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Klub der Ignoranz: Marie Antoinette als Vorbild?

Aufmerksame Beobachter werden eine Ahnung haben, worauf der zeitgenössische Vergleich mit Marie Antoinette, der französischen Königin, die 1793 in Paris Kopf und Leben verlor, hinausläuft.

Das Heranziehen historischer Figuren geschieht sehr oft aus Gründen einer Vereinfachung. Wenn jemand, der klein von Wuchs ist, sich gerne in den Vordergrund drängt und mit Vehemenz seine Meinung vertritt, des Napoleon-Komplexes bezichtigt wird, dann wissen zumindest diejenigen, die sich ein wenig in der Geschichte auskennen, was gemeint ist; obwohl es sich bei einem solchen Vergleich um völligen Humbug handelt.

Die historische Figur des Napoleon (1) war alles andere als ein Kleinwüchsiger, der sich gerne aufspielte. Er gehört zu den komplexesten Charakteren der neueren Geschichte und ohne ihn wäre die Weltgeschichte anders verlaufen. Insofern ist es kein Wunder, dass kaum eine andere historische Person so oft zu Vergleichen inspiriert.

In letzter Zeit kam des Öfteren eine andere historische Figur, die ebenso wie Napoleon tragisch endete und längst nicht dessen Bedeutung erlangte, in den Fokus. Es handelt sich um die letzte französische Königin vor der Revolution.

Die Ahnungslosigkeit der Marie Antoinette

Die Habsburgerin Marie Antoinette (2) war die Gemahlin Ludwigs XVI. von Frankreich. Sie teilte das Schicksal ihres Gatten und wurde wie dieser im Jahr 1793 guillotiniert. Ihr wurden bestimmte Äußerungen zugeschrieben, die das hungernde und revoltierende Volk in Frankreich zur Weißglut trieben.

So soll sie, während in Paris Demonstrationen gegen den Hunger und die Forderung nach Brot stattfanden, den lakonischen Satz ausgespien haben, dass das Volk doch Kuchen essen solle, wenn es kein Brot habe.

Ob das so stimmt, ist meines Wissens historisch nicht belegt. Was ihr allerdings tatsächlich unterstellt werden kann, ist eine völlige Ahnungslosigkeit hinsichtlich der Lebensbedingungen des einfachen Volkes. Dass sie aufgrund dessen davon unberührt bleib, versteht sich dann von selbst. Letztendlich führte diese wie auch immer zu erklärende Ignoranz dazu, dass ihr Kopf unter dem Jubel des versammelten Volkes in einem Weidenkorb landete.

… der neue Klub der Ignoranz

Die aufmerksamen Beobachter werden bereits eine Ahnung haben, worauf der zeitgenössische Vergleich hinausläuft. Angefangen hat es mit einer Bemerkung, nachdem ein Kind gesagt hatte, dass die hohen Benzinpreise für ärmere Familien ein Problem sein könnten. Ihre Antwort war, dass diejenigen, denen das Benzin zu teuer sei, doch dann E-Autos fahren sollten. Und schon war der Vergleich der heutigen Außenministerin zur letzten vorrevolutionären Königin Frankreichs hergestellt.

Der wurde nun erneuert, als bekannt wurde, dass die Dame jährlich rund 136.000 Euro für Make-up und Kosmetiker (3) aufwendet, während die Versorgung vieler Familien mit den basalen Gütern des täglichen Lebens zunehmend schwerer wird.

Nicht, dass von Amtsträgern gefordert werden sollte, wie unglückliche und verarmte Gestalten ihren Geschäften nachzugehen. Aber ein Gespür dafür, was die Existenz und die Gefühlslage derer ausmacht, die durch dieses Amt vertreten werden, sollte schon vorhanden sein – und ist es nicht.

Die Ignoranz gegenüber den Umständen im eigenen Land offenbart sich mit jedem Auftritt. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die Äußerungen gegenüber Dritten von einer analogen Unwissenheit geprägt sind. Insofern ist die Prognose, dass das alles nicht gut ausgehen wird, ein durchaus wahrscheinliches Unterfangen.

Dass das von niemandem aus dem politischen Geschäft thematisiert und geschweige denn kritisiert wird, zeigt, wie weit sich der Klub von den konkreten Lebensrealitäten entfernt hat. Natürlich, um auf die unglückliche Marie Antoinette zurückzukommen, wird heute niemand mehr auf der Guillotine enden. Aber gut ausgehen wird das nicht. Das ist sicher.

Quellen und Anmerkungen

(1) Napoleon Bonaparte (1769 bis 1821) war Soldat, Offizier später General, Diktator und Kaiser der Franzosen ( Napoleon I. ). Nachdem Napoleon durch eine Volksabstimmung und den Senat die Kaiserwürde angetragen worden war, krönte er sich am 2. Dezember 1804 selbst zum Kaiser.

(2) Marie Antoinette (1755 bis 1793) wurde als Erzherzogin Maria Antonia von Österreich geboren. Durch Heirat mit dem Thronfolger Ludwig August wurde sie am 16. Mai 1770 Dauphine (vergleichbar mit dem deutschen Adelstitel Kronprinzessin) von Frankreich. Nach der Thronbesteigung ihres Gatten als Ludwig XVI. war sie vom 10. Mai 1774 an Königin von Frankreich und Navarra, nach der Französischen Revolution vom 4. September 1791 bis zum 10. August 1792 Königin der Franzosen. Anfänglich beliebt, wurde sie schon unter dem Ancien Régime zum Ziel massiver, teils polemischer, Kritik. Neun Monate nach ihrem Ehemann wurde sie mit der Guillotine hingerichtet.

(3) Bunte.de (25.1.2023): So viel geben Politiker fürs Schönsein aus. Auf https://www.bunte.de/panorama/politik/christian-lindner-annalena-baerbock-co-so-viel-geben-sie-fuer-make-up-aus.html (abgerufen am 5.2.2023).


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Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Eine Antwort auf „Klub der Ignoranz: Marie Antoinette als Vorbild?“

das ist quatsch, denn
(1) sind es nur 135.900 euro pro jahr zum upmaken für bär+bock und
(2) können ja schließlich auch zb hartz-4 und alle anderen pejorats-leute sich frei aussuchen, wie sie ihre unmengen von geld zwischen sich-schminken und essen kaufen jeweils aufteilen
(3) gilt b.brechts ehernes dogma: “wäre ich nicht reich, könntest du nicht von meinen brosamen leben”, oder einfacher gesagt, auch bei bärbocks, habecks usw ist das hemd eben grüner als die hose, die bluse grüner als das kleidchen, usw

*
bärbocks visagisten: 136.000/jahr sind ca 400 euro/tag nur für die visage, ich finde das sehr moderat, denn sie könnte ja auch 1000/tag oder mehr fürs aussehen investieren, äh, das sind ja alles letztlich steuergelder, zu denen dann noch v-i-e-l mehr dazukommt, zb dienstwagen, büros, reisen um die welt, usw, und das mehr oder weniger für alle “parasiten”, die in bundestag und landtagen sitzen, womit allein dieser posten zwischen 100-200 millionen euro/jahr ausmacht, also 0,2 milliarden euro/jahr dafür, das unsere “volksvertreter” immer schnatz aussehen und auftreten können, was in anbetracht ihrer unsäglichen guten bis besten leistungen völlig gerechtfertigt ist

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