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Meinung

ACAB in Indien

Um die gegenwärtige deutsche Außenpolitik zu beschreiben, bedarf es weder der Form des Dramas noch jene der Tragödie. Eine Anekdote reicht vollkommen aus.

Ganz nach dem Motto “Jetzt heißt es Allianzen schmieden” haben sich verschiedene Mitglieder der Bundesregierung auf den Weg gemacht. Dass dabei die alte Kolonie Namibia, die für Wasserstoff sorgen soll, auf dem Reiseplan steht, ist sicherlich ebenso wenig ein Zufall wie der Besuch der Außenministerin, die in die alte britische Kolonie Indien gereist ist.

Wenn schon das Auftreten des schneeweißen Europas als Neokolonialismus zu bewerten ist, warum dann nicht zuerst einmal in den alten Jagdgründen vorbeischauen?

Unabhängig von den großen historischen Linien ist vor allem der Besuch von Annalena Charlotte Alma Baerbock (im Weiteren ACAB) in Indien von besonderer Bedeutung (1, 2). Denn Indien mutiert mehr und mehr von einem ehemaligen, zwar bevölkerungsreichen, aber dennoch armen Schwellenland zu einem gewaltigen Machtzentrum.

Indien und seine Interessen

Da, nachdem das Tischtuch mit Russland zerschnitten ist und nun in Phase 2 dasselbe mit China geschehen soll, liegt es nahezu auf der Hand, Indien auf die eigene Seite ziehen zu wollen. Handelt es sich doch bei diesem Land um eines, das historisch so manche offene Rechnung mit China zu begleichen hat. So zumindest die Spekulation.

Dass es sich bei Indien jedoch um eine Macht handelt, die vor allem ihren eigenen Interessen folgt, muss der wieder einmal mit Werten und Moral und den damit verbundenen Dilemmata beladenen Außenministerin relativ schnell deutlich geworden sein. Trotz ihrer Bereitschaft zu symbolischen Ehrerweisungen, wobei ihr der Besuch an der Gedenkstätte des die Gewaltlosigkeit predigenden Nationalhelden Mahatma Gandhi (3) wohl am schwersten gefallen ist, stieß sie auf Verhandlungspartner, die sehr schnell und nüchtern zur Sache kamen.

Auf das Ansinnen ACABs, doch auf den Kauf russischen Öls zu verzichten und Russland für den Krieg in der Ukraine zu verurteilen, erhielt sie die Antwort, dass Indien genauso den eigenen Interessen folge wie die Bundesrepublik auch und man nicht einsähe, aus welchen Gründen auch immer anders zu handeln.

ACABs Schlag ins Wasser

Dass die Ministerin in diesem Zusammenhang auf die Wertegemeinschaft hinwies, die in Bezug auf die indische Verfassung stimmen mag, in Bezug auf das Schicksal bestimmter Volksgruppen und Religionsgemeinschaften jedoch nicht, sondern eine ähnliche Problematik aufweist wie in China, blieb unerwähnt, aber nicht unbemerkt.

Das argumentative Kartenhaus einer mit schweren Waffen agierenden und mit Moral verhandelnden Gruppe alter Kolonialmächte ist im Rest der Welt, der allerdings 90 Prozent der globalen Bevölkerung ausmacht, seit Langem bekannt. Da nützt es auch nichts, wenn mediale Werbeagenturen der eigenen Bevölkerung im weißen Europa und im von Weißen beherrschten Nordamerika unablässig etwas anderes weismachen wollen.

Insofern war der Besuch ACABs in Indien ein mächtiger Schlag ins Wasser. Er trug dazu bei, mir eine Anekdote ins Gedächtnis zurückzurufen. Sie wurde von einem Akteur der deutschen Entwicklungszusammenarbeit erzählt.

Sie handelte von einem deutschen Projekt in Indien, das sowohl vom Finanzierungsrahmen als auch von der Wirkungsdimension überschaubar war. Dem Projektleiter war es dennoch gelungen, zum zuständigen indischen Minister vorzudringen und ihm das Ansinnen zu erläutern.

Dabei verwies er darauf, dass der Projektleiter erwarte, dass man sich bei dem Projekt auf Augenhöhe begegne. Die Antwort des Ministers entsprach dem mittlerweile in Indien vorherrschenden Selbstbewusstsein. “Wenn das der Fall sein soll”, so der Minister, “dann müssen Sie noch beträchtlich wachsen.” Ja, um die gegenwärtige deutsche Außenpolitik zu beschreiben, bedarf es weder der Form des Dramas noch der der Tragödie. Die Anekdote reicht vollkommen aus.

Quellen und Anmerkungen

(1) Annalena Charlotte Alma Baerbock (ACAB) ist Politikerin (Bündnis 90/Die Grünen) und seit dem 8. Dezember 2021 im Kabinett von Olaf Scholz (SPD) Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland. Von Januar 2018 bis Februar 2022 war sie gemeinsam mit Robert Habeck Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. A.C.A.B. (Jahrgang 1980) ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages. Zuvor war sie von 2009 bis 2013 Vorsitzende des Landesverbands Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg.

(2) ZDF (6.12.2022): Verzweifeltes Lachen in Neu Delhi. Verfügbar auf https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/indien-baerbock-visa-einwanderung-100.html (abgerufen am 7.12.2022).

(3) Mohandas Karamchand Gandhi (1869 bis 1948) war ein indischer Rechtsanwalt, Publizist, Morallehrer, Asket und Pazifist. Gandhi, der gewaltfreie Aktionen, zivilen Ungehorsam und den Hungerstreik als politische Waffe einsetzte, wurde in den 1920er-Jahren zum geistigen und politischen Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung


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Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

6 Antworten auf „ACAB in Indien“

Das kann man so nicht sehen. Laut DLF hat Anja Marie in Indien das Fladenbrotbacken gelernt. Damit hat sie endlich gegenüber ihren Parteikameraden etwas voraus. Von daher muss man die Indienmission schon als Erfolg werten.

Fladenbrot ist sehr flach und somit auch nichts anderes als die Parteikameraden backen, nämlich: Kleine Brötchen.

mich freut es unendlich, dass sich bärbock + entourage jetzt in indien, wie vorher bei china, eine glatte abfuhr geholt haben, die jetzt mit 100.000 propapanda-worten schöngeredet werden soll. zusätzlich finde ich die geschichts-vergessenheit der mischpoke bärbock+anhang geradezu atemberaubend, und frage mich ganz ernsthaft, in wessen diensten sie stehen, bundes-DEpublik DE, oder usa-außenministerium+thinktanks?
(bärbock, ministerin und kriegstreiberin = eine wirklich extreme fehlbesetzung, die noch viele weitere schäden anrichten wird)

Ja, das “schneeweiße Europa” und das “Weiße Haus” in den USA wirbeln zunehmend Schmutz auf und besudeln sich natürlich dabei.

„ACAB in Indien“ ist der Titel eines Beitrags von Gerhard Mersmann in der „Neuen Debatte“

„Ganz nach dem Motto „Jetzt heißt es Allianzen schmieden“ haben sich verschiedene Mitglieder der Bundesregierung auf den Weg gemacht. Dass dabei die alte Kolonie Namibia, die für Wasserstoff sorgen soll, auf dem Reiseplan steht, ist sicherlich ebenso wenig ein Zufall wie der Besuch der Außenministerin, die in die alte britische Kolonie Indien gereist ist. … Unabhängig von den großen historischen Linien ist vor allem der Besuch von Annalena Charlotte Alma Baerbock (im Weiteren ACAB) in Indien von besonderer Bedeutung (1, 2). Denn Indien mutiert mehr und mehr von einem ehemaligen, zwar bevölkerungsreichen, aber dennoch armen Schwellenland zu einem gewaltigen Machtzentrum. …“

Hier meine Gedanken dazu: Gerecht zusammenleben – wie soll das gehen

„Gerechtigkeit muss sein, und sollte die Welt darüber zugrunde gehen“, das ist nach Johann Manlius ein Ausspruch Ferdinand I., Bruder und Nachfolger Kaiser Karl V.
Mit „Gerechtigkeit“ ist hier wohl eher das Recht des Stärkeren gemeint, nicht die allgemein gültige und gerechte Art und Weise, moralisch und der Menschenwürde entsprechend zu handeln.

die eliten, und in ihrem schattenwurf die politik und politiker sch… auf wirkliche gerechtigkeit, moralen usw, sonst wäre das meiste von dem, das heute so abgeht, rein unerklärlich, denen ist zb, und zwar de facto, schnuzpiepegal, dass ca 1/3 der menschheit von verhungern bis sonstwie am verrecken ist, das ist alles aus der profite-preisbremse seit urzeiten schon ausgeplant..wir müssten die eliten aller möglichen couleuren loswerden, aber wie?

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