In der Personal- und Organisationsentwicklung wird mit großem Nachdruck zwischen Person und Funktion unterschieden. Bei der Betrachtung und Begutachtung der Personen geht es in erster Linie um das Wissen, die Fähigkeiten und Fertigkeiten, das soziale wie verbale Kommunikationsvermögen, die Anlagen, sprich Talente und damit die Entwicklungsmöglichkeiten, die Fähigkeit, das eigene Handeln zu reflektieren und das Vermögen, die eigenen Wirkungsmöglichkeiten und Zielsetzungen in einem größeren Zusammenhang zu umreißen. Das auf die Person bezogene Portfolio hängt in starkem Maße von der Funktion ab, die die Person einnehmen soll.
Bei der Funktion geht es um die Wahrnehmung der Aufgaben, die in der Organisationsstruktur an diesem Punkt als sinnvoll erachtet werden. Die Ausfüllung der Funktion erfordert zum einen die persönliche Qualifikation, dieses zu tun, aber auch die absolute Loyalität gegenüber der Organisation. Das beinhaltet die strategische Ausrichtung der Organisation wie die Kodizes.
Wenn die persönlichen Zielsetzungen nicht mit denen der Organisation harmonieren, kommt es zum Konflikt. Wenn zum Beispiel die persönliche Einstellung zu einem Sachverhalt mit dem Selbstverständnis der Organisation kollidiert, dann bleibt der Person die Möglichkeit, sich aus der Funktion zu verabschieden oder anders herum, wenn die Person der Meinung ist, sie könne das Organisationsinteresse negieren, kann die Organisation die Person aus der Funktion entfernen.
Spannungsfeld Person und Funktion
Es handelt sich hierbei nicht um obskure Geheimwissenschaften, sondern ist eine allen Menschen, die im Arbeitsleben stehen, zur genüge bekannte Trivialität. In diesem Spannungsfeld leben alle. Es beginnt bereits in der Familie und endet beim Staat.
Selbst die Bürgerinnen und Bürger sehen das Spannungsfeld zwischen sich und dem Staat. Das, was sie dürfen, mögen, können, wollen, sollen und müssen, hängt nicht nur von ihnen selbst, sondern auch von dem als Verfassung und Gesetzgebung vorgeschriebenen Rahmen ab. Der einzige Unterschied zu Wirtschaftsbetrieben und Privatorganisationen besteht beim Staat darin, dass die Bürger sich nicht dazu entscheiden können, sich einen anderen zu suchen, wenn sie nicht mehr mit den Grundsätzen des Staates und ihrer Handhabung einverstanden sind (auch wenn diese Versuche aktuell zunehmen).
Richtig heikel wird es jedoch, wenn Menschen im Funktionsbereich von Staaten eine Aufgabe wahrnehmen. Dann ist eine besondere Sensibilität in der Wahrnehmung der Aufgabe erforderlich. Die persönlichen und weltanschaulichen Einstellungen, so zumindest das bis heute nicht revidierte Verständnis des Staates gegenüber seinen Bediensteten, dürfen das, was als Staatsräson gilt, nicht ersetzen. Ein Zuwiderhandeln hat, betrachtet man das Spannungsfeld zwischen Person und Funktion, in der Regel die sofortige Entfernung der Person aus der entsprechenden Funktion zur Folge und wird in der Regel auch juristisch sanktioniert.
Krise, Notstand, Sektierertum
Ist das nicht der Fall, das heißt, lässt der Staat zu, dass eine Person, die eine herausgehobene staatliche Position einnimmt, ihrer eigenen politischen und weltanschaulichen Haltung in Ausübung des Amtes freien Lauf lässt, dann ist das System gewaltig in die Krise geraten.
Wenn dieselbe Person einem Ressort vorsteht, das für die Einhaltung von Gesetz und Ordnung verantwortlich ist und sie für ihre persönliche Meinungsäußerung von anderen Regierungsmitgliedern Applaus erntet und dieses von der Opposition nicht einmal wahrgenommen wird, gleicht das einem Notstand.
Entspräche die persönliche Haltung einer die Funktion bekleidenden Person zugleich der offiziellen Politik des Staates, wäre das eine Entscheidung, die politisch bewertet werden muss. Es wäre die Negation von Völkerrecht und Staatsräson und die Hinwendung zum Sektierertum.

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Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.