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Sieben Todsünden

An den Zorn wird gerne appelliert, aber er scheint sich nicht in der spätkapitalistischen Postmoderne so etabliert zu haben wie die anderen sechs ethischen Frevel.

Wem sind sie noch präsent? Die sieben Todsünden? Neid, Völlerei, Habgier, Wollust, Hochmut, Trägheit und Zorn!

Da die Legitimation unseres Daseins sich nur noch subkutan auf die christlich-abendländische Ethik bezieht, würde kaum noch jemand auf die Idee kommen, sich bei dem, was uns an menschlichen Handlungen umgibt, auf diese Liste Bezug zu nehmen.

Obwohl, das leuchtet bei der bloßen Lektüre sofort ein, es genügend Anlässe gibt, um menschliches, zeitgenössisches Handeln unter dem Aspekt dieser sieben Todsünden auf den Index zu setzen.

Neid, Völlerei, Habgier, Wollust, Hochmut, Trägheit und Zorn!

Neid? Kein Tag vergeht, ohne dass diese Regung spürbar würde. Völlerei? Nur ein Blick auf die Werbung macht deutlich, dass es als schick gilt, dieser Sünde zu frönen. Habgier? Muss darauf überhaupt geantwortet werden? Ist es nicht das Prinzip, das alles leitet?

Wollust? Ob ihre Befriedigung tatsächlich gelingt, sei einmal dahin gestellt. An sie appelliert wird unablässig. Hochmut? Geschenkt, überall präsent. Trägheit? Gilt als erstrebenswert und sie zu pflegen, gelingt nur den Privilegierten.

Und Zorn? Durchaus vorhanden, aber im Gegensatz zu den anderen Todsünden zumindest kein Massenphänomen. An ihn wird gerne appelliert, aber er scheint sich nicht in der spätkapitalistischen Postmoderne so etabliert zu haben wie die anderen sechs ethischen Frevel.

Rachsucht und Revisionismus

Vielleicht ist der Zorn jedoch die Regung, die sich der Modernität durch eine Mutation perfekt angepasst hat. Es ist die Ranküne, die Rachsucht. Sie geht weiter als der spontane Zorn, denn ohne eine meistens vielleicht auch langfristige Berechnung ist sie nicht zu haben.

Welthistorisch gesehen ist das Phänomen zur Zeit hochaktuell. Die Demütigung von Nationen nach Niederlagen, die sie nicht selten selbst zu verantworten hatten, führt ziemlich sicher zu einer geballten Form der Ranküne. Es dauert in der Regel zwei bis drei Jahrzehnte, bis die nach der Niederlage Geschmähten zurückschlagen. Historiker nennen das Phänomen Revisionismus (1).

So verhielt es sich mit Deutschland nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg und den heute sogenannten Pariser Vorortverträgen (früher schlicht nach Versailles benannt), in denen der einstigen Großmacht demütigende Bedingungen zugemutet wurden (2). Die Reaktion kam mit dem Faschismus. Und so verhielt es sich mit Russland, das 1990 als Sowjetunion unterging und alles zu akzeptieren hatte, was die Ramponierung einer russischen Identität beinhaltete. Die Antwort darauf erhielt die Welt im Februar 2022.

Im Teufelskreis der Todsünden

Wie gesagt, Historiker haben auf derartige Zusammenhänge aufmerksam gemacht. Das konkret handelnde politische Personal hat das Wissen um das mögliche Entstehen von Rankünegedanken nicht auf dem Schirm. Das Unrecht des Moments bedeutet alles, die historische Demütigung hingegen nichts. Sie wird und wurde stets vom Tisch gewischt. Auf allen Seiten!

Um auf die sieben Todsünden, die unseren Alltag in hohem Maße bestimmen, zurückzukommen: Das Auftauchen des Zorns in Form von Rachegefühlen ist nicht selten das Ergebnis von Hochmut auf der Gegenseite. Betrachtet man den Zusammenhang, dann sind wir mitten im Teufelskreis der sieben Todsünden. Alles hängt miteinander zusammen und das eine bedingt das andere. Ohne Habgier kein Neid, ohne Wollust keine Völlerei und keine Trägheit. Und ohne Hochmut kein Zorn.

Hätten wir es mit einem ethischen Diskurs zu tun, dann müssten wir uns mit diesen Wechselwirkungen auseinandersetzen und dürften nicht, auf hohem Ross sitzend, hochmütig wie die Königin der Todsünden über alles urteilen, was unter dem Blick der Auserwählten kreucht und fleucht. Ja, sind wir ehrlich, es ist beschämend. Und die Scham wäre vielleicht auch das erste Mittel zur Linderung der Sünden.

Quellen und Anmerkungen

(1) Revisionismus steht als Begriff für Versuche, eine als allgemein anerkannt geltende historische, politische oder wissenschaftliche Erkenntnis und Position beziehungsweise den herrschenden Konsens darüber nochmals zu überprüfen, infrage zu stellen, neu zu bewerten oder umzudeuten. Sowohl Befürworter als auch Gegner solcher Revisionen verwenden den Begriff.

(2) Der Friedensvertrag von Versailles, der völkerrechtlich den Ersten Weltkrieg beendete, wurde am 28. Juni 1919 zwischen dem Deutschen Reich sowie Frankreich, Großbritannien, den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten geschlossen. Der Friedensvertrag war auf der Pariser Friedenskonferenz 1919 im Schloss von Versailles von den Alliierten und Assoziierten Mächten ohne Beteiligung Deutschlands ausgehandelt worden. Der Vertrag konstatierte nicht nur, dass die alleinige Verantwortung für den Ausbruch des Weltkriegs bei Deutschland und seinen Verbündeten lag, sondern verpflichtete diese zu Abrüstung, Gebietsabtretungen und Reparationszahlungen an die Siegermächte. Die Unterzeichnung des Friedensvertrags von Versailles war zugleich der Gründungsakt des Völkerbunds.


Ein ruhender Mensch auf einem weißen Bett. (Foto: Ahmet Ali Agir, Unsplash.com)

Alles beginnt mit dem ersten mutigen Schritt!

Journalismus hat eine Zukunft, wenn er radikal neu gedacht wird: Redaktion und Leserschaft verschmelzen zu einem Block – der vierten Gewalt. Alles andere ist Propaganda.

Foto: Jon Tyson (Unsplash.com)

Politologe, Literaturwissenschaftler und Trainer | Webseite

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Von Gerhard Mersmann

Dr. Gerhard Mersmann ist studierter Politologe und Literaturwissenschaftler. Er arbeitete in leitender Funktion über Jahrzehnte in der Personal- und Organisationsentwicklung. In Indonesien beriet er die Regierung nach dem Sturz Soehartos bei ihrem Projekt der Dezentralisierung. In Deutschland versuchte er nach dem PISA-Schock die Schulen autonomer und administrativ selbständiger zu machen. Er leitete ein umfangreiches Change-Projekt in einer großstädtischen Kommunalverwaltung und lernte dabei das gesamte Spektrum politischer Widerstände bei Veränderungsprozessen kennen. Die jahrzehntelange Wahrnehmung von Direktionsrechten hielt ihn nicht davon ab, die geübte Perspektive von unten beizubehalten. Seine Erkenntnisse gibt er in Form von universitären Lehraufträgen weiter. Sein Blick auf aktuelle gesellschaftliche, kulturelle wie politische Ereignisse ist auf seinem Blog M7 sowie bei Neue Debatte regelmäßig nachzulesen.

Eine Antwort auf „Sieben Todsünden“

Sieben Todsünden
An den Zorn wird gerne appelliert, aber er scheint sich nicht in der spätkapitalistischen Postmoderne so etabliert zu haben wie die anderen sechs ethischen Frevel.

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Von Gerhard Mersmann

Hier ein Bespiel dazu – Bis ende 2020 hat sich die Machtmarionette Trump an die Priorität amerikanischer Interessen zu halten, Biden wird das nun fortsetzen. Antony Blinken ist nicht der neue Außenminister, den die Vereinigten Staaten oder die Welt braucht, und der US-Senat sollte seine Nominierung ablehnen. Hier sind 10 Gründe:

1. Ein gewählter Präsident, der jahrzehntelang an jedem katastrophalen Krieg teilgenommen hat, sollte nicht als Außenminister einen wichtigen Berater nominieren, der ihm geholfen hat, zahlreiche kritische Entscheidungen falsch zu treffen. Biden war der Ausschussvorsitzende, der die Genehmigung zum Irak-Krieg mit Blinkens Hilfe durch den Senat führte. Blinken verhalf Biden zu einer Katastrophe nach der anderen in Libyen, Syrien, der Ukraine und anderswo. Wenn Biden behauptet, bedauern zu haben oder etwas gelernt zu haben, zeigt er es noch nicht.
2. Blinken war sogar Teil von Bidens haarsträubenden Plänen, die nicht in die Tat umgesetzt wurden, wie zum Beispiel der Plan, den Irak in drei separate Marionettenstaaten aufzuteilen.
3. Blinken hat Trumps Bombenanschläge in Syrien und die Bewaffnung der Ukrainer unterstützt, einen Militarismus, der über die Politik Obama-Bidens hinausging.
4. Blinken hat darauf gedrängt, dass Wahlkampfversprechen zur Beendigung endloser Kriege nicht zu ernst genommen werden.
5. Blinken ist ein Kriegsgewinnler. Er fördert nicht nur prinzipiell das Massenschlachten. Er wird dadurch reich. Er ist Mitbegründer von WestExec Advisors, um von seinen Verbindungen zu profitieren, indem er Firmenverträge mit dem US-Militär abschließt.
6. Das Außenministerium wird als Waffenvermarktungsfirma die Drehtür für Blinken schmieren, bedeutet aber eine Katastrophe für die Welt. Blinken ist angeblich mit an Bord, um den Krieg gegen den Jemen zu beenden. Aber was ist mit der Beendigung der Waffenverkäufe an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate? Wie wäre es mit einem Ende der Waffenverkäufe an alle brutalen Regierungen, wie es die von Ilhan Omar geförderte Gesetzgebung vorsieht? Die Kongressabgeordnete Omar setzte sich dafür ein, Biden zu wählen, aber er scheint den gegenteiligen Ansatz zu verfolgen. Die Vereinigten Staaten verabschieden sich gerade von einem Präsidenten, der sowohl mit Waffengeschäften prahlte als auch den Einfluss des militärisch-industriellen Komplexes anprangerte. Es scheint unwahrscheinlich, dass Biden auf eine dieser beiden Weisen spricht, aber es ist wahrscheinlich, dass er in die Fußstapfen von Trump tritt.
7. Blinken war Mitbegründer dieser Waffenprofitorganisation zusammen mit Michele Flournoy, der zum Kriegsminister ernannt werden könnte. Das Außenministerium könnte mehr denn je zu einem Arm des Militärs werden.
8. Man hatte uns (absurderweise) davor gewarnt, dass die Nominierung von Hackern durch Firmen notwendig sei, um die Vielfalt als Alibi zu erhalten. Aber hier handelt es sich um einen korporativen weißen Hacker. Wie oft genau wird von uns erwartet, dass wir uns umdrehen und tot stellen?
9. Das große Geld (und die Toten) sind im Begriff, sich auf einen Krieg mit Russland und China vorzubereiten. Blinken ist mit von der Partie. Er ist kein Anhänger Russlands und glaubt an den Militarismus als die richtige Antwort auf jede Feindseligkeit, ob fiktiv oder nicht. Er drängt offen auf Feindseligkeit gegenüber Russland.
10. Blinken unterstützte das Iran-Geschäft, aber nicht den Frieden mit dem Iran, nicht die Wahrheit über den Iran. Das Team Blinken-Biden widmet sich dem Militarismus im Namen der israelischen wie auch der US-Regierung. Was könnte schief gehen?
(NOVEMBER 23, 2020 BY DAVIDSWANSON)

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