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Sieben Gedichte: Prometheus und seine Erben

Wohin führt Prometheus den Menschen? Hinaus aus Unwissenheit und Unterdrückung oder hinein in den Wahn gottähnlicher Macht?

Prometheus ist eine Gestalt der griechischen Mythologie. Er gehört dem Göttergeschlecht der Titanen an. Aus religionskritischer Sicht ist Prometheus das Urbild eines Rebellen, der die Befreiung von Unwissenheit und Unterdrückung einleitet. Die folgenden Gedichte wurden entnommen aus dem Theaterstück “Prometheus und seine Erben” (1), angelehnt an “Die Kinder des Prometheus”.

Charakter und Willen – Gemüt und Genuss

in einem alten Märchen wird erzählt

dass – wie dem Mann – so auch der Frau

ein Schöpfer einst das Leben gab

er schuf zuerst den Mann

und stellte bald schon fest

allein kann der die Erde nicht bevölkern

eine Gefährtin braucht er noch

um diese zu gestalten

entnahm der Schöpfer der Natur

die Wärme der Sonne

und die Rundung des silbernen Mondes

auch das Winden der lautlosen Schlange

den Dufthauch der Blumen

und das Flattern der Blätter im Winde

nahm er dafür

schließlich schmückte der Schöpfer die Frau

mit der Süße des Honigs

und der Schlankheit der Schwalbe

dem Blick eines Rehs

und der Schönheit des Pfaus

so war sie schon beinah vollendet

doch fehlte ihr noch was der Mann

schon vorher bekam – Charakter und Willen

Gemüt und Genuss erhielt sie zuletzt

Prometheus der denkende Vater des Homo sapiens

welch ein Genuss

das Nehmen und das Geben

zu begreifen – zu bewahren

und zufrieden leben

ach könnte ich ein Mensch auch sein

wie ich ihn schuf

um nicht allein im ewigen Geschehen

nur diesen Abgrund noch zu sehn

welche Weisheit denn

gab mir der Glaube an mich selbst

bin ich zur Liebe fähig – darf ich hoffen

Sisyphos der Homo ludens spielt mit dem Tod

wen kümmert das Getön

von Sitte und Moral und gar Besonnenheit

ist’s nicht egal

wenn nur das Leben schäumt

und wie der Wein von Trübsal uns befreit

erst muss der Mensch doch die Natur an sich

um wirklich Mensch zu sein

in die Natur für sich umwandeln

um ganz zuletzt noch

mit dem Tode zu verhandeln

Herakles der Homo faber zieht sich von seiner Arbeit zurück

ist es das Leichte

dem ‘s zu folgen gilt

oder das Schwere

gewichtlos zwar

und leichter noch als Luft

wird alles frei und klar

doch auch bedeutungslos

nur mit Gewicht wird die Wirklichkeit

als ein Etwas wahr

ist das Leichte gut und schrecklich

das Schwere was soll man wählen

wenn’s denn möglich wäre

Mitternachtsball

in einer hellen Vollmondnacht

als Mai-Feuer lodernd brannten

trafen Amor und Psyche

zum Mitternachtsball ein

dort wo die Nachtigallen

schon sangen

das lockte die beiden

zum Tanze

und fröhlich tranken sie

goldgelben Wein

nun sind sie ein glückliches Paar

denn sie lagen auf samtigen Moos

in einer hellen Vollmondnacht

als Feuer lodernd brannten

… und morgens stehen sie am Ufer

wärmende Strahlen

im goldfarbenen Licht

durchdringen die Wolken

berühr’n das Gesicht

das Morgenrot grüßt

die Zuversicht steigt

in ihnen wächst Neugier

wenn das Dunkel sich neigt

schon treibt wache Lust

immer weiter zu seh ‘n

Vergangenes lockt noch

doch das Alte bleibt stehen

sie stehen am Ufer

die Nacht muss nun geh ‘n

und die Sonne lädt ein

das Neue zu seh ‘n

wer einstmals verlor

gewinnt nun sein Spiel

und rückt immer näher

dem wahrscheinlichen Ziel

… am Scheideweg

I.

dies ist der Weg zu den leichten Genüssen

nimm dir was du willst und was du liebst

nimm was dir Gewinn erbringen kann

auszuschlagen brauchst du nichts

Gelüste kannst du immer haben

Angenehmes brauchst du nie zu scheuen

trinken sollst du nur den feinsten Wein

und nur erlesene Speisen sollen dich laben

II.

was hat denn jener Weg an Gutem zu bieten

dort wo man isst noch eh man den Hunger verspürt

dort wo man trinkt ohne Durst und wo man nur liebt

was man sich leichthin einfach nehmen kann

dort wo die scheinbaren Freunde die Nächte verprassen

und den besten Teil des Tages verschlafen

in der Jugend hüpfen sie sorglos herum ohne Sinn

und im Alter schleppen sie sich in stumpfer Einsamkeit dahin

von hoffnungsvollem Glauben gibt’s dort keine Spur

und das Schöne verliert sich im Drüben

III.

der verführerische Weg erschien dem Homo faber gar zu elysisch – faul und gar zu hart der Weg der Strenge

so entschied er sich zur Strebsamkeit auf beiden Wegen

denn wer sein Leben liebt kann auch dem Elend andrer

nicht den Rücken kehren

IV.

doch dem Homo ludens war’s eigentlich egal

Quellen und Anmerkungen

(1) Die Gedichte wurden aus dem von Frank Nöthlich verfassten Theaterstück “Prometheus und seine Erben”, angelehnt an “Die Kinder des Prometheus”, entnommen.

Prometheus am Felsen. (Foto: Frank Nöthlich)

Prometheus ist eine Gestalt der griechischen Mythologie. Er gehört dem Göttergeschlecht der Titanen an. Die Figur des Prometheus wird unterschiedlich beurteilt. Aus religionskritischer Sicht ist er das Urbild eines Rebellen, der die Befreiung von Unwissenheit und religiös fundierter Unterdrückung einleitet.

In der Moderne wird Prometheus als Symbolfigur für den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt gesehen, was die zunehmende Herrschaft des Menschen über die Natur unterstreicht.


Ein ruhender Mensch auf einem weißen Bett. (Foto: Ahmet Ali Agir, Unsplash.com)

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Fotos: Hans Leuzinger (Unsplash.com) und Frank Nöthlich

Lehrer, Philosoph und Autor

Frank Nöthlich (Jahrgang 1951) wurde in Neustadt/Orla (Thüringen) geboren. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und sechs Enkelkinder. Er studierte Biologie, Chemie, Pädagogik, Psychologie und Philosophie von 1970 bis 1974 in Mühlhausen. Nach dem Studium war er an verschiedenen Bildungseinrichtungen als Lehrer tätig. Von 1985 bis 1990 war er Sekretär der URANIA-Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse. Später arbeitete er als Pharmaberater und ist heute Rentner und Buchautor (www.briefe-zum-mensch-sein.de). Er sagt von sich selbst, dass er als Suchender 1991 in der Weltbruderkette der Freimaurer einen Hort gemeinsamen Suchens nach Menschenliebe und brüderlicher Harmonie gefunden hat.

Von Frank Nöthlich

Frank Nöthlich (Jahrgang 1951) wurde in Neustadt/Orla (Thüringen) geboren. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und sechs Enkelkinder. Er studierte Biologie, Chemie, Pädagogik, Psychologie und Philosophie von 1970 bis 1974 in Mühlhausen. Nach dem Studium war er an verschiedenen Bildungseinrichtungen als Lehrer tätig. Von 1985 bis 1990 war er Sekretär der URANIA-Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse. Später arbeitete er als Pharmaberater und ist heute Rentner und Buchautor (www.briefe-zum-mensch-sein.de). Er sagt von sich selbst, dass er als Suchender 1991 in der Weltbruderkette der Freimaurer einen Hort gemeinsamen Suchens nach Menschenliebe und brüderlicher Harmonie gefunden hat.

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