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Panzerfrage

Mache sich niemand etwas vor. Hier spielt schon lange niemand mehr virtuell. Es herrscht Krieg und das Hemd ist näher als der Rock.

Wer das sucht, was sich einmal als vierte Gewalt profilieren wollte, der muss in den Blog-Untergrund gehen. Dort finden sich Prunkstücke dessen, was als guter Journalismus bezeichnet werden kann. Und nur dort.

In Zeiten des Krieges wären solche Erscheinungen an der Oberfläche erforderlicher denn je. Doch den Monopolen ist es gelungen, nichts übrig zu lassen als eine gegenseitig von sich abschreibende kriegslüsterne Meute von Untertanen.

Nun gut. Es ist so, wie es ist. Und es wird dadurch schlimmer, dass es dieser Mischpoke gelungen ist, die politische Klasse vor sich herzutreiben. Wer bitte schön, sollte denn dort noch den Todesmut aufweisen und der Abteilung Kriegspropaganda einmal die Stirn bieten. Alleine schon die eine oder andere taktisch abweichende Vorstellung wird bereits als defätistisches Zaudern geahndet.

Und da wäre das Beispiel mit dem Kriegseintritt. Bei dem immer lesenswerten Blog von Egon W. Kreutzer zum Beispiel war exklusiv zu lesen, warum die Panzerfrage, die momentan das heulende Rudel um die Waffenlobbyistin Marie-Agnes Strack-Zimmermann nahezu um den Verstand bringt, eine so große Bedeutung hat.

Das Junktim, das Kanzler Olaf Scholz (1) hergestellt hat, indem er die Zusage deutscher Lieferung von Leopard 2-Panzern an die gleichzeitige Bereitschaft von Abrams-Panzern aus den USA geknüpft hat, hängt mit der Offensivfähigkeit des Geräts zusammen.

Offensivwaffen, die ihrerseits das russische Territorium erreichen können, sind wahrscheinlich die letzte – übrigens im Gegensatz zu der Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, der die Bundesrepublik längst als Kriegspartei bezeichnet – Hürde vor einer offenen Kriegserklärung mit oder von Russland.

Da die USA ihrerseits in beiden Weltkriegen gut mit dem späten Kriegseintritt gefahren sind, weil bis dahin die anderen Parteien bereits sehr geschwächt waren, würden sie gerne an dieser Taktik festhalten. Deshalb liefern sie keine angriffsfähigen Waffen, ermuntern jedoch ihre europäischen NATO-Satelliten, allen voran Deutschland, dieses zu tun.

Diesen Zusammenhang scheint Kanzler Scholz im Gegensatz zur kompletten grün-liberalen Kriegsfraktion und der olivfarbenen Journaille begriffen zu haben. Sagen wird er das freilich nie, sonst könnte es blitzschnell passieren, dass er wenige Stunden später mit einem Hubschrauber abstürzte oder Opfer des tumultuösen Berliner Straßenverkehrs würde. Mache sich niemand etwas vor. Hier spielt schon lange niemand mehr virtuell. Es herrscht Krieg und das Hemd ist näher als der Rock.

Heute, wo der Jahrestag der Zeichnung des Élysée-Vertrages (2) gefeiert wird, sollte vielleicht das eine oder andere Licht aufgehen, ob es nicht besser wäre, orientiert an europäischen Sicherheitsinteressen, an einem Bündnis mit Frankreich festzuhalten und es zu vertiefen, als sich an den Rockschoß amerikanischer Kriegstreiber zu hängen, die planvoll, Schritt für Schritt, das Desaster in der Ukraine angerichtet haben.

Unter Federführung des jetzigen Präsidenten, der als Obamas Vize für die Ukraine verantwortlich war, dort nicht nur Familienmitglieder im Konsortium von Öloligarchen versorgt und gegen dieses Konstrukt ermittelnde Staatsanwälte entsorgt hat, sondern auch Waffen en masse hat liefern lassen (3). Dass die Wahl einer solchen Figur als ein Sieg der Demokratie in den USA dem hiesigen Publikum verkauft wurde, sollte all jenen, die ihren Verstand noch nicht eingebüßt haben, auch noch ein wenig zu denken geben.

Das Spiel ist immer dasselbe. Andere für sich kämpfen lassen, warten, bis sie ausgeblutet sind, dann dazukommen und den Sieg abgreifen. Dort, wo man sich nicht darauf einließ, wurde daraus nichts. Aber nur dort. Wer sich mehr auf die Beteuerungen anderer verlässt als auf die eigenen Interessen, kann nur auf dem Opfertisch enden.

Quellen und Anmerkungen

(1) Olaf Scholz (Jahrgang 1958) ist Rechtsanwalt, Politiker (SPD) und seit Dezember 2021 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Von Mai bis Oktober 2001 war Scholz Innensenator von Hamburg, von Ende 2007 bis Oktober 2009 Bundesminister für Arbeit und Soziales der BRD und von 2011 bis 2018 Erster Bürgermeister von Hamburg. Im Anschluss war er Bundesminister der Finanzen und Vizekanzler. Im Zusammenhang mit der sogenannten Cum-ex-Affäre rund um die Privatbank M.M. Warburg, wurde gegen Scholz ermittelt. Das Magazin Panorama berichtete: “Es geht um die Frage, ob er in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister Einfluss genommen hat auf ein Steuerverfahren über 47 Millionen Euro zugunsten der Privatbank M.M. Warburg.” Und weiter heißt es: “Eineinhalb Jahre lang führte die Staatsanwaltschaft unter dem Aktenzeichen 5700 Js 1/20 gegen Olaf Scholz Vorermittlungen durch – um sie dann drei Wochen vor der Bundestagswahl klammheimlich einzustellen.” Quelle: https://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/Gebremster-Eifer-Staatsanwaltschaft-ermittelte-15-Jahre-gegen-Scholz,cumex438.html (abgerufen am 23.1.2023).

(2) Der deutsch-französische Freundschaftsvertrag, auch Élysée-Vertrag genannt, ist ein Abkommen zur deutsch-französische Zusammenarbeit. Das Abkommen sollte in Frankreich und Deutschland Konsultationen in allen wichtigen Fragen der Außen-, Sicherheits-, Jugend- und Kulturpolitik sicherstellen. Der Freundschaftsvertrag wurde am 22. Januar 1963 von Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle im Pariser Élysée-Palast unterzeichnet und trat am 2. Juli 1963 in Kraft.

(3) Joseph “Joe” Biden (Jahrgang 1942) ist seit dem 20. Januar 2021 Präsident der USA. Als Vertreter des Bundesstaates Delaware war Biden von 1973 bis 2009 im Senat der Vereinigten Staaten. Während der Amtszeit von Barack Obama (2009 bis 2017) war Biden Vizepräsident der USA.


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Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

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