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Meinung

Ukraine: Die schwarze Erde und das viele Geld

So wie es aussieht, glaubt man – zumindest ideologisch – diesen Krieg bereits gewonnen zu haben. Viele der Auguren vor allem aus dem grün-ideologischen Militärkomplex lallen bereits die Endsieg-Parolen, ohne dass sie noch jemand aus den Institutionen des öffentlich-rechtlichen Diskurses dafür zur Rede stellte.

Hitler agierte sehr unverblümt. Er sprach von der Ukraine mit ihrer schwarzen Erde als Kornkammer und schwadronierte dann noch von den Ölfeldern Richtung Kaspisches Meer (1). Beides in deutscher Hand, so in vielen Reden immer wieder betont, dann könne die deutsche Dominanz auf dem Kontinent und in der Welt niemand gefährden.

So weltfremd, wie das einigen Träumern heute klingen mag, war das nicht, was die Macht vom Besitz der genannten Ressourcen anbetrifft. Was die militärischen Machtverhältnisse anbelangte, da hatte er sich gewaltig verschätzt. Denn auf dem Weg zum Kaspischen Meer lag noch Stalingrad, die Stadt, wo der deutsche Angriff verlustreich zum Erliegen kam und der Krieg die alles entscheidende Wende nahm (2).

Alles, was aus diesem Szenario gelernt werden könnte, ist allerdings bewusst verwischt worden und wird durch Räubergeschichten ersetzt, die nur eines zum Ziel haben: bloß nichts Richtiges aus der Geschichte lernen. Denn wer zweifelte heute noch an der Gewissheit, dass Hitlers Ende in der Normandie entschieden wurde?

Wettlauf um die schwarze Erde

Viel hören wir derzeit über die liberale Demokratie, die in der Ukraine verteidigt wird. Wer sich daran orientiert, hat sicherlich den richtigen moralischen Kompass, nur liegt er historisch wieder einmal falsch. Weder war die Ukraine vor dem russischen Überfall eine funktionierende Demokratie, noch wird sie nach dem, was dort passiert ist und wer dort seine Positionen gesichert hat, eine werden. Was allerdings das Interesse des freien Westens anbetrifft, da existieren Motive jenseits der Geschichte von Freiheit und Demokratie.

Dass – und dieser Aspekt erklärt auch die abstrusen Positionen der hiesigen CDU, – was dort allerdings seit dem aus dem Westen forcierten Regime Change 2014 an Besitzerwerb vonstattengegangen ist, kann von der Dimension der Landnahme durchaus mit den Erfolgen der deutschen Armee im Zweiten Weltkrieg verglichen werden. Denn, und das ist nur eines von mehreren Beispielen, dass Firmen wie Monsanto und BlackRock (direkt oder indirekt) insgesamt eine Landfläche kontrollieren, die größer ist als die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche Italiens findet in den Diskussionen um diesen Krieg weder in den Parlamenten noch in den Gazetten Erwähnung (3, 4, 5, 6).

Die schwarze ukrainische Erde hat den Besitzer gewechselt und wird bis zum letzten ukrainischen Soldaten und bis zum letzten von der EU finanzierten Söldner verteidigt.

Das klingt nicht schön und ist jenseits der Romantik zu verorten, die bei jeder noch so fragwürdigen Preisverleihung dieser Tage verströmt werden soll. Und auch dort lohnt sich ein zweiter Blick. Denn man macht sich kaum noch die Mühe, die schweren Brocken rassistischen und faschistischen Gedankenguts so manch eines Gewürdigten zu entsorgen.

So wie es aussieht, glaubt man – zumindest ideologisch – diesen Krieg bereits gewonnen zu haben. Viele der Auguren vor allem aus dem grün-ideologischen Militärkomplex lallen bereits die Endsieg-Parolen, ohne dass sie noch jemand aus den Institutionen des öffentlich-rechtlichen Diskurses dafür zur Rede stellte.

Heilige Einfalt

Die Konferenzen, die sich nun mit dem Wiederaufbau der Ukraine befassen, sind unter dem Aspekt des Ressourcenerwerbs und der Geldströme, die in Gang gesetzt werden, genau zu betrachten. Wer glaubt, da ginge es primär um Kindergärten und Kliniken, dem sei in dem nicht abreißenden Kalendarium der Preisverleihungen auch eine dicke Prämierung zugestanden: die der heiligen Einfalt.

Quellen und Anmerkungen

(1) Das Kaspische Meer, ein Salzsee ohne natürliche Verbindung zu den Ozeanen, ist mit einer Fläche von etwa 371.000 km² der größte See der Erde.

(2) In der sogenannten Schlacht von Stalingrad (23. August 1942 bis 2. Februar 1943) wurde im Zweiten Weltkrieg die 6. Armee der deutschen Wehrmacht somit verbündete Truppen von der Roten Armee vernichtend geschlagen. Stalingrad wird als psychologischer Wendepunkt im Deutsch-Sowjetischen-Krieg, in der ehemaligen UdSSR und im heutigen Russland als “Großer Vaterländischer Krieg” bezeichnet, angesehen. Der Krieg begann am 22. Juni 1941 mit dem Überfall deutscher Truppen auf die Sowjetunion (Unternehmen Barbarossa) und endete mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 8./9. Mai 1945.

(3) Die LINKE (18.2.2015): Agrarkonzerne kaufen die Ukraine auf. Verfügbar auf https://www.linksfraktion.de/themen/nachrichten/detail/agrarkonzerne-kaufen-die-ukraine-auf/ (abgerufen am 25.10.2022).

(4) Badische Zeitung (30.5.2015): Die fruchtbaren Böden der Ukraine sind begehrt. Auf https://www.badische-zeitung.de/kommentare-1/die-fruchtbaren-boeden-der-ukraine-sind-begehrt–105525481.html (abgerufen am 25.10.2022).

(5) taz (9.11.2015): Tausende Hektar für den Westen. Auf https://taz.de/Landverkaeufe-in-der-Ukraine/!5248779/ (abgerufen am 25.10.2022).

(6) Wirtschaftskammer Österreich: Ukraine – Bodenreform ermöglicht Kauf von Agrarland ab Juli 2021. Auf https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/ukraine-bodenreform-landkauf.html (abgerufen am 25.10.2022).


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Journalismus hat eine Zukunft, wenn er radikal neu gedacht wird: Redaktion und Leserschaft verschmelzen zu einem Block – der vierten Gewalt. Alles andere ist Propaganda.

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Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Eine Antwort auf „Ukraine: Die schwarze Erde und das viele Geld“

“Ukraine: Die schwarze Erde und das viele Geld” ist der Titel des Beitrags von Gerhard Mersmann in der “Neuen Debatte”

Hier meine Gedanken dazu:

„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“ – Werden wir Menschen je in der Lage sein, die Ursachen für solche Perversionen nicht nur zu erkennen, sondern sie auch endlich zu beseitigen?
So mahnte Bertold Brecht in seinem „Arturo Ui“ Hitlers „Aufhaltsamen Aufstieg“, den er im vom Gangstertum geplagten Chicago spielen lässt. Vor solchen immer und überall unter entsprechenden Bedingungen auftauchenden Ungeheuern wie Adolf Hitler, der sich zum „Führer“ berufen glaubte, warnt Brecht: “Ihr aber lernet, wie man sieht statt stiert und handelt statt zu reden noch und noch. So was hätt einmal fast die Welt regiert! Die Völker wurden seiner Herr, jedoch, dass keiner uns zu früh da triumphiert. Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!”(Brecht – „Leben des Galilei – Reclam Leipzig 1968)

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