden, von einem aufmerksamkeitsgetriggerten Journalismus so gerne als Defätismus oder Unterwerfungsgestus diskreditierten Verständnis. Die logische Schlussfolgerung kann überall beobachtet werden: Wer nichts versteht, gehört zu den Guten.
Aber bleiben wir bei dem Kreis derer, die ihre Sicht aus der Perspektive unterschiedlicher Biografien darlegen und sich gegenseitig zuhören. Denn unabhängig von den tatsächlich unterschiedlichen Sichtweisen und Bewertungen kommt dort in der Regel etwas zum Vorschein, das zumeist verwundert, aber letztendlich doch logisch erscheint: Unabhängig von Kontinent, Kultur, Glauben und dem politischen System, in dem die Teilnehmer dieses Kreises leben, sie treffen sich bei Grundannahmen über die Notwendigkeiten, die existieren, um ein vernünftiges, für alle akzeptables und bereicherndes Zusammenleben zu führen.
Wer glaubt, dass die Grundlagen menschlichen Zusammenlebens einzig und allein in seiner eigenen politischen Kultur erkannt und erwachsen sind, hat weit gefehlt. Der Diskurs der aus allen Kulturen Zusammengewürfelten führt zu der Erkenntnis, dass es mehr Gemeinsamkeiten gibt als angenommen und dass, sollten sie es wagen, ein Zusammenleben gar nicht so schwer wäre, wie es bei der Akzeptanz der tatsächlichen geopolitischen Konstellationen zu seien scheint. Relativ schnell fällt auf, dass der Wunsch der verschiedenen Mächte, andere zu dominieren, zu dem führt, was besonders in jüngster Zeit um sich greift und die Welt als eine blutrünstige, sich gegenseitig als Bedrohung empfundene Konstellation begreift.
Botschaften aus Geschichtsbüchern
Dass Imperialismen eine zweischneidige Angelegenheit sind, ist allgemein bekannt. Ihre Tendenz zu vernichten und zu bedrohen dominiert, aber sie schaffen auch Bedingungen, auf denen nächste Schritte des Zusammenlebens basieren. Das, was geschehen ist, ist irreversibel.
Und vielleicht ist es eine der Botschaften aus den Geschichtsbüchern, die sich die Gutmeinenden zu Herzen nehmen sollten: Für die Verbrechen der Vergangenheit existieren keine Ausgleichskonten. Das Einzige, was zählt und auf die Zukunft tatsächlich einzahlt, sind die gemeinsamen zivilisatorischen Gewissheiten.
Alle Versuche, die Sünden der Vergangenheiten in ein Zukunftsprojekt mit aufzunehmen, haben revisionistische Kräfte genährt, die irgendwann so stark waren, dass sie den Anlauf zu einer neuen Zivilisation zunichtegemacht haben. Alles endet dort, wo es anfängt! Und diejenigen, die das aus ihrer jeweiligen Sicht begriffen haben, werden diejenigen sein, die in der Lage sein werden, ernsthaft über ein Zukunftsprojekt zu reden, das den Namen verdient. Die Rechthaber, die Diskriminierer, die Besserwisser und Vertreter egal welcher Imperien, werden das nicht zustande bringen. So viel ist gewiss.

Alles beginnt mit dem ersten mutigen Schritt!
Journalismus hat eine Zukunft, wenn er radikal neu gedacht wird: Redaktion und Leserschaft verschmelzen zu einem Block – der vierten Gewalt. Alles andere ist Propaganda.
Foto: Nick Fewings (Unsplash.com)
Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.
Eine Antwort auf „Globale Politik und besondere Kreise“
Das Neue geht immer mit dem Alten schwanger – auch der “Sünde”, und abgesehen davon, ist jeglicher Idealismus – gesellschaftlich – z.Zt nicht mal homöopathisch wirksam. Jeder rettet sich – wohin auch immer! Physisch und/aber vorallem mental – auch wenn es nur die hübsche Lebenslüge ist. (behav.)
Das “zu bestellende Land” ist der aufgegebene Gestaltungsraum der Ermüdeten und Desilliosionierten, der Vertriebenen und Gefangenen – auch Toten. Der alte Krieg, auf neue/smarte Weise geführt, wähnt sich wohl auf der Zielgeraden..
Kann sein, eben eine Frage der Akzeptanz und somit sich selbsterfüllend. Auch Frage der persönlich erträglichen Ohnmacht. Doch ist “er” die alte stille Kontinuität – min. im “Westen”. Hier seit ca. 25 Jahren sichtbarer und gerade erstaunliche Stilblüten treibend, “pandemisch” sozusagen.. ;)
Diese (innovativen) Imperien-Vertreter und Verwalter(!) zeichnen sich, wenn lebensklug (z.B. Realpolitik), durch einen Pragmatismus aus, der (bestenfalls proaktiv / PR) neue Dogmen bzw. Parolen ersinnt oder dort aufspringt, welcher den (höchst-privaten) sozialen Status weiterhin legitimiert und befördert. Dort findet sich Priorität – dort ist Identität und Leidenschaft – !
In all den gutsherrlichen Gebälken knarzt und kracht es grad ordentlich, entsprechender Fluktuation der Protagonisten geschuldet und der sich beim Umbau solcher “Weltverwaltungsanwesen” ergebenden Spannungen, etc..
Tja – leider und nochmal..
“Es muß sich nunmal Vieles ändern damit Alles so bleibt wie es war”.
;*)